• 20.11.2012, 19:26:07
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  • OTS0339 OTW0339

Zugang zur Invaliditätspension wird erschwert

Sozialausschuss billigt mit S-V-Mehrheit Sozialrechts-Änderungsgesetz

Utl.: Sozialausschuss billigt mit S-V-Mehrheit
Sozialrechts-Änderungsgesetz=

Wien (PK) - Die Koalitionsparteien haben sich bereits im Zuge des im
Frühjahr verabschiedeten Sparpakets zur Budgetkonsolidierung darauf
verständigt, den Zugang zur Invaliditätspension zu erschweren, um die
mittel- und langfristige Finanzierbarkeit der gesetzlichen
Pensionsversicherung sicherzustellen. An den konkreten gesetzlichen
Bestimmungen hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer einige Monate
gefeilt, nun steht das Vorhaben aber kurz vor der Beschlussfassung.
Der Sozialausschuss des Nationalrats gab heute, unter
Berücksichtigung eines Abänderungsantrags, grünes Licht für den
Gesetzentwurf.

Vorgesehen ist nicht nur eine Neuregelung der Invaliditätspension,
sondern etwa auch Verbesserungen für NotstandshilfebezieherInnen.
Zudem werden Mitglieder von Berufs- und Betriebsfeuerwehren in den
Geltungsbereich des Nachtschwerarbeitsgesetzes aufgenommen. Durch den
Abänderungsantrag wurde sichergestellt, dass auch ungelernte
ArbeiterInnen und Angestellte ohne Berufsschutz Anspruch auf
medizinische Rehabilitationsmaßnahmen haben, wenn sie ihren Beruf aus
gesundheitlichen Gründen vorläufig nicht ausüben können.

Der Beschluss im Ausschuss fiel mit Stimmen der Koalitionsparteien.
Zwar begrüßte auch die Opposition die Intention, mehr Augenmerk auf
die Rehabilitation gesundheitlich beeinträchtigter Personen zu legen,
sie ortet aber Mängel in der gesetzlichen Umsetzung des Vorhabens.
Ein wesentlicher Kritikpunkt von FPÖ, Grünen und BZÖ ist, dass die
neuen Bestimmungen nicht für LandwirtInnen, Selbständige und
BeamtInnen gelten.

Umschulungs- und Rehabilitationsgeld statt Invaliditätspension

Kernpunkt des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2012 ist der Ersatz der
befristeten Invaliditätspension durch ein Umschulungsgeld bzw. ein
Rehabilitationsgeld. Durch diese Maßnahme will man gesundheitlich
beeinträchtigte Menschen aktiv helfen, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu
fassen. Nur wer dauerhaft invalid ist, bekommt künftig eine
Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension. Mittel- und langfristig
soll das beträchtliche Einsparungen für die gesetzliche
Pensionsversicherung bringen.

Ob Umschulungsgeld oder Rehabilitationsgeld gewährt wird, hängt davon
ab, ob Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung wie Umschulungen
zweckmäßig und zumutbar sind. Zuständig für die berufliche
Rehabilitation ist das AMS, für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen
zeichnen die Krankenversicherungsträger verantwortlich. In beiden
Fällen sind die Betroffenen angehalten, aktiv an der Rehabilitation
mitzuwirken.

Das Rehabilitationsgeld entspricht in der Höhe dem Krankengeld, darf
aber nicht unter den Ausgleichszulagenrichtsatz rutschen. Für das
Umschulungsgeld dient das Arbeitslosengeld - mit einem Zuschlag von
22 % - als Berechnungsbasis, Untergrenze ist das Existenzminimum. Um
einheitliche Standards bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von
gesundheitlich beeinträchtigten Menschen sicherzustellen, ist die
Einrichtung je eines "Kompetenzzentrums Begutachtung" im Bereich des
ASVG sowie im Bereich des GSVG und des BSVG vorgesehen.

Wer mit 31. Dezember 2013 eine befristete Invaliditäts- bzw.
Berufsunfähigkeitspension bezieht, erhält diese dem Gesetzentwurf
zufolge bis zum Auslaufen der Befristung weiter.

Weitere Punkte des Sozialrechts-Änderungsgesetzes betreffen u.a. die
Einbeziehung von Berufsfeuerwehren in den Geltungsbereich des
Nachtschwerarbeitsgesetzes, die Weiterentwicklung der
Kombilohnbeihilfe zur Unterstützung von ArbeitnehmerInnen, die aus
gesundheitlichen Gründen nur Teilzeit arbeiten können, sowie die
Anhebung des einfachen Freibetrags im Bereich der Notstandshilfe. Von
der letztgenannten Maßnahme werden voraussichtlich rund 11.300
arbeitslose Personen profitieren, die derzeit wegen eines zu hohen
Partnereinkommens keine oder nur eine reduzierte Notstandshilfe
erhalten.

