- 31.05.2012, 16:09:35
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Debatte zur neuen Sicherheitsstrategie im Verteidigungsausschuss Darabos will entspannt über das neue Wehrsystem diskutieren
Wien (PK) - Der Landesverteidigungsausschuss debattierte in einer
Aktuellen Aussprache mit Bundesminister Norbert Darabos über
Eckpunkte der von der Bundesregierung vorgelegten Sicherheitdoktrin,
die vom Parlament noch nicht beschlossen wurde, weil in der
Zwischenzeit eine Debatte über Abschaffung oder Aussetzung der
Wehrpflicht eingesetzt habe. Gegenüber ÖVP und FPÖ, die an der
Wehrpflicht festhalten wollen, sah Minister Darabos die Diskussion
über die Wehrpflicht als Teil des Heeresreformprozesses und riet zu
einer "entspannten Debatte". Ausschussvorsitzender Peter Fichtenbauer
berichtete an dieser Stelle über die intensive Arbeit des
Unterausschusses zur Sicherheitsstrategie, der vor dem Sommer noch
einmal tagen werde, schätzte die Aussicht auf eine einvernehmliche
Sicherheitsstrategie aus politischen Gründen aber als "mäßig" ein.
Dann verabschiedete der Ausschuss eine Änderung des Wehrgesetzes mit
rechtlichen Klarstellungen für heeresfremde Personen, wenn diese auf
Schießplätzen des Bundesheeres Waffen bedienen, und neuen
Vorschriften für die Deaktivierung von militärischen Waffen mit S-V-
Mehrheit. Ein Antrag des BZÖ auf Beendigung der Wehrpflicht wurde
einhellig vertagt.
Thema Wehrpflicht - Darabos rät zu einer entspannten Debatte
Verteidigungsminister Norbert Darabos leitete die Aktuelle Aussprache
nicht ohne Stolz mit dem Hinweis darauf ein, dass das österreichische
Bundesheer international viel Lob für seinen - im Verhältnis zur
Größe des Landes - überdurchschnittlichen Beitrag zu internationalen
Friedensmissionen erntet. Selbst die USA betrachten Österreich
neuerdings als einen "Big Player bei UN-Friedensmissionen", erfuhren
die Ausschussmitglieder.
Dann wandte sich Darabos der neuen Sicherheitsstrategie zu, die von
der Bundesregierung bereits beschlossen wurde. Sie gehe von der
Einschätzung aus, dass Österreich nach Ende des Kalten Krieges keinen
existenzbedrohenden Gefahren von außen ausgesetzt sei und die
Anforderungen an das Bundesheer sich dramatisch geändert haben. Dazu
kommen die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die
Verteidigungshaushalte aller europäischen Länder. Laut Darabos sei
daher über ein klares sicherheitspolitisches Konzept, über einen
verantwortlichen Umgang mit knappen Budgetmitteln, über eine
Fokussierung auf Hauptaufgaben des Heeres und über die
Aufrechterhaltung einer breiten militärischen Grundbefähigung zu
diskutieren.
Da ein konventioneller Angriff auf Österreich unwahrscheinlich
geworden sei, seien die militärischen Fähigkeiten in der
Territorialverteidigung zu redimensionieren. Neue Sicherheitsaufgaben
sah der Minister dagegen im Bereich der Cyber-Sicherheit, der
Terrorabwehr und beim Schutz der Infrastruktur. Dazu kommt der Schutz
vor Naturkatastrophen und die Fähigkeit, hochwertige Beiträge bei
friedenssichernden Einsätzen zu leisten.
Der Minister stellte klar, dass es ihm um Anpassungen und
Neuausrichtungen zu tun sei, er aber keineswegs etwas abschaffen
wolle. Daher werden 400 gepanzerte Systeme aufrechterhalten, wobei
der Schwerpunkt bei Schützenpanzern und geschützten
Transportfahrzeugen sowie bei Pionierpanzern liege.
