• 07.12.2011, 20:05:22
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Bundeshymne würdigt nun auch die großen Töchter Österreichs "Jubelchöre" statt "Brüderchöre" - heftige Kritik von FPÖ und BZÖ

Wien (PK) - Auf Antrag von ÖVP, SPÖ und Grünen beschloss der
Nationalrat heute ein Bundesgesetz zur geschlechtergerechten Änderung
der Österreichischen Bundeshymne. In der namentlichen Abstimmung
erhielt das Gesetz 112 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen. In der
Bundeshymne werden künftig nicht nur die "großen Söhne", sondern auch
die "großen Töchter" Österreichs besungen. Der Ausdruck "Brüderchöre"
wird durch das geschlechtsneutrale Wort "Jubelchöre" ersetzt. Die
Antragstellerinnen errangen in einer sehr emotionalen Debatte die
Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen den Widerstand von
Abgeordneten der FPÖ und des BZÖ, die es in ihren Wortmeldungen
ablehnten, in den Text der Bundeshymne einzugreifen.

Für Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) ist die Bundeshymne ein
Staatssymbol. Die gegenwärtige Hymne wurde zu einer Zeit gedichtet,
in der sich Österreich von einer schwerer Zeit zu erholen begann und
in der ein Stück Identität konstituiert werden sollte. Ein Umdichten
einer solchen Hymne sei zutiefst kulturlos und daher abzulehnen. Die
Hymne sei für ihre Fraktion ein Symbol, es sei würdelos, dieses
Symbol allfälligem Zeitgeist anpassen zu wollen.

Abgeordnete Gisela WURM (S) sprach von einem historischen Moment, da
eine Hymne in einem eigenen Bundesgesetz verankert werde. Und dass
dabei die großen Töchter miterwähnt würden, sei würdig und recht,
denn Österreich sei eben ein Land großer Künstler und Künstlerinnen,
Komponisten und Komponistinnen und dergleichen mehr. Man wolle also
die Gunst der Stunde nutzen, um auch der großen Töchter zu gedenken.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) erinnerte daran, dass diese Änderung
der Bundeshymne für 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine
Nebensache sei. Angesichts der Euro- und Finanzkrise hätten die
Menschen andere Sorgen als eine Änderung der Hymne. Dies umso mehr,
als damit keiner einzigen Frau konkret geholfen sei, die von
Lohnfragen bis hin zur Kinderbetreuung ganz andere Probleme habe.
Zudem könne man Geschichte nicht einfach umschreiben. Er sei im
Übrigen überzeugt davon, dass das Gros der Bevölkerung getreu dem
Motto "Wir singen, was wir wollen" auch weiterhin die alte Hymne
singen werde. Und wenn man schon eine Änderung erwirken wolle, dann
wäre es sinnvoller gewesen, gleich eine komplett neue Hymne zu
machen, als in einen bestehenden Text auf eine Weise
hineinzupfuschen, die weder textlich noch melodisch passe.

