- 11.11.2011, 21:12:57
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Dritter NR-Präsident lädt zu Dinghofer Symposium ins Parlament Auszeichnungen für Gerhard Pendl und Waldemar Steiner
Wien (PK) - Die Ereignisse um die Verfassungswerdung in Österreich, 
 Ungarn und der Tschechoslowakei bildeten den Fokus des diesjährigen 
 Dinghofer-Symposiums, zu dem Dritter Nationalratspräsident Martin 
 Graf in Kooperation mit dem Dinghofer-Institut ins Hohe Haus geladen 
 hatte. An das Thema der heutigen Veranstaltung wurden die zahlreich 
 erschienenen Gäste durch Kurzreferate von Heinrich Neisser (Zweiter 
 Präsident des Nationalrats a.D. und Professor am Institut für 
 Politikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck), 
 István Szabó (Professor am Institut für Rechtsgeschichte der 
 Katholischen Universität Pázmány Péter, Budapest) und Jaromir Tauchen 
 (Assistenzprofessor an der Juristischen Fakultät der Masaryk-
 Universität, Brünn) herangeführt: Sie informierten die BesucherInnen 
 ganz im Sinne des Veranstaltungstitels "Die Verfassung im Wandel der 
 Zeit: 1918-1928" über wesentliche konstitutionelle Fragen nach 
 Zusammenbruch der Habsburgermonarchie.
Den Vorträgen der Experten folgte die Verleihung zweier Franz-
 Dinghofer-Medaillen an den Mediziner Gerhard Pendl und den früheren 
 Salzburger Vizebürgermeister Waldemar Steiner. Sie erhielten diese 
 vom oberösterreichischen Künstler Odin M. Wiesinger neu gestaltete 
 Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche Leistungen und 
 Verdienste um gelebte demokratische Gesinnung.
Die Jahre 1918-1928 als "Zeit des Ringens"
Dritter Nationalratspräsident Martin Graf erinnerte im Rahmen 
 einleitender Worte daran, dass sich am morgigen Tage der 
 Publikationsakt der Verkündung der Republik durch Franz Seraph 
 Dinghofer zum 93. Mal jähre. Aber nicht nur der 12. November sei ein 
 wesentliches Datum, dessen man eingedenk sein müsse: Am heutigen 
 Tage, dem 11. November, jähre sich schließlich auch der Todestag 
 Victor Adlers zum 93. Male. Obgleich nicht demselben politischen 
 Lager zugehörig, habe sich Dinghofer diesem großen Staatsmann sehr 
 verbunden gefühlt, erläuterte Graf und zitierte vor diesem 
 Hintergrund aus der Totenrede, die Dinghofer als Präsident der 
 Provisorischen Nationalversammlung für Adler gehalten hatte. Der 
 historische Abschnitt, dem man sich auch im Rahmen des heutigen 
 Symposiums widme, sei schließlich eine "Zeit des Ringens für das 
 Vaterland" gewesen, das Parteigrenzen habe überwinden lassen.
Verfassungsentwicklung nach Zusammenbruch der Habsburgermonarchie
István Szabó (Katholische Universität Pázmány Péter, Budapest) 
 beschäftigte sich im Rahmen eines Kurzreferats mit der Frage 
 staatlicher Kontinuität in Ungarn nach 1918 und kam in diesem 
 Zusammenhang auf die Schwierigkeiten in Hinblick auf eine 
 verfassungsmäßige Verankerung der Staatsform der Republik zu 
 sprechen. Schließlich hätte es durchaus nachweisbare Bestrebungen 
 gegeben, die Monarchie aufrechtzuerhalten, erläuterte Szabó anhand 
 konkreter Beispiele.
Jaromir Tauchen (Masaryk-Universität, Brünn) zeichnete in seinem 
 Beitrag die Verfassungsentwicklung der Ersten Tschechoslowakischen 
 Republik nach und hob in diesem Zusammenhang vor allem Probleme in 
 Hinblick auf die Berücksichtigung nationaler Minderheiten hervor.
