- 23.11.2011, 19:24:59
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OeNB-Gouverneur Nowotny: Wichtig, im eigenen Haus Ordnung zu halten Finanzausschuss diskutiert Schuldenbremse und Eurobonds
Wien (PK)- Thema der aktuellen Aussprache in heutigen Finanzausschuss
des Nationalrats war der 2. Halbjahresbericht 2011 des Gouverneurs
und des Vize-Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank über die
erfolgten geld- und währungspolitischen Maßnahmen. OeNB-Gouverneur
Ewald Nowotny und Vize-Gouverneur Wolfgang Duchatczek thematisierten
dabei die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um das Vertrauen in das
österreichische Kreditsystem zu stärken. Nowotny unterstrich auch die
besondere Verantwortung, die dem Gesetzgeber in der Frage einer
Verankerung einer Schuldenbremse in Verfassungsrang zukomme. Das
Triple-A-Rating Österreichs hänge nicht zuletzt von der Einschätzung
der Finanzmärkte über die Nachhaltigkeit seiner Maßnahmen zur
Budgetkonsolidierung ab. Das Beispiel anderer Staaten zeige, dass nur
eine mit Verfassungsmehrheit eingeführte Regelung hier ausreichendes
Gewicht habe, stellte Nowotny fest.
Wachstumseinbruch 2012 zeichnet sich auch für Österreich ab
In seinem einleitenden Statement sprach OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny
die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr an. Die österreichische
Wirtschaft, die im ersten Halbjahr 2011 noch kräftig expandierte,
zeigte im dritten Quartal eine Abschwächung, die auch im vierten
Quartal anhält. Für das Gesamtjahr 2011 ist zwar mit einem Wachstum
von 3 % zu rechnen, in der Exportwirtschaft ist die
Wachstumsabschwächung jedoch bereits spürbar und ein schwaches
viertes Quartal zu befürchten. Viele Unternehmen schieben zudem
Investitionsprojekte aufgrund der bestehenden hohen Verunsicherung
auf. Trotz erfreulicher Beschäftigungsentwicklung werden auch die
verfügbaren Haushaltseinkommen nur wenig steigen. Die
Arbeitslosigkeit steigt seit einigen Monaten wieder an. WIFO und IHS
haben daher die Wachstumsprognosen für 2012 auf 0,8 % bzw. 1,3 %
zurückgenommen, was in etwa auch den Erwartungen der OeNB entspricht.
Nowotny nahm dann Bezug auf Diskussionen mit der Rating-Agentur
Moody's über die Zukunft des österreichischen Triple-A-Ratings. Es
bestehe eine allgemeine Krise der Staatshaushalte, und wenn auch
Österreich hier noch im sicheren Bereich liege, so sei doch
festzustellen, dass die Refinanzierung der Staatsschuld auch für uns
teurer werde. Die Spreads für zehnjährige österreichische
Staatsanleihen, die früher 30 bis 40 Punkte betrugen, liegen nun
bereits bei 164 Punkten. Anstatt sich damit, wie in den letzten
Jahren, in der Nähe Deutschlands zu befinden, werde Österreich nun
mit Frankreich gruppiert. Die Schuldenbremse als vertrauensbildendes
Element sei daher eine unabdingbar notwendige Maßnahme, sagte Nowotny
und betonte die besondere Verantwortung des Gesetzgebers, diese durch
eine Verfassungsmehrheit abzusichern.
Ein weiterer Punkt sei das Engagement österreichischer Banken in Ost-
und Südosteuropa. Dieses sei prinzipiell eine Erfolgsgeschichte und
die Volkswirtschaften aller beteiligten Staaten hätten davon
profitiert. Allerdings würden sich daraus auch Risiken ergeben. In
Verhandlungen mit der FMA und den Banken habe man Vorgaben
entwickelt, um diese Risiken einzugrenzen. Hier geht es um höhere
Kapitalisierungserfordernisse an die Mutterbanken, was auch die
Implementierung von Basel III ohne Übergangsbestimmungen bereits ab
1. 1. 2013 umfasst. Die zentrale Maßnahme ist die Stärkung der
lokalen Refinanzierung besonders exponierter Auslandstochterbanken.
Hier ist eine Koppelung des zukünftigen Kreditwachstums an das
Wachstum ihrer stabilen, eigenständigen Refinanzierungsformen (d. h.
vor allem Einlagen) vorgesehen. Das bedeutet eine maximale Kredit-
Einlagen-Quote von 110 % im Neugeschäft.
