• 11.11.2011, 12:02:28
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Gesundheit im Dialog im Haus der Industrie

Zersplitterte Kompetenzen, Spitalslastigkeit und Ineffizienzen - Reformpotentiale an den Schnittstellen des österreichischen Gesundheitssystems

Wien (OTS) - Um die Zukunft des österreichischen
Gesundheitssystems ging es bei der gestrigen Diskussionsrunde
"Gesundheit im Dialog", die in diesem Jahr zum vierten Mal von Bayer
Austria Ges.m.b.H. und der Industriellenvereinigung (IV) organisiert
wurde. Die Diskutanten waren Gesundheitsminister Alois Stöger, die
Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales Maga Sonja Wehsely,
Mag. Peter McDonald, Stellvertretender Vorsitzender der
Trägerkonferenz im Hauptverband der österreichischen
Sozialversicherung, Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener
Ärztekammer und Thomas Salzer, Geschäftsführender Gesellschafter der
Salzer Gruppe. Zum Auftakt der Diskussion referierte Professor Dr.
Andreas Wörgötter (OECD) über Reformnotwendigkeiten im
österreichischen Gesundheitssystem aus Sicht der OECD.

Das österreichische Gesundheitswesen ist durch eine Zersplitterung
der Kompetenzen geprägt. Die Finanzströme für den intra- und
extramuralen Bereich sind verflochten und zeichnen sich durch
Parallelität und Komplexität aus. Die Finanzierungsverantwortung von
Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern deckt sich
nicht mit ihrer Aufgaben- und Ausgabenverantwortung. Dies führt zu
unterschiedlichen Interessen, Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten,
Intransparenz, Zielkonflikten und Steuerungsdefiziten.

Die Bundesregierung hat sich bei ihrer Klausur im Mai 2011 zu
einer Spitals- und Gesundheitsreform bekannt. Demnach soll ein
Kostendämpfungspfad für Spitalsendkosten implementiert werden.
Darüber hinaus sollen die Rahmenbedingungen im System so verbessert
werden, dass eine durchgängige, integrierte Leistungserbringung auf
der jeweils optimalen Versorgungsebene gewährleistet ist. Der
Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat bereits im November
2010 einen Masterplan Gesundheit vorgelegt, die Bundesländer haben
sich im März 2011 ebenfalls gemeinsam für Reformschritte im
Gesundheitswesen ausgesprochen. Anfang April 2011 hat die
Bundesgesundheitskommission eine Steuerungsgruppe aus Bund, Ländern
und Sozialversicherung eingesetzt, die Reformmaßnahmen v.a. im
Bereich der Spitäler erarbeiten soll.

In der gestrigen Diskussion ging es darum, welche Reformpotentiale
insbesondere an den Schnittstellen des österreichischen
Gesundheitswesens gesehen werden und inwiefern diese bei der
geplanten Gesundheitsreform berücksichtigt werden.

Mag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der
Industriellenvereinigung, legte in seinen einleitenden
Begrüßungsworten besonderen Stellenwert auf die Einführung der
Elektronischen Gesundheitsakte. Durch diese würde ein wesentlicher
Schritt zur besseren Vernetzung zwischen behandelnden Ärzten im
stationären und niedergelassenen Bereich erreicht werden. "Es könnten
viele der bisherigen Bruchstellen im Gesundheitswesen überwunden und
damit die Behandlungsqualität erhöht werden". Er sieht in ELGA vor
allem Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten. Auch wenn es
in dem einen oder anderen Punkt zur gesetzlichen Umsetzung noch
Klärungsbedarf gibt, appellierte er an alle Akteure, das Projekt
einer elektronischen Gesundheitsakte grundsätzlich zu unterstützen.

In der Keynote der Veranstaltung referierte Professor Dr. Andreas
Wörgötter über das österreichische Gesundheitssystem. Aus seiner
Sicht bietet das österreichische Gesundheitssystem gute Qualität und
leicht zugängliche Dienste, ist aber teuer. Steuerung und
Finanzierung sind stark fragmentiert und zu viele
Gesundheitsleistungen sind nur in Zusammenhang mit stationärer
Versorgung in Krankenhäusern möglich. Marktzutritt und Wettbewerb
sind enge Grenzen gesetzt. Das Gesundheitssystem ist
angebotszentriert, d.h. es ist wichtiger, wer wo eine Leistung
erbringt, als für wen (den Patienten). Es gibt wenig Interesse an
Kosteneffizienz und speziell die Vorsorge kommt zu kurz.

