• 12.04.2012, 16:01:25
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EU- Flughafenpaket: Bundesrat auch gegen Vorschlag zur Lärmbekämpfung EU-Ausschuss diskutiert Einbeziehung der Landnutzung in Klimapolitik

Wien (PK) - Der EU-Ausschuss des Bundesrats nahm heute abermals
kritisch zu einem Teil des "Flughafenpakets" der EU Stellung und
beschloss einstimmig dazu eine Mitteilung an die EU-Institutionen.
Diesmal geht es um die Bekämpfung des Fluglärms und die Möglichkeit,
lärmbedingte Betriebsbeschränkungen durch die Mitgliedstaaten zu
erlassen. Die Bundesrätinnen und Bundesräte stoßen sich vor allem an
den im Verordnungsvorschlag eingeräumten Kontrollrechten der
Kommission und halten diese nicht vereinbar mit dem
Subsidiaritätsprinzip.

Die weitere Palette der Diskussionspunkte reichte von Emissionen und
Abbau von Treibhausgasen infolge von Tätigkeiten im Sektor
Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft über
Verpackungen und Verpackungsabfälle bis hin zu Vorschlägen
hinsichtlich der Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Union
und der Schaffung eines Instruments für Zusammenarbeit im Bereich der
nuklearen Sicherheit.

Bekämpfung von Fluglärm: Ausschuss beschließt kritische Mitteilung an
EU-Institutionen

Nachdem sich der EU-Ausschuss des Bundesrats in seiner Sitzung vom
14. März 2012 sehr kritisch mit dem Vorschlag der EU zu den
Bodenabfertigungsdiensten auf Flughäfen auseinandergesetzt hatte
(siehe PK-Meldung Nr. 187/2012), widmete er sich heute einem weiteren
Teil des so genannten "Flughafenpakets", nämlich der geplanten
Verordnung über Regeln und Verfahren für lärmbedingte
Betriebsbeschränkungen.

Auch dieser Verordnungsvorschlag stieß auf den Widerstand der
Ausschussmitglieder. In einer einstimmig angenommenen Mitteilung an
die EU-Institutionen halten die Bundesrätinnen und Bundesräte fest,
dass die der Kommission eingeräumte Kontrollbefugnis über die
Maßnahmen der Mitgliedstaaten überschießend ist und im Widerspruch
zum Subsidiaritätsprinzip steht.

Konkret schlägt die EU vor, die Außerdienststellung der lautesten
Luftfahrzeuge zu erleichtern und der EU-Kommission das Recht
einzuräumen, Entscheidungen der Mitgliedstaaten über
Betriebsbeschränkungen vor deren Anwendung überprüfen und diese auch
aussetzen zu können. Darüber hinaus erfolgen Klarstellungen
hinsichtlich der Zuständigkeiten, eine Auflistung allgemeiner
Anforderungen für die Lärmbekämpfung sowie eine Harmonisierung von
Daten und Methoden.

Wie der Vertreter des BMVIT erläuterte, baut die Kommission ihren
Vorschlag auf Grundsätzen auf, die von der Internationalen
Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) festgelegt sind, um im Falle von
Rechtsstreitigkeiten mit Drittländern auf der sicheren Seite zu sein.
Dabei geht man von vier Säulen aus, wonach zunächst der Fluglärm an
der Quelle bekämpft werden muss, die Raumplanung mit einbezogen wird
und Betriebsvorschriften festzulegen sind. Die letzte Maßnahme sollen
Betriebsbeschränkungen betreffen.

Durch die Harmonisierung sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden
werden. Seitens des Ministeriums wurde betont, dass es hier um
harmonisierte Lärmbewertungsmethoden, nicht aber um Zielwerte geht.
Die Verordnung würde Flughäfen mit mehr als 50.000 Flugbewegungen pro
Jahr betreffen, im Fall Österreichs daher nur für den Flughafen Wien-
Schwechat gelten. Außerdem sei davon nur die Zivilluftfahrt
betroffen. Es sei auch vorgesehen, dass die Flotte im gegebenen Fall
maximal um 20 % ausgemustert werden darf.

Kritisch sieht das Ministerium auch den Artikel 10, der die
Kontrollbefugnisse der Kommission regelt. Im Artikel 11 soll normiert
werden, dass die Kommission die Verordnung auf den letzten Stand der
ICAO halten kann, was von einigen Ländern ebenfalls mit Skepsis
betrachtet werde. In den Ratsarbeitsgruppen werde man sich für eine
Streichung oder eine andere Formulierung des Artikel 10 einsetzen,
sagte er. Kernpunkt müsse die Ausgewogenheit bleiben, unterstrich der
Vertreter des Ministeriums. Wesentlich sei auch, die Ergebnisse der
Mediation aufrecht zu erhalten, denn dies habe auch Auswirkungen auf
die dritte Piste. Innerhalb der EU-Länder hätten sich bereits
Deutschland, Spanien, Belgien und Schweden für die Streichung des
Artikel 10 ausgesprochen.

