• 27.06.2012, 14:48:12
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24-Stunden-Pflege: Bund verlängert Fördervereinbarung mit den Ländern Sozialausschuss billigt mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik

Wien (PK) - Die Förderung der 24-Stunden-Pflege durch die öffentliche
Hand bleibt zumindest vorerst gesichert. Bund und Länder haben sich
darauf verständigt, eine im Jahr 2007 geschlossene Vereinbarung über
die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung um ein Jahr bis
Ende 2014 zu verlängern. Damit soll der Geltungszeitraum der Bund-
Länder-Vereinbarung an den Geltungszeitraum der laufenden
Finanzausgleichsperiode angepasst werden. Der Sozialausschuss des
Nationalrats gab heute grünes Licht für die Verlängerung, der
Beschluss fiel mit S-V-G-Mehrheit. Gemäß Vereinbarung übernimmt der
Bund 60 % der gewährten Zuschüsse für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung
pflegebedürftiger Personen in den eigenen vier Wänden, die Länder 40
%.

Ebenfalls vom Sozialausschuss gebilligt wurden heute eine
außertourliche Pensionsanpassung für Kleinstpensionen (siehe PK-Nr.
547/2012), die Bereitstellung von zusätzlichen 20 Mio. € für aktive
Arbeitsmarktpolitik und ein Abkommen zwischen Österreich und Serbien
über soziale Sicherheit.

Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung

Gemeinsam mit der - mit den Stimmen von S-V-G genehmigten - neuen
Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung wurden eine Reihe
von Oppositionsanträgen zum Thema Pflege mitverhandelt. So drängen
sowohl die FPÖ (1822/A[E]) als auch das BZÖ (1746/A[E]) auf eine
automatische jährliche Valorisierung des Pflegegelds. Überdies
verlangen die Freiheitlichen eine Aufwertung der Gesundheits- und
Krankenpflegeschulen (100/A[E]) und die Einführung eines Lehrberufs
"Pflege und Betreuung" (1668/A[E]); diese Anträge wurden alle
abgelehnt.

Ein weiteres Anliegen der FPÖ war die Standardisierung des
Begutachtungsverfahrens zur Bewertung des Pflegebedarfs (128/A[E)),
da es diesbezüglich in den einzelnen Bundesländern sehr große
Unterschiede gebe. Die Grünen urgieren einen Rechtsanspruch auf
Zuwendungen für pflegende Angehörige zur Finanzierung einer
Ersatzpflege im Krankheitsfall und für Zeiten eines Urlaubs
(1702/A[E]). Beide Anträge wurden vertagt.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) erinnerte an die ursprünglichen
Bedenken der Freiheitlichen bei Einführung der 24-Stunden-Betreuung,
wodurch es ihm auch nicht möglich sei, der Verlängerung zuzustimmen.
Im Besonderen ging er dann auf die Anträge der Freiheitlichen zum
Thema Ausbildung ein, die aufgrund des Pflegemangels dringend
überdacht werden müsse. Seine Parteikollegin Dagmar Belakowitsch-
Jenewein plädierte für einen Lehrberuf Pflege und verwies
diesbezüglich auf ein Modellprojekt in Vorarlberg. Ihre Fraktion
stehe für einen möglichst niederschwelligen Zugang zum Beruf und für
eine Aufwertung durch eine bessere Entlohnung.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) war aufgrund zahlreicher
Gespräche mit Betroffenen überzeugt davon, dass viele Menschen sehr
dankbar sind, dass es eine 24-Stunden-Pflege gibt. Auch die
durchgeführten Kontrollen haben ergeben, dass in 99 % der Fälle eine
qualitätsvolle Betreuung gesichert ist.

Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) wies darauf hin, dass ihre
Fraktion schon bei der Beschlussfassung des 24-Stunden-Modells auf
gewisse Risiken hingewiesen habe. So sei z.B. die Kontrolle der
Gewährleistung einer qualitätsvollen Pflege sehr schwierig. Vor allem
bei Personen mit höherer Pflegestufe finde man oft unqualifizierte
Pflegekräfte, gab sie zu bedenken. Bedenklich finde sie auch die
Entwicklung, dass immer mehr ältere Menschen in Pflegeheimen im
Ausland untergebracht werden, weil es dort billiger ist.

Abgeordneter Oswald Klikovits (V) war der Auffassung, dass das System
der 24-Stunden-Betreuung insgesamt sehr gut funktioniere. Bedenken
hatte er - ebenso wie V-Mandatar August Wöginger - bezüglich der
Einführung eines Lehrberufs Pflege, da 15jährige Jugendliche mit den
Herausforderungen einer solchen Tätigkeit noch überfordert wären.

