- 07.02.2012, 19:45:01
- /
- OTS0182 OTW0182
"Kleine Zeitung" Kommentar: "Die Angst der Urheber vor den Schwarzfahrern" (von Ernst Sittinger)
Ausgabe vom 08.02.2012
Graz (OTS) - Seit Monaten tobt eine elektronische Schlacht:
Weltweit wehren sich Millionen von Internetnutzern gegen das
Antipiraterieabkommen "Acta". Inhalt des umkämpften Papiers ist ein
verschärfter Urheberrechtsschutz, der digitale Übergriffe auf
geistiges Eigentum streng bestraft. Betroffen sind Musik, Videos,
Fotos, aber auch Design oder Heilmittel, wenn etwa Nachbaumedikamente
(Generika) illegal vertrieben werden.
Da auch Netzzugangssperren sowie Eingriffs- und Überwachungsrechte
geplant sind, sehen die Gegner von Acta elementare Grundrechte
bedroht: etwa den Schutz der Privatsphäre oder das Recht auf freie
Meinungsäußerung. Spekuliert wird auch über mögliche Folgen für die
Medizinversorgung in Entwicklungsländern.
In Wahrheit reicht der Konflikt viel tiefer, es ist ein Zusammenprall
von Kulturen. Auf dem Spiel steht die offene Struktur des Internets,
dessen User-Gemeinschaft nur mehr bedingt bereit ist, geistiges
Eigentum zu respektieren. Es geht also um einen Nutzungskonflikt
zwischen Urhebern und Anwendern schöpferischer Werke. Und es geht um
die Kulturfrage, in welchem Umfang ein offenes Netz staatliche
Überwachung verträgt.
Ist Urheberrechtsschutz noch zeitgemäß? Nein, sagt inzwischen wohl
eine Mehrheit der Internetnutzer. Die Generation Mausklick hat sich
daran gewöhnt, im Netz ein Gratisuniversum vorzufinden. Tatsächlich
erhält man fast jeden Inhalt irgendwie auch gratis, wenn man
Qualitätsansprüche oder Moralschranken tief genug legt. Die These, es
gebe gar kein geistiges Eigentum, könnte sich hier unerwartet
bewahrheiten - nicht mangels Eigentums, sondern mangels Geistes. Es
droht eine Lage, in der nichts etwas kostet, weil letztlich auch nur
wenig etwas wert ist.
Umgekehrt darf man sich den "Urheber" nicht als darbendes Genie
vorstellen, das im Hinterzimmer am Hungertuch nagt. Musikrechte
werden durch knallharte Verwertungsgesellschaften gebündelt, die mit
Monopolstrukturen Profite scheffeln. Sie wären schon längst
aufgerufen gewesen, faire und billige Vertriebswege im Netz zu
eröffnen, haben den Trend aber verschlafen und ernten jetzt den
gesäten Sturm.
Auf die Balance kommt es an. Der Charakter des freien Netzes muss
gewahrt bleiben, ohne kreative Geister zu enteignen. Politiker müssen
Acta besser formulieren, besser begründen und transparent machen. Sie
sind jetzt gefordert, einmal explizit für die ganz jungen
Staatsbürger etwas zu tun - ein Umstand, der sich auch als Kitt für
die Gesellschaft erweisen kann.****
Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PKZ