Ablehnend setzte sich auch der Vertreter der Arbeiterkammer mit dem
Entwurf auseinander und befürchtete, dieser gehe zu Lasten der
AnrainerInnen. Man habe nichts dagegen, wenn man seitens der EU
versuche, Diskriminierungen hintanzuhalten, der Entwurf sei aber
keineswegs ausgewogen. Die Arbeiterkammer habe auch große Sorge, dass
die mit dem Flughafen Wien-Schwechat ausgehandelten und sehr
anspruchsvollen Ergebnisse der Mediation nicht halten werden.
Angesichts der Tatsache, dass der Vorschlag kein Bewertungsverfahren
enthalte, werde das Ermessen der Mitgliedstaaten lediglich auf EU-
Ebene verlagert. Sollte die Kommission Entscheidungen der
Mitgliedstaaten aussetzen, dann würde dies zu Lasten der
AnrainerInnen gehen. Der Vorschlag sei so unklar formulierte, dass
sogar die Lärmminderungsziele hineinfallen würden, warnte der
Experte. Er halte sich auch nicht an die Hierarchie, aktive
Lärmschutzmaßnahmen vor passive zu setzen.

Kosteneffizienz könne nicht das einzige Kriterium sein, es müssten
die Interessen der AnrainerInnen sowie des Umweltschutzes
miteinbezogen werden. Seitens der Arbeiterkammer wird bedauert, dass
es die Kommission bisher unterlassen hat, europäische Standards zur
Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zu erlassen. Die
Völkerrechtskonformität sei wichtig, dürfe aber nicht als eine
Ausrede fungieren.

Diesen Bedenken schlossen sich die Ausschussmitglieder in ihrem
Antrag auf Mitteilung an, in dem sie sich gegen die Befugnis der EU-
Kommission wenden, Entscheidungen der Mitgliedstaaten über
Betriebsbeschränkungen vor deren Anwendung überprüfen und diese auch
bei vermutetem Widerspruch gegen unionsrechtlichen Vorschriften
aussetzen zu können. Die Formulierungen des Vorschlags, in dem der
Primat der Kosteneffizienz zum Ausdruck kommt, lasse eine
Verschlechterung des Lärmschutzes für betroffene AnrainerInnen
befürchten.

Auch in der Diskussion wurden die genannten Kritikpunkte bekräftigt.
Ausschussvorsitzender Bundesrat Edgar Mayer (V/V) sprach sich dafür
aus, den Artikel 10 zu streichen und konstatierte, dass das sensible
Gefüge der Ergebnisse des Mediationsverfahrens in Wien-Schwechat
nicht in Frage gestellt werden dürfe.

Ähnlich fiel die Stellungnahme von Bundesrat Stefan Schennach (S/W)
aus. Er kritisierte vor allem, dass der Passus, wonach die
derzeitigen Betriebsbeschränkungen unberührt bleiben sollen, im
Entwurf fehlen, was die Unsicherheit verstärke. Der taugliche
Kompromiss des Mediationsverfahrens dürfe keineswegs in Frage
gestellt werden, sagte Schennach und forderte die Streichung des
Artikels 10. Ihm schlossen sich die Bundesrätinnen Ana Blatnik (S/K)
sowie Elisabeth Kerschbaum (G/N) an. Sie hätte statt der Mitteilung
eine Subsidiaritätsrüge für angebracht gehalten, sagte Kerschbaum.
Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) hielt die im Entwurf enthaltene
Deckelung von 20 % hinsichtlich der Ausmusterung von Flugzeugen für
akzeptabel, alles andere wäre wirtschaftlich nicht tragbar, stellte
sie fest.

EU-weite Klimaschutzregelungen im Bereich Landnutzung
subsidiaritätskonform?

