Wien (PK) - Die österreichische Historikerin, Lyrikerin und
Exilforscherin Siglinde Bolbecher erhielt heute aus den Händen von
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer das Goldene Ehrenzeichen
überreicht, welches ihr Bundespräsident Heinz Fischer für besondere
Verdienste um die Republik Österreich verliehen hatte. Im Rahmen
einer Feierstunde im Parlament würdigte Prammer die Leistungen
Bolbechers, die als Mitbegründerin und langjährige stellvertretende
Vorsitzende der Theodor Kramer Gesellschaft, als Mitherausgeberin der
Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands "Zwischenwelt"
und seit 2002 in ihrer Funktion als Leiterin der Frauen-
Arbeitsgemeinschaft in der Österreichischen Gesellschaft für
Exilforschung wesentlich zur Erforschung und Verbreitung
österreichischer Exilliteratur beigetragen hat.
Prammer, die unter den zahlreich erschienenen Gästen neben der
Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing und dem
Schauspieler Miguel Herz-Kestranek auch den Lebenspartner Bolbechers
Konstantin Kaiser und deren gemeinsame Tochter Olivia Kaiser begrüßen
konnte, gab zu bedenken, die Republik Österreich sei in ihrer
Verantwortung gegenüber jenen Österreicherinnen und Österreichern,
die ins Exil gehen mussten, sehr lange säumig gewesen. Das Engagement
Siglinde Bolbechers für die Theodor Kramer Gesellschaft könne gar
nicht hoch genug geschätzt werden, habe diese Institution doch einen
festen Grundstein dafür gelegt, dass es möglich wurde, Künstlerinnen
und Künstler gedanklich wieder nach Hause zu holen. Die Beschäftigung
mit dem Exil, die Förderung und Unterstützung von Exilliteratur dürfe
nie abreißen, mahnte die Nationalratspräsidentin.
Peter Roessler erinnerte in seiner sehr persönlich gehaltenen
Laudatio an die Leistungen Siglinde Bolbechers, hob insbesondere die
Mitherausgeberschaft am Lexikon der österreichischen Exilliteratur
und an der Zeitschrift "Zwischenwelt", die Mitarbeit an der Buchreihe
"Antifaschistische Literatur und Exilliteratur", aber auch die
Organisation von zahlreichen Symposien, Tagungen und Lesungen hervor
und stellte fest, ohne ihre auch gegen politischen und finanziellen
Widerstand erbrachte Arbeiten werde es in Zukunft gar nicht mehr
möglich sein, sich mit österreichischer Exilliteratur
auseinanderzusetzen. Bolbecher habe die Erforschung der Exilliteratur
nicht mit wissenschaftlicher Distanz betrieben, sondern immer mit dem
Interesse an den Lebensverhältnissen der Exilantinnen und Exilanten
verbunden und dabei vor allem auch den Frauen besondere
Aufmerksamkeit geschenkt, betonte Roessler, der in diesem
Zusammenhang von "Pionierarbeit" sprach und u.a. die Kontakte mit
Stella Kadmon und Elisabeth Freundlich in Erinnerung rief. Es sei ihr
stets gelungen, das Verschwiegene und Verdeckte sichtbar zu machen,
meinte er und schloss mit einem Zitat der Geehrten: "Diejenigen, die
Gesetze und Verordnungen gegen Flüchtlinge dekretieren, sollten die
Geschichte des Exils kennen".
Siglinde Bolbecher drückte ihren Dank mit den Worten aus, allein die
Tatsache, dass sie diese Auszeichnung erhalten habe, zeige, dass in
diesem Land etwas weitergeht, vor zehn oder zwanzig Jahren wäre dies
nicht möglich gewesen. In Anspielung an den historischen Hintergrund
ihrer Arbeit bemerkte sie, man könne aus der Geschichte nicht lernen,
es sei schon schwierig genug, sie irgendwie zu verstehen. Die
Menschen seien nicht bösartig und kriminell, sondern im Großen und
Ganzen geduldig und gut, es gelte allerdings zu begreifen, "was
schief läuft". Bolbecher erinnerte weiters, sie habe bei ihren
Forschungen erfahren, dass Europa nicht einige Kilometer östlich und
nördlich von Wien endet, sondern wesentlich größer ist. Es sei zu
hoffen, dass man nun diesem Teil von Europa mehr Aufmerksamkeit und
Unterstützung widmet.
Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von Beatrix Neundlinger und
ihrer Formation "9dlinger und die geringfügig Beschäftigten", die in
ihren Liedern u.a. auch Texte von Theodor Kramer aufgriffen.
HINWEIS: Fotos von diese Feierstunde finden Sie - etwas zeitverzögert
- auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.
(Schluss)
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