Dieser Meinung schloss sich auch Abgeordnete Sabine Oberhauser (S)
an, die generell ein durchlässiges und modulares Ausbildungssystem
für Pflegeberufe von der Basisversorgung bis hin zur Spezialisierung
forderte. Unnötige Hürden (Stichwort: Matura für alle Berufe) sollten
jedoch vermieden werden. Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) verwies
auf die hohen psychischen Belastungen in den Pflegeberufen, weshalb
sich auch fast alle Experten gegen die Einführung einer Lehre in
diesem Bereich aussprechen. Was generell die Mittel für die Pflege
angeht, so sollten seiner Meinung nach die Sachleistungen erhöht
werden.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer informierte darüber, dass es im
Bereich der 24-Stunden-Betreuung derzeit 35.530 Pflegepersonen mit
aktiver Gewerbeberechtigung gibt, wovon 97 % als Selbstständige tätig
sind. Die Qualitätskontrolle werde durch die Mitarbeiter des bei der
Sozialversicherung der Bauern eingerichteten Kompetenzzentrums Pflege
gewährleistet. Im letzten Jahr haben sie insgesamt 20.000 Hausbesuche
durchgeführt und nur in einem Prozent der Fälle Missstände entdeckt,
gab der Minister bekannt. Bundesweit greifen durchschnittlich 3,2 %
der Pflegegeldbezieher auf die 24-Stunden-Betreuung zurück; im
Burgenland ist der Anteil mit 6,4 % am höchsten, in Wien (1,4 %) am
niedrigsten.

Aufgrund der Erfahrungswerte konnte auch festgestellt werden, dass
bei den Pflegestufen 1-3 lediglich 13 % des Pflegegeldes für den
Zukauf von Fremdleistungen aufgewendet werden; in der Pflegestufe 7
beträgt dieser Anteil 70 %. Weiters gab der der Minister zu bedenken,
dass durch den Pflegefonds, der bis 2016 über eine Milliarde Euro an
Sozialhilfen für die Länder und Gemeinden bereit stellt, die
Kostensteigerungen aufgefangen werden. Die Standardisierung der
Begutachtungsverfahren sei auch ihm ein wichtiges Anliegen, so
Hundstorfer weiter, allerdings bestehen trotz einheitlicher
Schulungsschemata noch immer unterschiedliche Zugangsweisen in den
einzelnen Bundesländern. Eine neue Richtlinie werde aber derzeit
ausgearbeitet, kündigte der Minister an. Zur Forderung der
Freiheitlichen, einen Lehrberuf Pflege einzuführen, führte der
Minister aus, dass er auch Bedenken habe, junge Menschen so früh
derartigen schwierigen Tätigkeiten auszusetzen. Er bevorzuge
stattdessen einen anderen Weg, der auf Umschulung und Weiterbildung
setzt. Allein heuer werden auf diese Weise 4.700 Pflegehelfer
ausgebildet.

Was die Forderung der Grünen angeht, einen Rechtsanspruch auf
Zuwendungen für pflegende Angehörige zur Finanzierung einer
Ersatzpflege im Krankheitsfall und für Zeiten eines Urlaubs zu
verankern, merkte der Ressortchef an, dass fast alle derartigen
Anträge positiv beschieden werden. Zum Thema Pflegeheime im Ausland
hielt Hundstorfer fest, dass man niemandem vorschreiben könne, wo er
leben soll. Allerdings handle es sich dabei sicher nicht um ein
Massenphänomen.

Mehr Geld für sozialökonomische Betriebe und Beschäftigungsprojekte

Einstimmig vom Sozialausschuss beschlossen wurde ein Antrag der
Koalitionsparteien, angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit heuer
zusätzlich 20 Mio. € für Aktivierungshilfen bereitzustellen. Die
Mittel sollen vor allem sozial-ökonomischen Betrieben und
gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten zugute kommen, die
ArbeitnehmerInnen mit dem Zweck der Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt beschäftigen. Bei der Verwendung der Mittel soll ein
Schwerpunkt auf arbeitsmarktnahe, qualitativ hochwertige,
gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung gesetzt werden, heißt es in
den Erläuterungen.

Wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer erklärte, sind die zusätzlichen
Mittel ausschließlich für ältere bzw. gesundheitlich beeinträchtigte
Arbeitslose gedacht. Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F)
teilte er mit, dass 37 % der Betroffenen nach einer Beschäftigung in
einem sozial-ökonomischen Betrieb einen Arbeitsplatz im "ersten
Arbeitsmarkt" finden.