Opposition sieht weiteren Diskussionsbedarf

Im Rahmen der Diskussion kritisierte Abgeordneter Karl Öllinger (G),
dass im Sozialausschuss keine Grundsatzdiskussion über die
Neuregelung des Zugangs zur Invaliditätspension geführt werde. Dem
Grundsatz, Rehabilitation Vorrang vor Frühpension einzuräumen,
könnten die Grünen durchaus zustimmen, meinte er, seiner Ansicht nach
ist der Gesetzentwurf aber in vielen Punkten "Stückwerk" geblieben.

Öllinger zeigte etwa kein Verständnis dafür, dass für ASVG-
Versicherte, BeamtInnen und LandwirtInnen nicht die gleichen
Bestimmungen gelten. Zudem wurde seiner Meinung nach für ungelernte
ArbeitnehmerInnen keine befriedigende Lösung gefunden. Ebenso hätten
sich die Grünen ein einheitliches "Case-Management" über den gesamten
Zeitraum der medizinischen und beruflichen Rehabilitation und eine
einheitliche finanzielle Leistung gewünscht, egal ob man sich in
einer Phase der medizinischen Rehabilitation oder in einer
Umschulungsphase befindet.

In Bezug auf die weiteren Punkte des Sozialrechts- Änderungsgesetzes
übte Öllinger Kritik daran, dass das Pflegegeld bei teilstationärer
Pflege künftig grundsätzlich an den Kostenträger der Einrichtung und
nicht an den Leistungsempfänger ausbezahlt werden soll. Er drängte
außerdem einmal mehr auf einen Rechtsanspruch auf Ersatzpflege bei
häuslicher Betreuung von pflegebedürftigen Personen.

Abgeordneter Herbert Kickl (F) begrüßte die Implementierung eines
Rechtsanspruches auf medizinische Rehabilitation. Für ihn ist es
allerdings "ein gehöriger Wermutstropfen" des Gesetzes, dass die
Bestimmungen nicht für alle Sozialversicherten gelten. Die Zahl der
InvaliditätspensionistInnen sei schließlich nicht nur im ASVG-Bereich
zu hoch, sagte er. Kickl fürchtet außerdem, dass aufgrund des
Qualifikationsschutzes für manche Personengruppen wie etwa
AkademikerInnen keine adäquate Umschulung möglich ist. Zweifel
äußerte er auch an den erwarteten Einsparungszielen.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) zeigte sich ebenfalls
skeptisch, dass es mit den vorgesehenen Maßnahmen gelingen werde,
gesundheitlich beeinträchtigte Menschen länger im Erwerbsleben zu
halten. Umschulungen nützten nichts, wenn danach keine Jobs vorhanden
seien, wie jetzt schon viele ältere ArbeitnehmerInnen zur Kenntnis
nehmen müssten, gab er zu bedenken. Ähnlich argumentierte
Abgeordneter Norbert Hofer (F), der meinte, es wäre besonders
schlimm, wenn Betroffene nach erfolgreicher Rehabilitation keinen
Arbeitsplatz finden.

Seitens der Koalitionsparteien wandte sich Abgeordneter August
Wöginger (V) dagegen, einzelne Berufsgruppen gegeneinander
auszuspielen. Es suche sich niemand aus, so krank zu sein, dass er
nicht mehr arbeiten könne, sagte er. Besonders begrüßt wurden von ihm
die zentralen Begutachtungsstellen. Er wertete es auch als wichtig,
dass jene Personen, die dauerhaft invalid sind, weiter Zugang zur
Invaliditätspension haben. Sein Fraktionskollege Karl Donabauer
sprach sich in Anbetracht der gemeinsamen Begutachtungsstelle für
Selbstständige und für LandwirtInnen dafür aus, im Bereich des GSVG
und des BSVG auch den Berufs- und Tätigkeitsschutz aufeinander
abzustimmen.

Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) ortet eine grundsätzliche
Übereinstimmung der Abgeordneten in Bezug auf die Intention, der
beruflichen und medizinischen Rehabilitation von gesundheitlich
beeinträchtigten Menschen Vorrang einzuräumen. Anders als in der
Vergangenheit würde den Betroffenen nicht mehr vorgeworfen,
"Tachinierer" zu sein, meinte er. Über den vorliegenden Gesetzentwurf
wurde Katzian zufolge lange diskutiert, Ergebnis sei ein Kompromiss,
dem er guten Gewissens zustimmen könne. Sollten in der Praxis
Problemfälle auftreten, müsse man aber entsprechend reagieren,
bekräftigte er. Generell hielt Katzian fest, wolle man das faktische
Pensionsantrittsalter anheben, müssten auch Jobs zur Verfügung
stehen.

Seine Fraktionskollegin Ulrike Königsberger-Ludwig wertete aus
frauenpolitischer Sicht die Erhöhung des Freibetrags für
NotstandshilfebezieherInnen als besonders begrüßenswert und zeigte
sich auch darüber erfreut, dass das Umschulungsgeld nicht an das
Partnereinkommen gekoppelt ist. Weiters hob sie die rückwirkende
Anrechnungsmöglichkeit von Pflegezeiten von behinderten Kindern in
der Pensionsversicherung hervor, ein Punkt, den auch FPÖ-Abgeordneter
Kickl begrüßte.