Abgeordneter Dorothea SCHITTENHELM (V) sagte, eine Hymne sei ein Lob-
und Preisgesang, und der müsse für beide Geschlechter gelten, denn
Österreich habe nicht nur große Söhne, sondern eben auch große
Töchter. Im Übrigen habe man schon anno 1946 den Originaltext
abgeändert, sodass man dies wohl auch jetzt tun könne.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) ortete gleichfalls massiven Unmut
in der Bevölkerung gegen diese Änderung und brachte einen
Entschließungsantrag ein, wonach der in Rede stehende Vorschlag einer
Volksabstimmung unterzogen werden sollte, da die Bevölkerung das
Recht haben sollte, über ihre Hymne selbst zu entscheiden.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) unterstützte hingegen die
Initiative der Bundesregierung, denn Männer und Frauen seien gleich
viel wert, und das solle auch in der Hymne zum Ausdruck kommen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) zeigte nicht grundsätzlich gegen eine
Änderung der Bundeshymne eingestellt. Es gehe hier aber nur um ein
Symbol und einen Nebenschauplatz. Wollte man wirklich eine moderne
Hymne, hätte man einen Ideenwettbewerb durchführen sollen. Viel
dringlicher seien die Schuldenprobleme und der Reformstau, um diese
sollte man sich kümmern. Gerade Frauen seien von Problemen der
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Beruf und Familie und
Einkommensverlusten durch steigende Gebühren und Preise betroffen. Es
sei notwendig, dass dort die richtigen Weichen für die Zukunft
gestellt werden, schloss Haubner.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) meinte, viele große Frauen
Österreichs hätten sich bisher nicht am Text der Hymne gestoßen, wie
sich auch niemand daran stoße, dass der Text zur Melodie eines
Bundeslieds der Freimaurer gesungen werde. Frauen brauchten nicht
eine geänderte Hymne, sondern tatsächliche Frauenpolitik, die auch
von Freiheitlichen Politikerinnen gemacht werde, und die FPÖ sei
stolz auf sie. Die Änderung von Überschriften und Worten sei nur
Placebo-Politik, meinte er. Hier würden Scheingefechte aufgeführt.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sagte anschließend an die Ausführungen
von Abgeordneter Haubner, man müsse sich fragen, ob die
Volksvertretung nicht mehr die tatsächlichen Sorgen der Menschen in
diesem Land erkennen könne. Es sei angesichts der vielen
tatsächlichen Probleme nur "schändlich", für bloße Symbole dreißig
Minuten an Diskussion im Nationalratsplenum aufzuwenden.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) stellte fest, es handle sich um keine
Ruhmesstunde des Parlaments, wenn eine kleine symbolische Änderung
Debatten auslöse, wie sie in den letzten Tagen stattgefunden hätten
und man sogar eine Volksabstimmung darüber verlange. Die Forderung
nach einer Volksabstimmung über das Wort "Töchter" in der Bundeshymne
mache sowohl Volksabstimmung als auch Anliegen lächerlich, meinte er.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) warf seinem Vorredner vor,
"abgehoben von der Welt" zu agieren. Die Realität draußen sehe anders
aus. Zehntausende Menschen in diesem Land hätten ihre Empörung über
die Verhunzung des Textes der Bundeshymne geäußert. Es sei angesichts
dessen, dass viele Frauen noch immer für gleiche Leistung nicht
gleichen Lohn erhalten, dass Mütter keine Kinderbetreuungszeiten
angerechnet erhielten und dass Pensionistinnen von minimalen
Pensionen leben müssten, nur zynisch. Die österreichischen Frauen
fragten sich, ob es in unserem Land keine anderen Probleme gebe. Es
gebe viele konkrete Probleme von Frauen anzupacken, etwa
Zwangsverheiratungen und Kopftuchzwang. Angesichts der gegenwärtigen
Bundesregierung wäre ohnehin der "Liebe Augustin" mit "alles ist hin"
die passende Hymne, meinte er.

Abgeordneter Josef CAP (S) meinte, die Art der Debatte, die von FPÖ
und BZÖ geführt werde, sei "unwürdig". Es gehe natürlich um ein
Symbol, er wisse auch, dass es viele andere Probleme gebe. Aber die
Heimat bestehe eben aus Männern und Frauen. Die Bundeshymne hat eine
starke Ausdruckskraft und ist Teil der österreichischen Identität und
der Leistungen, die von Männern und Frauen geschaffen wurden, das
sollten auch FPÖ und BZÖ, die sich stets als "Heimatparteien"
bezeichneten, zur Kenntnis nehmen.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) erwiderte Abgeordnetem Cap, es
handle sich nicht nur eine Verhunzung des Textes der Bundeshymne, es
sei auch absurd, zu behaupten, dass sich im bisherigen Text nicht das
gesamte Staatsvolk widergefunden hätte.