Abgeordnete genehmigen Sozialabkommen mit Serbien

Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ genehmigte der
Sozialausschuss ein Abkommen mit Serbien über soziale Sicherheit. Es
soll das seinerzeit zwischen Österreich und Jugoslawien
abgeschlossene und bisher pragmatisch weiter angewendete Abkommen
ersetzen und erworbene Ansprüche im Bereich der Kranken-, Unfall-,
Pensions- und Arbeitslosenversicherung schützen. Inhaltlich sind
keine wesentlichen Änderungen vorgesehen, lediglich in einzelnen
Details, etwa in Bezug auf den Datenschutz und die
Versicherungspflicht für diplomatisches Personal, wurden Anpassungen
an ähnliche jüngere Abkommen mit anderen Ländern vorgenommen.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) kündigte die Zustimmung seiner
Fraktion an, hätte sich aber gewünscht, dass auch der Transfer von
Einmalzahlungen bei Pensionen im Abkommen inkludiert wäre.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer ging auf eine Frage der F-
Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein ein und informierte
darüber, dass in insgesamt 24.000 Fällen Pensionszahlungen von
Österreich nach Serbien gehen; umgekehrt - also von Serbien nach
Österreich - sind es 1.000 Fälle.

Teilweise Aufhebung des Sozialabkommens mit dem Kosovo

Analoge Vereinbarungen mit dem Kosovo will Österreich hingegen
suspendieren, da es vor Ort nach wie vor kein System der Kranken-,
Unfall- und Arbeitslosenversicherung gibt und sich die kosovarische
Seite auch im Bereich der Pensionsversicherung nicht an
Abkommensbestimmungen hält. Die entsprechende Regierungsvorlage wurde
vom Sozialausschuss mit S-V-F-B-Mehrheit gebilligt; der von den
Grünen eingebrachte Vertagungsantrag wurde von keiner der anderen
Fraktionen unterstützt.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) plädierte für eine Vertagung des
Verhandlungsgegenstandes. Er denke, dass sich der Kosovo auf einem
guten Weg befinde, Fortschritte in vielen Bereichen mache und als
junger Staat einfach etwas mehr Zeit brauche, um die notwendigen
Strukturen aufzubauen. Außerdem existiere bereits eine
Krankenversicherung, an einem neuen Pensionssystem werden ebenfalls
gerade gearbeitet. Öllinger befürchtete zudem, dass diese
Vorgangsweise jenen Kritikern Argumente liefern wird, die sich von
Anfang an gegen eine Anerkennung des Kosovos als eigenen Staat
ausgesprochen haben. Auch seine Fraktionskollegin Daniela Musiol sah
die teilweise Suspendierung des Vertrags gerade zum jetzigen
Zeitpunkt kritisch, da es ihrer Ansicht nach zu keiner grundlegenden
Änderung der Umstände gekommen ist.

Abgeordneter Oswald Klikovits (V) hob zunächst die positive
demokratische und wirtschaftliche Entwicklung im Kosovo hervor. Im
Sozialbereich gebe es aber noch nicht ausreichend Rechtssicherheit,
urteilte der Redner, weshalb es legitim sei, das Abkommen teilweise
aufzuheben.

Eine österreichisch-kosovarische Expertenrunde habe Ende Mai 2011 in
Wien festgestellt, dass im Bereich der Kranken-, Unfall- und
Arbeitslosenversicherung keine Gegenseitigkeit besteht, erklärte
Bundesminister Rudolf Hundstorfer. Auch die Verhandlungen über das
Thema Pensionsversicherung haben ergeben, dass Pensionszeiten nur bis
zum Stichtag 31.12.1998 abgesichert sind. Sobald sich im Kosovo aber
Änderungen ergeben und die notwendigen Schritte umgesetzt werden,
könne das Abkommen wieder in Kraft treten. Der als Auskunftsperson
geladene Botschafter Jan Kickert sah die Suspendierung als
gerechtfertigt an, da in den letzten vier Jahren nicht die für ein
solches Abkommen erforderlichen Gesetze beschlossen wurden. Die
kosovarische Seite habe die österreichische Vorgangsweise auch
akzeptiert.

Einstimmig nahm der Ausschuss schließlich einen Bericht der
Bundesregierung über das auf der 94. Tagung der Internationalen
Arbeitskonferenz angenommene Seearbeitsübereinkommen zur Kenntnis.

Auch wenn Österreich von den Inhalten des Abkommens nicht betroffen
ist, sollte es ratifiziert werden, forderte Abgeordneter Karl
Öllinger (G), da es sich um einen guten Vertrag handle. Außerdem
sprach er sozial- und arbeitsrechtliche Probleme von österreichischen
Arbeitnehmern an, die auf Schiffen unter ausländischer Flagge
arbeiten. Für diese Personengruppe gilt dann die jeweilige
Rechtsordnung des Flaggenstaates.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) wies darauf hin, dass Ende 2011 die
letzten drei Schiffe unter österreichischer Flagge aufgegeben wurden
und ein Beitritt zum Abkommen daher nicht sinnvoll wäre.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer merkte in Richtung des Abgeordneten
Öllinger an, dass kein Abkommen zur Binnenschifffahrt existiere. Man
bemühe sich jedoch so gut wie möglich, sich der Probleme von
österreichischen Arbeitnehmern anzunehmen.

(Schluss)

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