Heinrich Neisser (Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck) gab einen 
 Überblick über den Prozess der österreichischen Verfassungswerdung in 
 den Jahren 1918-1920 und kam in diesem Zusammenhang vor allem auf die 
 Divergenzen, die diesbezüglich zwischen den politischen Lagern 
 bestanden hätten, zu sprechen. Die Verfassung, die am 1. Oktober 1920 
 von der Konstituierenden Nationalversammlung verabschiedet worden 
 ist, bezeichnete der Redner dabei als Kompromisslösung, der man auch 
 ansehe, dass es eine sei. Die unterschiedlichen Vorstellungen der 
 politischen Lager in Hinblick auf konstitutionelle Fragen 
 veranschaulichte Neisser schließlich anhand dreier Fragestellungen 
 und Verfassungsentwürfe. Der Vorschlag der Großdeutschen Vereinigung 
 Dinghofers, in dem bereits zu Beginn der Vorwurf einer "Knebelung 
 durch die Nachkriegsverträge" anklinge, sei vor allem deshalb 
 bemerkenswert, weil er eine umfangreiche Aufstellung der Grundrechte 
 und -pflichten der BürgerInnen enthalte, skizzierte Neisser: Neben 
 klassischen Abwehrrechten gegenüber dem Staat stelle man hier etwa 
 auch die Ehe unter den Schutz der Verfassung. Darüber hinaus plädiere 
 der Entwurf für Freiheit der Berufswahl und des Eigentums und 
 verankere eine Pflicht zur Arbeit sowie zur Ausübung der politischen 
 Rechte.
Die historische Verfassungsentwicklung habe laut Neisser 
 schlussendlich aber dazu geführt, dass man heute mit einem 
 "Konglomerat" konfrontiert sei, das einer grundlegenden Reform 
 bedürfe. Diese sollte von den PolitikerInnen unserer Zeit in Angriff 
 genommen werden, forderte er.
Dinghofer - "eine Identifikationsfigur für das Dritte Lager"
Holger Bauer, Kuratoriumsobmann des Dinghofer-Instituts (DI) und 
 Moderator des heutigen Abends, kam abschließend nochmals auf die 
 Verdienste Dinghofers zu sprechen, die ihn zu einer 
 "Identifikationsfigur für das Dritte Lager" hätten werden lassen. 
 Dementsprechend fördere das DI nicht nur allgemein Forschungsarbeiten 
 aus den Bereichen Rechts-, Politik- und Geschichtswissenschaften, 
 sondern auch zur Person Dinghofers, informierte er.
Franz Dinghofer wurde 1873 in Ottensheim geboren und studierte nach 
 dem Abschluss des Gymnasiums in Graz Rechtswissenschaften. Nach 
 seiner Promotion zum Doktor der Rechte 1899 schlug Dinghofer eine 
 Karriere bei Gericht ein und wurde u.a. Richter in Linz und in 
 Urfahr. Bereits frühzeitig in der deutschnationalen Bewegung aktiv, 
 zog er für seine Partei 1901 in den Linzer Gemeinderat ein. 1905 
 wählte ihn der Gemeinderat zum Vizebürgermeister, zwei Jahre später 
 avancierte er zum Bürgermeister der oberösterreichischen 
 Donaumetropole.
Zusätzlich zu diesem Amt wirkte Dinghofer ab 1911 auch als 
 Abgeordneter zum Reichsrat, wo er bald einer der führenden Köpfe 
 seines Klubs wurde. So war es auch nicht verwunderlich, dass 
 Dinghofer in den Tagen des Zusammenbruchs der Donaumonarchie an der 
 Wiege der Ersten Republik stand. Gemeinsam mit dem Sozialdemokraten 
 Karl Seitz und dem Christlichsozialen Jodok Fink übernahm Dinghofer 
 im Oktober 1918 das Präsidium der Provisorischen Nationalversammlung. 
 Nach den Wahlen im Februar 1919 wählte ihn die Konstituierende 
 Nationalversammlung zum Dritten Präsidenten, und dieses Amt 
 bekleidete er auch in der ersten und zweiten Gesetzgebungsperiode des 
 1920 geschaffenen Nationalrats.
Im Oktober 1926 holte ihn Bundeskanzler Seipel als Justizminister in 
 sein Kabinett, dazu amtierte Dinghofer auch von Oktober 1926 bis Mai 
 1927 als Vizekanzler. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung im 
 Juli 1928 beschloss Dinghofer seine Karriere als Präsident des 
 Obersten Gerichtshofs - ein Amt, das er bis 1938 bekleidete. 
 Dinghofer starb 1956 in Wien. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie - etwas 
 zeitverzögert - auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) 
 im Fotoalbum.
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