In der namentlichen Abstimmung erhielt die Regierungsvorlage die
Mehrheit von 112 Ja-Stimmen gegen 39 Nein-Stimmen bei 151 abgegebenen
Stimmen. Das Gesetz erhielt auch in Dritter Lesung die erforderliche
Mehrheit.

Der Antrag der FPÖ auf Abhaltung einer Volksabstimmung nach Beendung
des Gesetzverfahrens und vor Beurkundung des Gesetzes durch den
Bundespräsidenten wurde mehrheitlich abgelehnt.

Österreich trägt zur Sanierung der Gedenkstätte in Auschwitz bei

Eine Änderung des Nationalfondsgesetzes für Opfer des
Nationalsozialismus sieht für die Instandhaltung der Gedenkstätte
Auschwitz-Birkenau und die Sanierung des österreichischen Pavillons
am Gelände des ehemaligen NS-Konzentrationslagers einen
österreichischen Beitrag von 6 Mio. € vor. - Der Beschluss erfolgte
einstimmig.

Abgeordneter Johann MAIER (S) erläuterte, die Novelle sei im
Verfassungsausschuss einstimmig beschlossen worden. Es geht um die
Sicherstellung des österreichischen Beitrags zur Gedenkstätte
Auschwitz-Birkenau. Ihre Erhaltung sei von großer Bedeutung, sie
brauche aber derzeit umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Österreich
werde 6 Mio. € zur Verfügung stellen, die für den österreichischen
Pavillon verwendet werden, für den auch eine neue Ausstellung
gestaltet werde. Studien zeigten einen nach wie vor bedeutenden
Anteil von latentem Antisemitismus in der Bevölkerung und ein nach
wie vor bestehendes rechtsextremes Lager. Es sollte daher für alle im
Parteien eine Selbstverständlichkeit sein, gegen
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus aufzutreten,
sagte Maier.

Abgeordnete Christine MAREK (V) brachte einen Abänderungsantrag ein,
der das Inkrafttreten des Gesetzes mit 1.1.2012 sicherstellt. Die
Schaffung des Nationalfonds durch Bundeskanzler Schüssel sei eine
wichtige Tat für Österreich gewesen, sagte Marek. Vielen Menschen,
die Schreckliches erlebt haben, konnte damit geholfen werden. Der
Zustand der Gedenkstätte verlange eine dringende Sanierung. Die Pläne
zur Gestaltung der Ausstellung im österreichischen Pavillon werden
demnächst vorgelegt werden, problematisch sei, dass im selben Gebäude
auch die Gedenkstätte Ex-Jugoslawiens sich befinde, für die sich
derzeit niemand zuständig fühle. Es werde derzeit darüber verhandelt
und eine Lösung sei in Sicht. Das Wort "Niemals vergessen!" gelte
auch heute noch, es sei daher ein gut investierter Betrag, schloss
Marek.

Abgeordneter Harald WALSER (G) zeigte sich erfreut, dass nach langen
Querelen das Gesetz dieses Gesetz beschlossen werden konnte. Er wäre
froh gewesen, wenn auch FPÖ und BZÖ einen Redner in der Debatte
gestellt hätten, doch er schätze, dass sie im Ausschuss ihre
Zustimmung signalisiert hätten. Positiv sei auch, dass 700.000 € für
die Neugestaltung der Ausstellung separat aufgebracht werden. Die
neue Ausstellung werde auch ein verändertes Geschichtsbild zeigen und
auf die Täterrolle von ÖsterreicherInnen hinweisen. Es gebe leider
derzeit viele beunruhigende Anzeichen von Rechtsextremismus,
Aufklärung sei daher notwendig. Leider seien die Besuchszahlen aus
Österreich an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sehr gering, hier
sollte man sich Gedanken machen, wie man Abhilfe schaffen könne. Die
Durchführung einer rechtsextremen Veranstaltung in der Hofburg gerade
am Tag der Befreiung von Auschwitz sei eine Provokation, er sei froh,
dass nun feststehe, dass diese in Zukunft nicht mehr dort stattfinden
könne, merkte Walser an.