Die im Länderbericht der OECD 2011 für Österreich vorgeschlagenen
Prioritäten sind:

- Deutlicher die Verantwortung für Leistungserbringung, 
   Finanzierung und Ausgaben zuzuordnen 
 - Durchsetzung eines landesweiten Kapazitätsplans für öffentlich 
   finanzierte stationäre und ambulante Gesundheitseinrichtungen
 - die Einführung ergebnisorientierter Zahlungsmechanismen in allen 
   Gesundheits-Dienstleistungen 
 - die Förderung der Umstellung auf "integrierte Versorgungsmodelle" 
   durch eine bessere Abstimmung von präventiven, ambulanten, 
   stationären, rehabilitativen Gesundheitsleistungen und der
   Langzeitpflege
 - Betonung der Bedeutung einer gesünderen Lebensweise und die 
   Beobachtung der Einhaltung nationaler Gesundheitsziele (z.B.: zur 
   Vermeidung von Übergewicht) und
 - bessere Kommunikation der mittelfristigen finanzpolitischen 
   Perspektiven und Szenarien des Systems

Hier die Stellungnahmen/Positionen der Diskutanten:

Alois Stöger, Bundesminister für Gesundheit
"Reformpotenziale gibt es an diversen Schnittstellen im
Gesundheitssystem: So behindern die unterschiedlichen
Landes-Spitalsgesetze die effiziente Zusammenarbeit über
Ländergrenzen hinweg; die Grenzen gleichen manchmal eisernen
Vorhängen. Aber auch an der Schnittstelle zwischen niedergelassenen
Ärzten und Spitälern gibt es Reformbedarf. Eine erste Reform habe ich
hier bereits umgesetzt, indem ich Gruppenpraxen ermöglicht habe. Das
nächste große Reformprojekt ist die Einführung der elektronischen
Gesundheitsakte ELGA. Dadurch, dass alle entlang der Behandlungskette
Zugriff auf die aktuellsten Daten haben, können Patientinnen und
Patienten wesentlich effizienter behandelt werden. Neben der
beträchtlichen Qualitätssteigerung für Patientinnen und Patienten
bringt ELGA laut Experten auch ein jährliches
Kostendämpfungspotenzial von 129 Millionen Euro - Geld, das für neue
Leistungen verwendet werden kann."

Maga Sonja Wehsely, Stadträtin für Gesundheit und Soziales der Stadt
Wien

"Vor jeder Schnittstellendiskussion muss die Frage geklärt werden:
Wie kann man wieder zu einer Grundversorgung durch niedergelassene
ÄrztInnen in Wien kommen - weg von der mittlerweile realiter
existierenden Grundversorgung durch die Spitalsambulanzen? Schon das
sprachliche Paar 'intra- und extramural' zeigt: Hier gibt es
traditionell hohe Mauern zwischen den Verantwortungsbereichen.
Deswegen sind für mich die wichtigsten Ziele, die Mauern in den
Köpfen zu überwinden, Schnittstellen zu Verbindungsstellen zu machen
und weg von der Tradition zu kommen, Interessen- und Standespolitik
in den Vordergrund zu stellen. Das PatientInnenwohl hat im
Vordergrund zu stehen."

Mag. Peter McDonald, Stellvertretender Vorsitzender der
Trägerkonferenz im Hauptverband der österreichischen
Sozialversicherung

"Es herrscht unter den Experten Einigkeit darüber, dass es
Reformmaßnahmen geben muss, weil sonst schon in 10 Jahren die
Gesundheitsversorgung in Österreich, wie wir sie heute kennen, nicht
mehr aufrecht zu erhalten sein wird.

Österreich ist zu klein für neun abgegrenzte Gesundheitssysteme.
Wir brauchen ein einheitlich funktionierendes Gesundheitssystem, in
dem die Patientin bzw. der Patient - nicht die Institution, das
Spital - im Mittelpunkt steht. Wir brauchen nationale
Gesundheitsziele, zu denen sich alle Systemverantwortlichen
österreichweit bekennen. Es braucht eine bundeseinheitliche
Rahmenplanung und -steuerung nach gemeinsamen Grundsätzen und eine
patientennahe Detailplanung. Meine Kollegen aus der
Sozialversicherung und ich haben unter der Führung von
Hauptverbandspräsidenten Schelling den so genannten Masterplan
Gesundheit erarbeitet, um mit der Einladung zum Dialog darüber
Bewegung bzw. Verbesserung in das System zu bringen.
Die Vision des Masterplan Gesundheit "Länger selbstbestimmt leben bei
guter Gesundheit" muss das Ziel sein, denn trotz Spitzenposition
Österreichs in Europa was die Ausgaben für Gesundheit betrifft,
verlieren wir mehr als 20 Jahre an Lebensqualität durch Krankheit. Im
Schnitt verleben die Menschen nur 59,4 beschwerdefreie, gesunde
Jahre, um 1,3 Jahre weniger als im EU-Vergleich. Wir müssen die
Reform endlich angehen - zum Nutzen der Patienten!"

Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer
"Aus meiner Sicht ist es unverständlich, dass gerade in Zeiten von
knappen Mitteln seitens des Bundesministers
Mammut-Bürokratie-Projekte wie die ELGA umgesetzt werden sollen. Aus
Sicht der Ärzteschaft sollen die ohnedies begrenzten Mittel im
Gesundheitssystem so effizient wie möglich eingesetzt werden. Die
Behauptung des Ministers, die Ärzte würden ihr Geld mit
Doppelbefundungen verdienen, empfinde ich als zutiefst enttäuschend
und eines Gesundheitsministers unwürdig."

