• 23.02.2012, 11:02:05
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CMC Masters Club-Standpunktdiskussion: "Freier Markt, freie Menschen, verantwortungsfrei?"

Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung und IT der WKÖ, hatte Christian Felber und Stephan Schulmeister zur fünften Standpunktdiskussion geladen

Wien (OTS/PWK124) - Die Gäste des CMC Masters Clubs erlebten am
Dienstag, dem 21. Februar, im Hotel Sacher eine spannende Diskussion
zwischen dem renommierten WIFO-Ökonomen Stephan Schulmeister und dem
"Gemeinwohlökonomie"-Initiator und ATTAC-Mitbegründer Christian
Felber, die ihre teils sehr unterschiedlichen Positionen zur Lösung
der aktuellen Abwärtsspirale im europäischen Wirtschaftsraum
präsentierten. Moderator und Gastgeber Alfred Harl, Obmann des
WKÖ-Fachverbandes Unternehmensberatung und IT, stellte als
Branchenvertreter für mehr als 54.000 österreichische
Unternehmensberater, IT-Experten und Buchhalter die Forderung in den
Raum, "dass wir weg von der Fiktionswirtschaft müssen, um die
heimischen Unternehmen und Bürger nicht weiter zugunsten der
Finanzwirtschaft zu belasten." Denn letztendlich stelle sich gerade
in Anbetracht der "Griechenlandkrise" die Frage, ob die
Finanzwirtschaft überhaupt noch Teil der Realwirtschaft sei und wie
wir dieses Problem lösen können.

Gemeinwohlökonomie zur Rettung des Euro

Christian Felber betonte eingangs, dass die Rettung des Euros
technisch gesehen problemlos machbar wäre, allerdings würde es dafür
eines Tabubruchs aus Sicht der Regierungen bedürfen. "Das in sehr
großem Volumen vorhandene private Vermögen müsste in einem zärtlichen
Ausmaß von einem Prozent besteuert werden, und der Abbau der
Staatsschulen aller EU-Mitglieder um 50 Prozent in zehn Jahren wäre
möglich", so Felber weiter. Denn, so die Begründung: die Finanz- und
Immobilienvermögen der privaten Haushalte sind durchschnittlich fünf
Mal so groß wie die öffentlichen Schulden. Allerdings sei der Euro,
so Felber, in seiner jetzigen Form auch mit dieser Maßnahme auf lange
Sicht nicht überlebensfähig, da es eine Währung ohne Staat bisher
noch nie gegeben habe. Es brauche zwar keine "Vereinigten Staaten von
Europa", aber eine "Vergemeinschaftung" von drei bis vier
essenziellen Bereichen der Wirtschaftspolitik, konkreter gesagt der
Steuer-, Lohn- und Finanzpolitik und nicht wie bisher ausschließlich
der Währungspolitik. Zudem müssten die Finanzmärkte umfassend und
streng reguliert werden, sich an ihren Gründungswerten orientieren
und nicht gewinn- sondern gemeinwohlorientiert agieren.

Auch in der Bevölkerung gebe es, so Felber, mittlerweile ein
Bedürfnis nach einer komplett neuen Wirtschaftsordnung. Die
Bertelsmann-Stiftung habe erhoben, dass sich 88 Prozent der deutschen
und 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine neue
Wirtschaftsordnung wünschen. Die Gemeinwohlökonomie ist der
Lösungsvorschlag Felbers für diese neue Ordnung. Die Werte, die wir
bereits teilen, sollen dabei zu den Leitwerten des Wirtschaftens
werden und auch in der Rechtsordnung verankert sein. Grundlegende
Weichenstellung sei, so Felber, der Ersatz von Gewinnstreben und
Konkurrenz durch Gemeinwohlstreben und Kooperation, das heißt
unternehmerischer Erfolg soll nicht mehr an monetären Größen gemessen
werden. Instrument zur Darstellung ist die Gemeinwohl-Bilanz, die
bereits von 534 österreichischen Unternehmen unterstützt wird.