Abgeordneter Johann Hechtl (S) und Abgeordneter Wöginger machten auch
auf die Einbeziehung der Betriebs- und Berufsfeuerwehren in das
Nachtschwerarbeitsgesetz aufmerksam.

Mehr als 70.000 Anträge auf Invaliditätspension im Jahr 2011

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies darauf hin, dass das
Rehabilitationsgeld grundsätzlich ohne Befristung gewährt wird.
Jeweils spätestens nach einem Jahr müsse der Gesundheitszustand aber
überprüft werden. Nicht alle betroffenen Personen werden, so der
Minister, zu einer Umschulung verpflichtet, so könne man etwa nach
einer längeren Krebstherapie wieder im ursprünglichen Berufsfeld
tätig sein.

Dass LandwirtInnen, Selbständige und BeamtInnen nicht von der
Neuregelung umfasst sind, hat für Hundstorfer sachliche Gründe. Wohin
solle er einen Bauern umschulen, fragte er. Zudem gebe es etwa bei
BeamtInnen keine befristete Invaliditätspension.

Gegenüber der FPÖ versicherte Hundstorfer, dass die Personen, die
Umschulungsgeld bzw. Rehabilitationsgeld beziehen, statistisch nicht
verschwinden. Jene, die Umschulungen machten, würden in den AMS-
Statistiken aufscheinen, die anderen in der Krankenstandsstatistik.
Er räumte aber ein, dass das faktische Pensionsantrittsalter durch
das Gesetz voraussichtlich angehoben wird.

Wie Hundstorfer berichtete, haben im vergangenen Jahr mehr als 70.000
Menschen wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit einen Antrag auf
Invaliditätspension gestellt. Rund 42.000 dieser Anträge seien
abgelehnt worden, in rund 29.000 Fällen wurde eine
Invaliditätspension genehmigt. Davon erhielten rund 7.000 Menschen
eine befristete Invaliditätspension zugesprochen. In Zukunft wolle
man diese Menschen nicht allein lassen, sondern sie aktiv
unterstützen, um ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu
ermöglichen, betonte Hundstorfer.

Erfreut zeigte sich der Minister darüber, dass bei den Beschäftigten
über 60 Jahre in den letzten neun Monaten ein 10%iges Wachstum zu
verzeichnen war. Er hofft, dass dieser Trend weiter anhält.

Oppositionsanträge abgelehnt bzw. vertagt

Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 mitverhandelt wurden
zahlreiche Oppositionsanträge, die jedoch keine Mehrheit fanden bzw.
vertagt wurden. So fordert das BZÖ eine Aufgabenerweiterung der
Pensionssicherungskommission (1325/A[E]) und eine bessere
sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Menschen in
Beschäftigungstherapie (1152/A[E]). Die Grünen haben eine Änderung
des Bundespflegegeldgesetzes beantragt, um pflegende Angehörige zu
entlasten (1702/A). Die FPÖ macht sich unter anderem für adäquate
Unterbringungsmöglichkeiten für jungen Menschen mit Behinderung
(1823/A[E]), pensionsrechtliche Begünstigungen für behinderte
ArbeitnehmerInnen (1939/A[E]) und geänderte Kompetenzen für die
Ausstellung von Behindertenausweisen gemäß Straßenverkehrsordnung
(1948/A[E]) stark.

Die Ablehnung der Anträge der FPÖ und der Grünen begründete
Abgeordneter August Wöginger (V) unter anderem damit, dass ein
Rechtsanspruch auf Ersatzpflege für pflegende Angehörige keinen
Zusatznutzen hätte, sondern nur mehr Bürokratie verursachen würde.
Die Forderung der FPÖ, adäquate Unterbringungsmöglichkeiten für junge
Menschen mit Behinderung bereitzustellen, betrifft ihm zufolge
Länderkompetenzen. In Bezug auf die Übertragung der Zuständigkeit zur
Ausstellung eines Behindertenausweises nach der
Straßenverkehrsordnung an das Bundessozialamt liege bereits ein
Begutachtungsentwurf vor.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) hatte zuvor darauf aufmerksam gemacht,
dass junge Menschen mit Behinderungen sich in Alten- und Pflegeheimen
nicht wohl fühlten. Er urgierte außerdem eine abschlagsfreie Pension
für behinderte Menschen nach 40 Berufsjahren.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer sicherte Abgeordnetem Hofer zu, das
Anliegen in Bezug auf die adäquate Unterbringung von jungen Menschen
mit Behinderung an die Landessozialreferenten weiterzuleiten. Es gebe
jedoch schon jetzt einige Bundesländer, die darauf achten würden,
dass junge behinderte Menschen vor allem in Wohngemeinschaften und in
betreuten Wohnformen untergebracht werden, unterstrich er.

Die beiden Anträge des BZÖ wurden vertagt. Wie Abgeordnete Ulrike
Königsberger-Ludwig (S) festhielt, berät eine Arbeitsgruppe über die
sozialversicherungsrechtliche Absicherung von behinderten Menschen in
Beschäftigungstherapie. Auch über die Ausweitung der Aufgaben
Pensionssicherungskommission laufen Gespräche. (Schluss)

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