Thomas Salzer, Geschäftsführender Gesellschafter der Salzer Gruppe,
Vorsitzender der Fokusgruppe Gesundheit der Industriellenvereinigung

"Kernproblem ist die mangelnde Abstimmung zwischen stationärem und
niedergelassenem Bereich bei der Planung, Finanzierung und Steuerung.
Dadurch existieren "zwei Gesundheitssysteme" nebeneinander, die durch
unterschiedliche Finanzierungs- und Anreizmechanismen gekennzeichnet
sind und mitunter ungewollte Leistungsverschiebungen vom
niedergelassenen in den stationären Bereich bewirken. Unnötige
Mehrkosten für das System sind die Folge. Die mangelnde Abstimmung
ist darüber hinaus ein Hemmschuh für integrierte Versorgungsmodelle,
in denen im Sinne einer optimalen Behandlungsqualität weder
Fachbereichs, - Krankenhaus- noch Landesgrenzen eine Rolle spielen
dürfen. Diese Fehlanreize zu beseitigen muss vorrangiges Ziel von
Reformen sein: Eine österreichweit, sektorenübergreifende Planung des
Leistungsangebots im Gesundheitsbereich sowie die Schaffung von
Anreizen, damit die Patienten auf der richtigen Versorgungsebene
behandelt werden, wären ein großer Schritt in Richtung eines
effizienteren und patientenfreundlicheren Gesundheitssystem in
Österreich."

Zusammenfassung von Dr. Martin Hagenlocher, GF Bayer Austria
Ges.m.b.H.

Voraussetzung für eine echte Gesundheitsreform ist, dass alle
Partner eingebunden werden und jeder einzelne auch dazu bereit ist,
einen Schritt auf die anderen zuzugehen. Die Pharmaindustrie ist hier
schon mit gutem Beispiel vorangegangen und hat ihren finanziellen
Sanierungsbeitrag im österreichischen Gesundheitssystem geleistet.
Der 2008 mit dem Hauptverband der Sozialversicherungen abgeschlossene
Vertrag über den freiwilligen Solidarbeitrag wurde dieses Jahr
verlängert und sichert der Sozialversicherung bis 2015 weitere 82 Mio
Euro. 6,75 Mio Euro dieses Betrages sind für Gesundheitsziele wie
Kindergesundheit und Prävention zweckgewidmet.

"Mir ist es wichtig, dass es bei der geplanten Gesundheitsreform
nicht nur um Kosteneinsparungen gehen soll, sondern in erster Linie
darum, die bestehenden Ressourcen besser, nicht zuletzt auch für
innovative Arzneimittel, einzusetzen damit schlussendlich alle,
insbesondere die Patientinnen und Patienten, von dieser Reform
profitieren können."

Über "Gesundheit im Dialog":

"Gesundheit im Dialog" ist der Titel einer jährlich durchgeführten
Veranstaltung von Bayer Austria Ges.m.b.H., der österreichischen
Landesgesellschaft des Bayer Konzerns in Kooperation mit der
Industriellenvereinigung. Veranstaltungsort ist das "Haus der
Industrie" am Schwarzenbergplatz 4 in Wien, jenes Gebäude, in dem die
Industriellenvereinigung ihren Sitz hat. "Gesundheit im Dialog"
wurde in diesem Jahr zum vierten Mal durchgeführt. Ebenso wie bei den
Podiumsdiskussionen der Vorjahre geht es auch in diesem Jahr um ein
gesundheitspolitisches Thema, nämlich: "Zersplitterte Kompetenzen,
Spitalslastigkeit und Ineffizienzen - Reformpotentiale an den
Schnittstellen des österreichischen Gesundheitssystems". Im Publikum
saßen VertreterInnen aus Wirtschaft, Politik, Gesundheitswesen und
der Medien.

Zukunftsgerichtete Aussagen

Diese Presseinformation kann bestimmte in die Zukunft gerichtete
Aussagen enthalten, die auf den gegenwärtigen Annahmen und Prognosen
der Unternehmensleitung des Bayer-Konzerns bzw. seiner Teilkonzerne
beruhen. Verschiedene bekannte wie auch unbekannte Risiken,
Ungewissheiten und andere Faktoren können dazu führen, dass die
tatsächlichen Ergebnisse, die Finanzlage, die Entwicklung oder die
Performance der Gesellschaft wesentlich von den hier gegebenen
Einschätzungen abweichen. Diese Faktoren schließen diejenigen ein,
die Bayer in veröffentlichten Berichten beschrieben hat. Diese
Berichte stehen auf der Bayer-Webseite www.bayer.de zur Verfügung.
Die Gesellschaft übernimmt keinerlei Verpflichtung, solche
zukunftsgerichteten Aussagen fortzuschreiben und an zukünftige
Ereignisse oder Entwicklungen anzupassen.

Rückfragehinweis:
Helene Einramhof-Florian, Tel. 01/711 46-2221, Fax 01/711 46-2209
Helene.einramhof-florian@bayer.com

IV-Newsroom, Tel. 01/711 35-2306
info@iv-newsroom.at, www.iv-net.at

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