Personell bewege sich das Bundesheer in die richtige Richtung, sagte
der Minister und wies darauf hin, dass militärische "Manpower" aus
Österreich international sehr gefragt sei. Darabos bekannte sich in
diesem Zusammenhang nachdrücklich zur Fortsetzung der
Friedenseinsätze des Bundesheeres und zur Teilnahme an den Bemühungen
um eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa.
Er hoffe auf Zustimmung zur Sicherheitsstrategie, schloss Minister
Darabos.
Abgeordneter Stefan Prähauser (S) unterstrich die Aussagen des
Ministers über die hohe Anerkennung Österreichs und seiner
internationalen Bemühungen um den Frieden und befasste sich im
Einzelnen mit Fragen über die Auswirkungen von Budgetkürzungen auf
das Bundesheer.
Abgeordneter Oswald Klikovits (V) erkundigte sich nach dem Stand der
Umsetzung der Bundesheerreform und bekannte sich seinerseits dazu,
die Diskussion über die Sicherheitsstrategie fortzusetzen. Diese
Diskussion sei durch die zwischenzeitlich ausgebrochene
Wehrpflichtdebatte unterbrochen worden. Für die ÖVP sei die von der
SPÖ 2011 vorgeschlagene Aufhebung der Wehrpflicht und die Entwicklung
zu einem Berufsheer undenkbar. Die ÖVP verlangt auch 12.500 präsente
Kräfte für den Katastrophenschutz. Verwundert zeigte sich Klikovits
über die neue Liebe der SPÖ zur NATO, die an der Teilnahme des
Verteidigungsministers an der NATO-Tagung in Chicago zum Ausdruck
komme. Die ÖVP wende sich gegen die Ausrichtung des Bundesheeres auf
ein Berufsheer und gegen diesbezügliche Pilotprojekte, die große
Kosten verursachen. Begrüßt werde von der ÖVP die Lösung für die
Forstverwaltung am Truppenübungsplatz Allentsteig.
Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) erinnerte den
Verteidigungsminister daran, dass die von ihm in Aussicht gestellte
Prämie für die Freiwilligenmiliz nach Ansicht der Finanzministerin zu
versteuern sei. Der Redner ersuchte diesbezüglich um Aufklärung.
Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) problematisierte die
Teilnahme Österreichs an der Finanzierung von Sicherheitsprojekten in
Afghanistan, obwohl Afghanistan kein Schwerpunktland der
österreichischen EZA sei und gleichzeitig Mittel für die bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit gekürzt werden. Kritik übte die
Abgeordnete auch an Äußerungen des Verteidigungsministers gegenüber
Israel.
Abgeordneter Kurt List (B) brachte die Kritik des Rechnungshofs an zu
vielen Offizieren beim Bundesheer zur Sprache, drängte auf
Personalmaßnahmen und auf die Verbesserung der Personalstruktur, die
mit einem Offizier pro drei Unteroffizieren und drei Soldaten immer
noch den Verhältnissen zur Zeit der Raumverteidigung entspreche.
Verteidigungsminister Norbert Darabos informierte die Abgeordneten
über die Bundesheereinsätze auf dem Westbalkan und teilte mit, dass
die Soldaten in den Einheiten für internationale Operationen "auf
Einsätze brennen". In diesem Zusammenhang erfuhr Abgeordneter Gerhard
Köfer (S) vom Minister, er, Darabos, könne der schwedischen Idee
etwas abgewinnen, den Aufgabenrahmen der Battle-Groups auf humanitäre
Einsätze zu erweitern, da diese Einheiten bislang noch niemals zum
Einsatz gekommen seien.
Beim Thema Sicherheitsstrategie hielt der Minister fest, der
Analyseteil sei zwischen SPÖ und ÖVP abgestimmt. Die Diskussion über
das neue Wehrsystem sehe er als Fortsetzung der Heeresreform und
empfahl eine "entspannte Debatte", die auch in eine
Verfassungsänderung führen könne. Darabos sprach aber auch von der
Möglichkeit, die Wehrpflicht nicht abzuschaffen, sondern auszusetzen.