Damit wurde ein nachhaltiges Geschäftsmodell für die drei großen, in
diesem Bereich engagierten Banken (Bank Austria, Erste und Raiffeisen
International) entwickelt, um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Es
gehe dabei also keineswegs, wie gelegentlich fälschlich kolportiert,
um einen Rückzug dieser Banken, sondern um die Dynamik der weiteren
Entwicklung ihres Engagements.
Die Situation auf den internationalen Finanzmärkten sei inzwischen
für alle Staaten sehr angespannt. Auch Deutschland hat seit kurzem
Probleme, seine 10-jährigen Bundesanleihen zu niedrigen Zinsen zu
refinanzieren. 2012 werde ein massivere Refinanzierungsbedarf für die
Staatsanleihen mehrerer europäischer Staaten vorliegen, dieser werde
etwa für Italien 312 Mrd. € betragen, für Frankreich 246 Mrd. €.
Österreich werde einen Refinanzierungsbedarf von 18 Mrd. € habe und
sei damit in einer vergleichsweise günstigen Lage, da der Bund stets
ein kluges Schuldenmanagement betrieben habe. Es sei aber auch zu
bedenken, dass es auch einen Refinanzierungsbedarf der
Kreditwirtschaft gebe. Insofern sei es für den österreichischen Staat
besonders wichtig, "im eigenen Haus Ordnung zu halten", meinte
Nowotny und sprach sich nochmals dezidiert für die Schuldenbremse
aus.
OeNB-Vizegouverneur Duchatczek verwies ergänzend zu den Ausführungen
von Gouverneur Nowotny darauf, dass die Maßnahmen der OeNB im Kontext
europäischer Vorgaben stehen. So verabschiedete ECOFIN am 8. November
2011 formell sechs Legislativakte zur verstärkten
wirtschaftspolitischen Steuerung ("Six Pack"). Wesentliche Neuerungen
bestehen zum einen in der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts
(SWP), mit strengeren Vorgaben im präventiven und korrektiven Arm
sowie finanziellen Sanktionen für Euroraum-Mitgliedstaaten im Falle
der Nicht-Einhaltung wirtschaftspolitischer Empfehlungen. Zum anderen
wurde eine gänzlich neue Prozedur zur Überwachung makroökonomischer
Ungleichgewichte geschaffen (Excessive Imbalances Procedure, EIP).
Gemäß einem Indikatoren-Set ("Scoreboard") soll eine Früherkennung
möglicher Ungleichgewichte stattfinden. Auch im Rahmen dieser
Prozedur können finanzielle Sanktionen gegen Euroraum-Mitglieder
verhängt werden. Für sämtliche Sanktionen (SWP, EIP) gilt, dass diese
quasi-automatisch in Kraft treten.
Der Euro-Gipfels vom 26.Oktober 2011 beschloss eine Ausweitung des
"Euro-Schutzschirms" European Financial Stability Facility (EFSF).
Dazu wurden zwei Optionen im Grundsatz beschlossen: Erstens die
Bereitstellung von zusätzlichen Sicherheiten für Privatanleger als
Option beim Kauf von Anleihen am Primärmarkt ("Versicherungslösung")
und zweitens die Optimierung der EFSF-Finanzierungsmechanismen über
Zweckgesellschaften, damit erhöhte Mittel für Gewährung von Darlehen,
Bankenrekapitalisierung sowie Ankauf von Staatsanleihen im Primär-
und Sekundärmarkt bereitstehen ("Hebelung"). Eine weitere
Zusammenarbeit mit dem IWF wird angestrebt, um die Wirkung der
Finanzmittel der EFSF zu steigern. Am 7. November 2011
veröffentlichte der EFSF die Umsetzungsmodalitäten zu den beiden
Optionen.
