• 19.11.2011, 19:58:23
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Der Bürger als Komplize" (von Hubert Patterer)

Ausgabe vom 20.11.2011

Graz (OTS) - Wir erleben nicht die Herrschaft der Märkte über
die Politik - eine ideologische Fata Morgana -, wir erleben die
Selbstentmächtigung des Staatlichen durch die Politik. Nur weil sich
Regierungen durch die selbst gewählte Abhängigkeit als Schuldner
entmächtigt haben, erscheint uns die Macht der Märkte so übermächtig,
was nicht heißt, dass dort alles im Lot ist. Nur: Die Macht der
Bewertungsagenturen ist nicht obsolet, weil es zu viel "Markt", also
zu viel Wettbewerb gibt, sie ist obsolet, weil es zu wenig Wettbewerb
gibt und weil sich als Folge eine undurchsichtige Richter-Oligarchie
herausbilden konnte, die sich selbst dem Markt nicht stellen muss.

Der Rating-Markt gehört also nicht entmachtet, sondern ermöglicht,
durch Pluralismus und Transparenz. Ursache und Wirkung verschwimmen
in der Debatte: Die Ächtung des Fieberthermometers senkt nicht das
Fieber. Gezähmt gehört eine Politik, die als Richtschnur nur den
Wahltag kennt und die ein unmündiges Stimmvolk antizipiert, das dem
Kalkül willig folgt. Wir haben dieses Elend des Souveräns in
Griechenland erlebt und erleben es heute in Spanien, wo die Mehrheit
die Konservativen an die Macht wählen dürfte, weil die sich dem
(notwendigen) Sparkurs Zapateros populistisch entgegenstellten. Der
Stimmbürger als Komplize des Opportunismus: Solange sich die Wähler
(mit dem eigenen Geld) kaufen lassen, wird sich an den Zuständen in
Europa nichts ändern.

Warum geben die Bürger der Verpfändung der Zukunft ihre Stimme?
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Staatsschulden als etwas
Abstraktes missverstanden werden und nicht als reales Konto der
Bürger und der Nachkommenden.

Kein Vater, keine Mutter würde sich zur Absicherung des eigenen
Wohlergehens bis zur Halskrause verschulden, wenn sie wüssten, dass
die Schuldscheine auf ihre Kinder übergingen, womöglich überhaupt
erst von ihnen getilgt werden müssten. Es wäre selbstsüchtig und
ruchlos. Nichts anderes aber ist das, was die Politik praktiziert und
was die Herren Ackerl und Foglar fortschreiben möchten, ungebremst.
Ihr Begriff von sozialer Gerechtigkeit meint die Absicherung des
Heute auf Kosten der Zukunft. Er fragt nicht, ob die Nachkommenden
diese Gerechtigkeit später einmal finanzieren wollen und können.

Das ist die Krux der Schuldenpolitik: Sie wirkt zeitversetzt. Die
Opfer bluten, wenn die Täter über alle Schuldenberge sind. Daher
sollten wir Wähler die neuen Schulden, die die Politik mit unserer
Billigung macht, selbst tilgen, und zwar sofort. Es wäre die
geringere Zumutung als das Überwälzen der Last auf die Jungen. Das
würde helfen und heilen.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

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