Die Pilotprojekte seien jedenfalls rechtskonform, ausfinanziert und
liegen im Handlungsbereich des Bundesministers: "Wir dürfen
Pilotprojekte durchführen", hielt der Ressortleiter fest. Für ihn ist
Österreich ein neutraler Staat, hielt der Minister fest, sein
Verhalten gegenüber der NATO sei auf Kooperation bei der
Friedenssicherung im Kosovo sowie darauf gerichtet, die
"Partnerschaft für den Frieden" mit Leben zu erfüllen.
Der Heeresforstverwaltung in Allentsteig sei in wirtschaftlicher
Hinsicht nicht das beste Zeugnis ausgestellt worden, sagte Darabos,
die angedachte Lösung bezwecke, die Bediensteten im Schoß des Heeres
zu behalten, am Ziel einer ordentlichen Finanzgebarung werde aber
festgehalten, sagte der Minister.
Die Milizprämie sei gerechtfertigt und entspreche der
Heeresgebührenordnung, bei der Frage der Besteuerung hoffe er auf
eine Meinungsänderung der Finanzministerin. Als völlig absurd
bezeichnete Darabos Klagen wegen einer angeblichen Ungleichbehandlung
der Feuerwehren wegen der Milizprämie.
Er stehe zur Unterstützung der Polizeiausbildung und von Projekten
zur Verbesserung der Sicherheitssituation in Afghanistan, sagte der
Minister. Darabos bekannte sich auch zu seinen Aussagen über Israel,
räumte aber ein, dass er seine Aussage "diplomatischer formulieren
hätte können".
Hinsichtlich der Personalstruktur des Heeres berichtete Darabos über
neue Arbeitsplätze für 750 Heeresangehörige und über Versetzungen im
Einvernehmen mit der Personalvertretung. "Beim Bundesheer sitzt
niemand nutzlos zu Hause herum", hielt der Minister fest.
Abgeordneter Michael Ikrath (V) problematisierte das Pilotprojekt
"Milizprämie" hinsichtlich dessen rechtlicher Grundlagen und
vermisste eine budgetäre Deckung dieser Prämie. Da der Minister diese
Prämie regelmäßig auszahlen wolle, seien auch arbeitsrechtliche
Fragen zu klären, sagte Ikrath.
Abgeordneter Mario Kunasek (F) kritisierte den "seichten" Dienstplan
bei der militärischen Ausbildung ehemaliger Zivildiener, die sich in
den Exekutivdienst eintreten wollen.
Auf die Frage des Abgeordneten Kurt List nach einem Brandanschlag in
Oberösterreich sprach sich der Minister dafür aus, diesen Anschlag
aufzuklären, um medial verbreiteten Gerüchten entgegen zu treten.
"Ich sehe mich nicht als Ziel dieses Anschlags", hielt Darabos fest.
Die Pilotprojekte haben eine klare Rechtsgrundlage und sind
ausfinanziert, sagte der Minister auch Abgeordnetem Ikrath, die
Milizprämie entspreche der Heeresgebührenordnung. Abgeordnetem
Kunasek berichtete der Minister von der Aussortierung von Panzern der
Typen Kürassier und Leopard, von Panzerhaubitzen M109 und der
Verschrottung von Schützenpanzern der Type Saurer.
Ausschussobmann Peter Fichtenbauer (F) führte abschließend aus, dass
Österreich über eine geltende Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2001
verfüge. Die von der Bundesregierung beschlossene und dem Parlament
übermittelte neue Sicherheitsstrategie sei im Unterausschuss bereits
intensiv behandelt worden. Der Unterausschuss werde vor dem Sommer
noch einmal zusammentreten, angesichts der politischen Umstände
beurteilte der Ausschussobmann die Aussicht für eine einvernehmliche
Sicherheitsstrategie aber als "mäßig".