Zur Banken-Rekapitalisierung verabschiedete der Euro-Gipfel ein
umfassendes Paket von Maßnahmen zu Stärkung des Vertrauens in den
Bankensektor durch leichteren Zugang zu längerfristiger Finanzierung
mithilfe eines koordinierten Vorgehens auf EU-Ebene und die Anhebung
der Eigenkapitalposition von Banken auf 9 % Kernkapital ("Tier 1")
bis Ende Juni 2012.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) begrüßte die Maßnahmen der OeNB zur
Bankenregulierung und thematisierte das Rating Österreichs. Sei es
früher in der Nähe Deutschlands gelegen, so werde Österreich nun wie
Frankreich eingeschätzt, obwohl sich aus den Kennzahlen dies nicht
nachvollziehen lasse. Grundsätzlich forderte Krainer, dass man bei
Konsolidierungsmaßnahmen und Schuldenbremse nicht den Fehler machen
dürfe, Maßnahmen zu setzen, die Wachstum und Beschäftigung kosten
würden. Nur über Wachstum und Beschäftigung gebe es die Chance aus
der Krise herauszukommen. Abgeordneter Martin Bartenstein (V) meinte
hingegen, es sei zwar an sich richtig, auf Wachstum hinzuarbeiten und
den richtigen Mix einnahmen- und ausgabenseitiger Maßnahmen zu
finden. Derzeit befinde man aber noch am Beginn des Pfades und Sparen
sei in dieser Phase angesagt. Er erkundigte sich bei Gouverneur
Nowotny nach der Signalwirkung einer Verankerung der Schuldenbremse
in der Verfassung und seiner Einschätzung der drei Varianten von
Euro-Bonds, welche von der Europäischen Kommmission präsentiert
wurden. Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) interessierte sich für
die Frage des seiner Meinung nach künstlich "hochgespielten"
Ostrisikos österreichischer Banken und sah Probleme darin, dass die
EZB eine anderer Definition von Eigenkapital als Österreich vertrete.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sprach die Befürchtung aus,
dass sich eine Kreditklemme für KMU abzeichne und frage, ob Basel III
hier das richtige Modell sein könne. Er fragte, ob die Refinanzierung
der Staaten nicht nach einem anderen Modell, etwa dem Japans,
erfolgen könnte, dass sich durchaus erfolgreich von den Volatilitäten
der Finanzmärkte abkopple. Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) zog die
Prognosen des Wirtschaftswachstums und der Inflationsrate in Zweifel.
G-Abgeordnete Ruperta Lichtenecker erkundigte sich ebenfalls nach der
Einschätzung der Euro-Bonds sowie der Auswirkung einer Schuldenbremse
auf das Triple-A-Rating Österreichs, während Abgeordneter Peter
Westenthaler (B) in der Schuldenbremse ein bloßes "Placebo" erkennen
konnte. Wenn schon daran gedacht werde, so sollte zur selben Zeit
eine Höchststeuerquote als Zielwert eingeführt werden, meinte er.
Abgeordneter Konrad Steindl (V) fragte nach der Refinanzierung
südeuropäischer Staaten, und Ausschussvorsitzender Günter Stummvoll
(V) nach der Ankaufspolitik der EZB.
OeNB-Gouverneuer Nowotny sagte zur Frage der Schuldenbremse und der
Auswirkung auf das Urteil der Rating-Agenturen, diese Frage liege
nicht in der Kompetenz der Notenbank, diese müsse aber auf
gesamtwirtschaftliche Notwendigkeiten und internationale
Entwicklungen hinweisen. Das Konzept einer Schuldenbremse gebe es in
der Schweiz seit 10 Jahren und wurde vor zwei Jahren auch für
Deutschland entwickelt. Es wäre sicher besser, wenn Österreich hier
etwas eigenständig entwickeln würde, um nicht später dazu gezwungen
zu werden. Für die Rating-Agenturen zähle vor allem die
Nachhaltigkeit von Maßnahmen, diese könne nur durch
verfassungsrechtliche Normen abgesichert werden. Sowohl in der
Schweiz als auch in Deutschland handle es sich daher um Bestimmungen
im Verfassungsrang.
Zum Ostengagement österreichischer Banken hielt er fest, dass es auch
hier um die nachhaltige Entwicklung der österreichischen
Kreditwirtschaft gehe. Dies sei der wesentliche Punkt für Ratings. In
letzter Zeit sei hier wieder eine Diskussion entstanden, weshalb es
wichtig war, das Vertrauen in die österreichische Kreditwirtschaft
und damit auch in den österreichischen Staat zu erhöhen.
