- 04.10.2012, 08:49:39
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Wir brauchen mehr Bewußtsein für Nierenerkrankungen!
Bad Hofgastein (OTS) - Fortschreitende Nierenerkrankung kann Dialyse
oder Nierentransplantation erforderlich machen. Lebendspende ist
kostengünstiger als Dialyse und verbessert die Lebensqualität, so
Experten beim EHF-Symposium "Be Aware of Your Kidneys" in Bad
Hofgastein. Ein neues Organtransplantationsgesetz ist in
Begutachtung.
Müssen Nierenerkrankungen verstärkt in das öffentliche Bewußtsein
gerückt werden? "Ja", betont Prim. Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka als
Vorsitzender eines EHF-Symposiums in Bad Hofgastein. Der Nephrologe,
Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung am AKh Linz und Vorsitzender
der "Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie" (ÖGN) und von
"Austrotransplant", begründet: "Öffentliche Aufmerksamkeit bekommen
in der Regel nur Erkrankungen mit vielen Betroffenen. Wenn wir
Nierenerkrankungen mit Dialysepflicht gleichsetzen, gibt es in
Österreich tatsächlich relativ wenige Patienten." Nierenerkrankungen
in frühen Stadien seien hingegen sehr häufig, daher müsse verstärkt
aufgeklärt werden, um die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und
rechtzeitig zu behandeln.
Denn immerhin jeder zehnte Erwachsene leidet an einer
eingeschränkten Nierenfunktion, macht Nierenspezialist Univ.-Prof.
Dr. Alexander Rosenkranz aufmerksam. Allerdings, so der Leiter der
klinischen Abteilung für Nephrologie an der Universitätsklinik für
Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz, nehmen die meisten
Betroffenen die Erkrankung zunächst gar nicht wahr, da Beschwerden
erst nach Jahren oder Jahrzehnten auftreten. "Ein hohes Risiko für
fortschreitende Nierenfunktionsstörungen haben Patienten mit
Bluthochdruck und Diabetes", weiß Rosenkranz.
Bleibt die Erkrankung jahrelang unerkannt und unbehandelt,
verlieren die Nieren ihre Entgiftungsfunktion und müssen ersetzt
werden. Für diese so genannte Nierenersatztherapie gibt es heute drei
Möglichkeiten: "Hämodialyse, also die klassische Blutwäsche dreimal
die Woche an einem Zentrum, Peritonealdialyse, eine Form der Dialyse,
die der Patient nach entsprechender Einschulung auch zu Hause
durchführen kann und nur alle vier bis sechs Wochen am Zentrum
vorstellig wird, oder Nierentransplantation", zählt Rosenkranz auf.
Die Wartezeit für eine neue Niere beträgt in Österreich derzeit
durchschnittlich drei Jahre, sodass "wir in Zukunft die Lebendspende
forcieren müssen", so Rosenkranz. Derzeit erhalten in Österreich nur
etwa zehn Prozent aller Betroffenen eine Lebendspende, in anderen
Ländern, etwa in Norwegen, ist die Bereitschaft zur Organspende
wesentlich höher. "Welche Form der Nierenersatztherapie letztlich für
den Patienten in Frage kommt, müssen Arzt und Patient gemeinsam
besprechen", betont Rosenkranz. Neben medizinischen Notwendigkeiten
gilt es dabei auch, die persönliche Lebenssituation und die Wünsche
des Patienten zu berücksichtigen.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Oberbauer, Leiter der Abteilung für
Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Transplantationsmedizin (Interne
III) am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz, zeigt auf, dass die
Lebendspende, sofern medizinisch möglich, längerfristig sogar das
kostengünstigste Verfahren ist: "Die Kosten für eine Dialyse sind
hoch und bewegen sich je nach Ersatzverfahren im Bereich um 50.000
Euro pro Jahr und Patient", berichtet Oberbauer. "Eine
Transplantation ist zwar anfänglich teurer, ab dem zweiten Jahr nach
der Transplantation sind die Kosten jedoch deutlich geringer als
jene, die für die Dialyse aufgebracht werden müssen." Diese deutliche
Kosteneffizienz einer rechtzeitigen Lebendspende konnte in
mathematischen Modellen eindeutig dargestellt werden.
Nicht zu unterschätzen sei zudem der Gewinn an Lebensqualität,
wenn der Patient eine Spenderniere erhält. Oberbauer: "Hämo- und
Peritonealdialyse erreichen bei vielen Befragungen meist niedrigere
Werte hinsichtlich der Lebensqualität im Vergleich zur
Nierentransplantation." Oberbauer fordert daher ebenso, die
Aufklärung über die Möglichkeit zur Lebendspende und damit die
Bereitschaft für eine solche Spende zu erhöhen.
"In Folge der EU-Richtlinie über Qualitäts- und
Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche
Organe muss in Österreich die gesetzliche Regelung über
Organtransplantation überarbeitet werden", berichtet Dr. Maria
Kletecka-Pulker, Institut für Ethik und Recht in der Medizin,
Medizinische Universität Wien. Dieses neue
Organtransplantationsgesetz (OTPG) wird derzeit begutachtet und
enthält erstmals explizite rechtliche Regelungen für eine
Lebendspende. "Organe dürfen nur freiwillig und unentgeltlich
gespendet werden. Dies schließt aber nicht aus, dass der Spender eine
angemessene Entschädigung für Verdienstentgang und andere
angemessenen Ausgaben bekommt", zitiert Kletecka-Pulker zentrale
Passagen des Gesetzesentwurfs. Da es sich bei der Entnahme der Nieren
nicht um einen medizinisch indizierten Eingriff handelt, ist eine
umfassende ärztliche Aufklärung verpflichtend, auf die der Spender
auch nicht verzichten kann.
Für den Empfänger stellt die Transplantation im Gegensatz zum
Spender einen medizinisch notwendigen Eingriff dar, der sich nach den
allgemeinen Regelungen richtet: So ist für die Durchführung einer
Organtransplantation die Einwilligung des Patienten und die
medizinische Indikation erforderlich. Liegt eine der Voraussetzungen
nicht vor, darf der Eingriff nicht durchgeführt werden, denn
Patienten können eine medizinische Maßnahme ablehnen.
"Selbstverständlich muss auch der Empfänger umfassend ärztlich etwa
hinsichtlich der Risiken und alternativer Heilmethode aufgeklärt
werden."
Dr. Franz Vranitzky, Bundeskanzler a.D., stand vor etwa acht
Jahren vor der Entscheidung einer Lebendspende. "Meine Frau litt seit
Jahrzehnten an einer Nierenerkrankung und war bereits transplantiert.
Allerdings begann dieses Ersatzorgan müde zu werden." Nach
intensiven, sehr einfühlsamen ärztlichen Gesprächen, bei denen kein
Druck zur Lebendspende ausgeübt wurde, und nach den erforderlichen
medizinischen Vortests stand sein Entschluss fest, seiner Frau eine
seiner Nieren zu spenden. "Die Operation und alle
Nachsorgeuntersuchungen sind gut verlaufen", betont der frühere
Bundeskanzler. "Das Organ meiner Frau funktioniert nach wie vor
bestens und heute sind wir dankbar, dass wir uns damals zu diesem
Schritt entschlossen haben!"
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