Europäischer Währungsfonds versus Finanzkapitalismus

Stephan Schulmeister stimmte Felber zu, dass die Krise
systemischen Charakter habe, allerdings sehe er die Lösung dafür
nicht darin, Gemeinwohl vor Eigenwohl zu stellen und ein
übergeordnetes Konstrukt dafür zu bauen. Vielmehr folge Schulmeister
dem Gedanken von Friedrich August von Hayek, dass dezentral
evolutionäre Prozesse konstruktivistischen Lösungen überlegen sind.
Bestes Beispiel dafür sei, so Schulmeister, die soziale
Marktwirtschaft der 1950er bis 1970er Jahre - eine wirtschaftlich
sehr erfolgreiche Zeit, in der das System der sozialen
Marktwirtschaft durch "Trial & Error" erarbeitet wurde und "quasi
eine Währungsunion mit fixen Wechselkursen bestand." Im Gegensatz zu
Felber spricht sich Schulmeister auch für das Konkurrenzprinzip
zwischen Unternehmen aus. Der Grund ist organisatorischer Natur: um
Dinge, die am Markt nicht honoriert werden durch Gemeinwohlpunkte zu
honorieren, bräuchte es Institutionen, die diese Punkte zuteilen -
und das sei, so Schulmeister, eine 100jährige Debatte, die bisher
nicht gelöst werden konnte. Vielmehr sei es wichtig, dass der Staat
für die Konkurrenz und die Art des Spiels verbindliche
Rahmenbedingungen vorgibt. Denn ansonsten treibe der
Finanzkapitalismus weiterhin ein sinnloses Umverteilungsspiel, das
unternehmerisches Verhalten systematisch erschwert, weil die
wichtigsten Preise der Welt - wie Wechselkurse, Rohstoffpreise oder
Aktienkurse - in einer unnötigen Weise destabilisiert werden.

Eine bundesstaatliche Organisation in Europa sieht Schulmeister
zum Scheitern verurteilt, da es für alle europäischen Länder
unmöglich sei, ihre unterschiedlichen wirtschaftskulturellen
Verhaltensweisen in kürzester Zeit zu ändern. Dadurch sei die
Eurokrise ja erst entstanden und dem Finanzkapitalismus wurde Platz
gemacht. Die Südeuropäer haben, so Schulmeister, trotz
Euro-Einführung weiterhin höhere Lohnsteigerungen zugelassen und die
Währungen abgewertet. Anstatt ihre Verhaltensweise entsprechend zu
ändern, wurde das Ungleichgewicht in den Leistungsbilanzen und
Staatshaushalten immer größer und in der Finanzkrise eklatant
sichtbar. Hauptproblem sei, so Schulmeister, dass Währungsunion und
Finanzkapitalismus inkompatibel sind, da neue spekulative Aktivitäten
zur Ausnützung unterschiedlicher Risiken wiederum neue Risiken
produzieren. Ein erster Lösungsschritt könnte es sein, zentrale
Preise- wie Wechselkurs und Zinssatz - politisch zu steuern, damit
sich das Gewinnstreben direkt in der Realwirtschaft niederschlägt.
Notwendig wäre dafür, so Schulmeister, ein europäischer
Währungsfonds, die Staatsfinanzierungsagentur aller Staaten, die eine
zentrale politische Steuerung in Europa übernimmt.

Der CMC Masters Club, das Netzwerk der Certified Management
Consultants, dem rund 600 namhafte österreichische
Unternehmensberater und Wirtschaftsexperten angehören, greift im
Rahmen der quartalsweise stattfindenden Veranstaltungen aktuelle
Wirtschaftsthemen auf und formuliert im Expertenkreis einen
Standpunkt sowie Lösungsansätze dazu. Veranstalter ist der
WKÖ-Fachverband Unternehmensberatung und IT (UBIT), der im Rahmen
seiner Ausbildungsakademie "incite" das CMC-Zertifikat exklusiv in
Österreich anbietet. (JR)

Rückfragehinweis:
Wirtschaftskammer Österreich
Fachverband Unternehmensberatung und Informationstechnologie (UBIT)
Mag. (FH) Christina Lukesch
Tel.: 05 90 900-4920
E-Mail: christina.lukesch@wko.at

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