Mit der Zielsetzung, Treibhausgasemissionen in allen
Wirtschaftsbereichen zu senken, hat die EU nun auch den Sektor
Landwirtschaft in ihrer Klimapolitik berücksichtigt, wie der Experte
des Umweltministeriums eingangs betonte. Die EU ist mittelfristig
bestrebt, ihre Emissionen von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 bis
2020 um 20% zu reduzieren. In einem von dieser Zielsetzung gesondert
verfassten Beschlussvorschlag, der ab 2013 umgesetzt werden soll,
sieht die Kommission EU-weit einheitliche Anrechnungsregeln für
Treibhausgasmessungen im Sektor Landnutzung vor. Mit Aktionsplänen
sind die EU-Mitgliedsstaaten zudem angehalten, ihre erhobenen Daten
und prognostizierten Treibhausgasbilanzen sowie entsprechende
Reduktionsmaßnahmen darzulegen. Diese Aktionspläne sollten laut
Kommission Berichte zu Emission und Speicherung von Treibhausgasen in
Forst- und Landwirtschaft der einzelnen EU-Länder beinhalten, wobei
Veränderungen im Kohlenstoffbestand der Wälder miteinbezogen werden.

Grundsätzlich stehe Österreich dem EU-Vorschlag zur erweiterten
Treibhausgasreduktion positiv gegenüber, nationale Spezifika wie die
Funktion des Schutzwaldes müssten jedoch erhalten bleiben, führte der
Vertreter des Umweltressorts aus. Problematisch sieht das Ministerium
die im Beschlussvorschlag enthaltenen delegierten Rechtsakte, mit
denen sich die Kommissionen vorbehält, Bestimmungen zu korrigieren;
diese Korrekturen dürften nur im notwendigen Maß erfolgen.

Kritisiert wurde von Bundesrätin Monika Mülwerth (F), dass die
Klimaschutzziele und die Überprüfung ihrer Erreichung auf die EU-
Ebene verlagert werden und nicht im nationalstaatlichen
Kompetenzbereich blieben.

Eine kritische Stellungnahme hatte auch das Land Kärnten zu dem EU-
Vorschlag eingebracht. Bezweifelt wird darin, ob vorgesehene
Maßnahmen in der Forstwirtschaft mit dem Subsidiaritätsprinzip
vereinbar sind, da die EU über keine Zuständigkeit in der
Bewirtschaftung der Wälder eines Mitgliedsstaates verfügt.

Bundesrat Martin Preineder (V/N) sah es als wichtig an, Österreichs
Vorleistungen im Bereich Klimaschutz bei EU-Vorgaben entsprechend
mitbedacht zu wissen, da es für die Republik sonst schwerer als für
andere EU-Länder sei, Verbesserungen zu erzielen. Als Beispiel nannte
Preineder die österreichische Landwirtschaft, deren hohes Niveau im
Klimaschutz beibehalten werden solle. Zudem sprach er seine
Befürchtung aus, dass es durch die Berichterstattung in Aktionsplänen
zu einem zusätzlichen Bürokratieaufwand kommen könnte.

Positiv fassten den Kommissionsvorschlag sowohl Bundesrat Stefan
Schennach (S/W) als auch Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) auf.
In Richtung Preineder merkte Kerschbaum an, dass der Beschlussentwurf
1990 als Ausgangsjahr für die Reduktionsanrechnung der
Treibhausgasemissionen vorsehe, es also keinen Grund für die Annahme
gebe, Österreich hätte automatisch größere Schwierigkeiten,
Verbesserungsmaßnahmen im gleichen Umfang wie andere Staaten zu
setzen. Die einheitliche Vorgangsweise der EU in Sachen Klimaschutz
nach Ablauf des Kyoto-Protokolls stellte Schennach in den Vordergrund
seiner Argumentation für den Beschlussvorschlag, da die EU mit diesem
auch den wichtigen Landwirtschaftsbereich hinsichtlich Klimaschutz
umfasse.

Bundesrat Georg Keuschnigg, der eine EU-weite Klimapolitik ebenfalls
grundsätzlich positiv bewertete, schloss sich den
Subsidiaritätszweifeln in der Kärntner Stellungnahme an und verwies
auf die regionalen Unterschiede Europas in Bezug auf die Bewaldung
sowie auf das Problem der Verwaldung in einigen heimischen
Gebirgstälern. Österreich betreibe seit mehr als 100 Jahren eine
nachhaltige und multifunktionale Forstwirtschaft, sagte er, dies
solle auch auf EU-Ebene gewürdigt werden.

Der Vertreter des Umweltministers stellte daraufhin klar, Österreich
werde sich bei den Ratsverhandlungen dafür einsetzen, dass die
Mitgliedsstaaten ihre in den Aktionsplänen zu dokumentierenden
Maßnahmen selber präzisieren können.

Angesichts der Bedenken betreffend der Subsidiaritätskonformität des
Beschlussvorschlages wurde abschließend erwogen, die Rechtsvorlage
beim nächsten EU-Auschuss des Bundesrates wieder auf die Tagesordnung
zu nehmen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats)

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