Klarstellungen im Wehrgesetz für Schießveranstaltungen
Im Anschluss an die Aktuelle Aussprache machte der
Landesverteidigungsauschuss eine von der Regierung konzipierte
Änderung des Wehrgesetzes (1742 d.B.) plenumsreif, die dem Umstand
Rechnung tragen soll, dass bei Schießveranstaltungen des Bundesheeres
mitunter auch ressortexterne Personen - unter Anleitung von
geschultem Personal - Waffen bedienen. Klargestellt wird nun, dass
bei Schießveranstaltungen des Heeres die einschränkenden
waffenrechtlichen Bestimmungen nicht zu Anwendung kommen. Zudem wird
die Deaktivierung von Schusswaffen geregelt.
Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) sah keinen Regelungsbedarf und
warnte vor Rechtsunsicherheit. Denn es sei überflüssig, den Besitzern
deaktivierter Waffen des Bundesheeres vorzuschreiben, sich die
Deaktivierung ein weiteres Mal bestätigen zu lassen. Wer sonst als
das Bundesheer soll bestätigen können, dass eine Waffe keine Waffe
mehr sei, meinte Fichtenbauer. Für die FPÖ sei diese Vorlage sinnlos.
Es gehe nicht an, Menschen zu kriminalisieren, die ihren Besitz
rechtskonform ausüben, sagte der Abgeordnete.
Abgeordneter Stefan Prähauser (S) wies demgegenüber auf
Unzukömmlichkeiten bei der Deaktivierung von Schusswaffen hin und
unterstützte die Absicht, an dieser Stelle einheitliche
Rechtsgrundlagen zu schaffen.
Abgeordneter Oswald Klikovits (V) schloss sich Prähauser an und hielt
die von Abgeordneten Fichtenbauer und dessen Fraktionskollegen Mario
Kunasek (F) angesprochenen Probleme beim "Bunkermuseum Wurzenpass",
wo deaktivierte Bundesheerwaffen ausgestellt werden, für lösbar.
Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) sprach ebenfalls von
einer überschießenden Regelung, während Abgeordneter Kurt List (B)
seine Ablehnung mit dem zu erwartendem zusätzlichen
Verwaltungsaufwand begründete.
Bundesminister Norbert Darabos sagte den Abgeordneten zu, sich um
eine Lösung der Probleme beim "Bunkermuseum" in Kärnten zu bemühen,
weil er dafür eintrete, dass dieses Museum weiter bestehe, der Rahmen
des Rechts sei aber einzuhalten.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mit S-V-Mehrheit an das Plenum weitergeleitet. BZÖ schlägt Aussetzung der Wehrpflicht vor Schließlich nahm der Ausschuss die Beratungen über den BZÖ-Antrag 1239/A[E] des Abgeordneten Herbert Scheibner (B) wieder auf, der angesichts geänderter Sicherheitsanforderungen ein Aus für die
Wehrpflicht bei gleichzeitiger Schaffung eines Freiwilligenheeres aus
BerufssoldatInnen und Miliz fordert. Wie Abgeordneter Kurt List
ausführte, sollen Anreize für einen mindestens dreijährigen
freiwilligen Dienst oder eine einjährige Milizausbildung mit
zehnjähriger Bereitschaft für Einsätze im Inland durch bevorzugte
Aufnahme in den öffentlichen Dienst oder durch die Übernahme von
Ausbildungskosten geschaffen werden.
Auch Abgeordneter Stefan Prähauser (S) erinnerte an die veränderten
Sicherheitsverhältnisse in Europa und bezeichnete den Antrag als eine
gute Diskussionsgrundlage. Im Hinblick auf die Diskussion über die
Sicherheitsstrategie schlug Prähauser aber vor, den Antrag zu
vertagen. Diesem Vorschlag folgte der Ausschuss einstimmig. (Schluss)
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