Abgeordneter Johann MAIER (S) berichtigte die Aussage von
Abgeordneter Marek, Bundeskanzler Schüssel habe den Nationalfonds
eingerichtet. Dies sei bereits 1995 durch Bundeskanzler Vranitzky
erfolgt.

Staatssekretär Josef OSTERMAYER hielt fest, es sei für Österreich
selbstverständlich, die Sanierung der Gedenkstätte und die Ausbildung
von Guides für die Gedenkstätten zu unterstützen. "Niemals vergessen"
sei tatsächlich nach wie vor wichtig, sagte er. Gerade junge Menschen
müssten erfahren, was auf dem europäischen Kontinent an Schrecklichem
stattgefunden habe. Er freue sich daher über die breite
Unterstützung, die das Vorhaben finde.

Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung des
Abänderungsantrags in Zweiter und in Dritter Lesung einstimmig
angenommen.

FPÖ für Einstellung der Förderungen für Kammern und ÖGB

Ein FPÖ-Entschließungsantrag auf Einstellung der Förderung der
Bundesarbeiterkammer, der Landwirtschaftskammer und des
Österreichischen Gewerkschaftsbundes fand auch im Plenum keine
Mehrheit und wurde abgelehnt.

In der Debatte sagte Abgeordneter Wolfgang ZANGER (F), der Antrag
basiere auf einer Feststellung des Rechnungshofes. Österreich sei das
einzige Land, in dem die Sozialpartner in die ständige Vertretung in
Brüssel nicht nur eingebunden seien, sondern auch alle Kosten
abgegolten erhielten. Es sei sehr problematisch, wenn ein
Privatverein wie der ÖGB oder die Kammern zwischen zwei und vier
Millionen Euro pro Jahr erhielten, um Lobbying in Brüssel zu
betreiben. Angesichts des notwendigen Sparkurses sei eine solche
"Ausflugssubvention" für Brüssel mit Steuergeldern nicht vertretbar.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) qualifizierte den Antrag der
FPÖ als Angriff auf die Sozialpartnerschaft. Sie bekannte sich dazu,
dass die Sozialpartner die ArbeitnehmerInnen auch auf EU-Ebene
vertreten können. Gerade in Zeiten der EU-Skepsis sei
Informationsbeschaffung und Durchsetzung der Interessen der
ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer auf europäischer Ebene wichtig.
Die FPÖ starte einen Angriff auf deren Interessen, den die SPÖ sicher
nicht unterstützen werde.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) meinte, der Antrag gehe in die
richtige Richtung, es müsse aber noch viel mehr in der Frage der
Zwangsmitgliedschaften mit Zwangsmitgliedsbeiträgen der
Interessensvertretungen getan werden. Das bestehende System der
Ausstattung solcher Organisationen mit Förderungen sei überholt und
unverständlich. Es brauche eine Politik mit Mut, die diese
Steuergeldverschwendung beende, forderte er.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) hielt fest, die
Landwirtschaftskammern leisteten wichtige Arbeit in der Wahrung der
Interessen von Land- und Forstwirtschaft. Die Landwirtschaft sei der
einzige vergemeinschaftete Bereich der EU, deshalb sei es wichtig,
dass die Landwirtschaftskammern ein Büro in Brüssel betreiben und
dort ihre Aufgaben wahrnehmen können. Ein effizienter Einsatz der
Mittel sei sicher notwendig. Aber ohne öffentliche Mittel wäre es den
Interessensvertretungen und Sozialpartnern nicht möglich, die
Interessen ihrer Mitglieder auf EU-Ebene zu vertreten.

Der Antrag der FPÖ blieb in der Minderheit und wurde damit abgelehnt.
(Schluss/Fortsetzung Nationalrat)

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e-Mail: pk@parlament.gv.at, Internet: http://www.parlament.gv.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA

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