In der Frage der Eurobonds und der europäischen Kapitalmärkte stellte
Nowotny fest, dass zweifellos erhebliche Probleme bei der
Finanzierung öffentlicher Haushalte bestehen. Staaten wir
Griechenland und Portugal, die nicht mehr auf die internationalen
Finanzmärkte gehen können, erhalten eine externe Finanzierung durch
den Rettungsschirm. Diese ist an bestimmte Auflagen geknüpft, die auf
Strukturänderungen abzielen. Der ESFS gebe damit eine
Überbrückungshilfe, da sie an gewisse Grenzen gestoßen sei, habe man
eine Ausweitung beschlossen. Diese Beschlüsse seien aber noch nicht
umgesetzt, er vertrete daher die Position, dass es nicht sinnvoll
sei, neue Modelle zu diskutieren, bevor diese Umsetzung nicht erfolgt
sei. Das Problem einer Kreditklemme für KMU müsse man ernst nehmen,
meinte Nowotny, Basel III enthalte Regelungen, die darauf durchaus
Rücksicht nehmen. Es zeichne sich auch die Tendenz ab, Basel III nur
für große, international tätige Banken einführen zu wollen. Das
Problem sei allerdings nicht gesamteuropäisch, sondern eher für
Österreich relevant. Es zahle sich aber auf jeden Fall aus, sich für
die KMUs einzusetzen. Zur Ankaufspolitik der EZB hielt er fest, dass
diese auf Korrekturen von Marktversagern abziele. Es ergebe sich
daraus keine inflatorische Wirkung.
Beim Thema Eurobonds hielt Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek fest,
dass die Zinsentwicklung in der Eurozone die wirtschaftliche
Entwicklung der Länder bis 2006 nicht widergespiegelt habe und sich
die Spreads in Europa erst nach dem Lehman-Zusammenbruch
auseinanderentwickelt haben. Als Voraussetzungen für eine
Zusammenführung der Spreads nannte der Vizegouverneur eine Konvergenz
der Finanzmärkte in Europa und zumindest Elemente einer
Wirtschaftsunion, um eine Auseinanderentwicklung schwacher und
starker Mitgliedstaaten zu verhindern.
Abgeordneter Werner Kogler (G) machte darauf aufmerksam, dass ein
Eurobond-System mit Blue Bonds und Red Bonds Vorteile für Europa
bringen würde und zeigte sich überzeugt, dass ein solches Modell
funktionieren könnte. Kogler hielt es nämlich für einen
"Rechenfehler", anzunehmen, dass die Zinsen auf einem einheitlichen
Kapitalmarkt in Europa dem gewichteten Durchschnittswert der heutigen
Eurozonen-Mitglieder entsprechen würde. Der Liquiditätseffekt würde
vielmehr zinsdämpfend wirken, die Eurozone gegen Spekulanten
immunisieren und außerdem könnte man sich die Kosten für jene Länder
ersparen, die man nicht Pleite gehen lassen könne. Vorauissetzen
würde dies würde freilich, innerhalb der Eurozone ausreichend Anreize
zur Einhaltung der Budgetdisziplin zu schaffen.
Den Appell des Notenbank-Gouverneurs an die Opposition, der
Schuldenbremse zuzustimmen, wies Abgeordneter Kogler zurück. Er halte
nichts davon, in die Bundesverfassung einen Saldo hineinzuschreiben,
ohne dass die Regierung auch nur den Weg skizziere, wie man die
Schulden senken wolle.
Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sprach von Vor- und Nachteilen von
Eurobonds und räumte ein, dass ein einheitlicher Kapitalmarkt nach
dem Vorbild der USA wünschenswert wäre. "Es ist ein Nachteil der EU,
kein einheitlicher Kapitalmarkt zu sein". Die Entwicklung einer
einheitlichen europäischen Finanzpolitik brauche aber Zeit, weil man
regionalpolitische Transfereffekte vermeiden müsse. Deutschland, das
größte Mitgliedsland der Eurozone, lehne solche Transfereffekte ab,
ohne Zustimmung Deutschlands haben Eurobonds realistischerweise keine
Chance. Vizegouverneur Duchatczek merkte an, Eurobonds würden dazu
führen, dass sich wirtschaftlich schwächere Länder der Eurozone
billiger refinanzieren könnten, für wirtschaftlich stärkere Länder
würden Eurobonds höhere Zinsen bedeuten.
Schließlich unterstrich Nowotny die Notwendigkeit einer
Schuldenbremse noch einmal mit dem Hinweis auf die langfristige
Stabilität und wiederholte seinen Appell an alle politischen Kräfte,
eine Schuldenbremse nach dem Vorbild der Schweiz und Deutschlands
zustande zu bringen. (Schluss)
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