• 05.10.2011, 18:48:24
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  • OTS0279 OTW0279

Justizausschuss gibt grünes Licht für Terrorismuspräventionsgesetz Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft für Notare fällt

Wien (PK) - Der Justizausschuss gab in seiner heutigen Sitzung
grünes Licht für das Terrorismuspräventionsgesetz: Die
diesbezügliche Regierungsvorlage wurde in der Fassung eines
gesamtändernden Abänderungsantrags der Regierungsparteien in
getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mehrheitlich
angenommen, wobei man die Regierungsvorlage betreffend Ausbau des
Umweltstrafrechts miterledigte. Scharfe Kritik an der Ausweitung
des Verhetzungsparagraphen und der Verwendung unklarer
Begrifflichkeiten übten dabei FPÖ und BZÖ. Von einer
Missbrauchsanfälligkeit des vorliegenden Gesetzes sprachen aber
auch die Grünen, die sich vor allem kritisch zum Tatbestand
"Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung
terroristischer Straftaten" äußerten.

Einen S-V-Entschließungsantrag betreffend die wissenschaftliche
Evaluierung des §278a StGB nahm man in diesem Zusammenhang mit
Stimmeneinhelligkeit an. Dem von Abgeordnetem Ewald Stadler (B)
eingebrachten Abänderungsantrag, der eine Ausnahme der im Inland
anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften vom
Tatbestandsmerkmal der Hetze vorsieht, sofern diese nur Glaubens-
und Sinnlehren wiedergeben, wurde von allen anderen Parteien
abgelehnt. Ein Antrag der FPÖ auf Einholung schriftlicher
Stellungnahmen zum überarbeiteten Gesetzesentwurf verfehlte
ebenfalls das erforderliche Quorum.

Einstimmig angenommen wurde vom Justizausschuss aber die von SPÖ
und ÖVP beantragte Änderung des Notariatsgesetzes (1660/A[E]): In
Entsprechung eines EuGH-Urteils soll der Beruf des Notars nicht
mehr österreichischen StaatsbürgerInnen vorbehalten sein, sondern
auch Staatsangehörigen von EU- und EWR-Staaten sowie der Schweiz
offen stehen.

Zur weiteren Beratung über den Evaluierungsbericht der
Justizministerin zur Strafprozessreform (III-272 d.B.) setzte der
Ausschuss überdies einen Unterausschuss ein.

Oppositionsparteien üben Kritik am Terrorismuspräventionsgesetz

Durchaus kontrovers gestaltete sich die Debatte zum
Terrorismuspräventionsgesetz, das, wie S-Justizsprecher Johannes
Jarolim skizzierte, schon seit längerer Zeit Gegenstand
umfassender Diskussionen gewesen war. Dabei sei es geglückt,
seine Bestimmungen zu präzisieren, um einer anderen als der vom
Gesetzgeber intendierten Auslegung durch Gerichte vorzubeugen,
zeigte er sich überzeugt. Jarolim brachte in diesem Zusammenhang
außerdem einen S-V-Entschließungsantrag betreffend
wissenschaftliche Evaluierung des §278a StBG ein.

G-Abgeordneter Albert Steinhauser hielt das
Terrorismuspräventionsgesetz für missbrauchsanfällig. Zwar hätten
sich die Regierungsfraktionen um seine Präzisierung bemüht, doch
enthalte es nach wie vor problematische Bestimmungen, zeigte er
sich überzeugt und kam in diesem Zusammenhang auf den Tatbestand
"Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung
terroristischer Straftaten" zu sprechen. Dabei äußerte
Steinhauser die Befürchtung, dass allein der Verdacht auf
Gutheißen einer terroristischen Straftat ausreichen werde, um
Ermittlungsmaßnahmen wie den großen Lauschangriff zu
legitimieren. Das ein solches Vorgehen angemessen sei, müsse man
aber bezweifeln, stellte der G-Mandatar fest. Was die
Bestimmungen betreffend Anleitung zur Begehung einer
terroristischen Straftat anbelange, stelle man nun auf den
Vorsatz ab: Das sei richtig, konstatierte Steinhauser, in
Hinblick auf die Informationsbeschaffung wäre jedoch schwer
nachzuweisen, ob eine Recherche im Internet vorsätzlich
vorgenommen wurde. Die zur Diskussion stehenden Bestimmungen
ermöglichten so potentiell die Verfolgung aller Personen, die
gewisse Medienangebote nutzten, monierte der Grüne
Justizsprecher.

Auch F-Mandatar Peter Fichtenbauer übte Kritik am vorliegenden
Entwurf: Da er mittels Abänderungen grundlegend verändert wurde,
sei er in dieser Form auch nicht begutachtet worden, beanstandete
er. Er stelle deshalb einen Antrag auf Einholung schriftlicher
Stellungnahmen spezifischer Einrichtungen und Institutionen,
schließlich wäre es nicht notwendig, das Gesetz unter allen
Umständen heute zu verabschieden. Was in dieser Sitzung zur
Debatte stehe, sei schließlich nichts anderes als das "Ende der
Meinungsfreiheit", hielt Fichtenbauer in Anlehnung an einen
Zeitungskommentar von Andreas Unterberger fest. Der Inhalt der
gegenständlichen Norm kollidiere eindeutig mit dem Grundrecht auf
Meinungsfreiheit, zeigte er sich überzeugt und nahm dabei vor
allem auf den sogenannten Verhetzungsparagrafen Bezug. Trete der
Entwurf so in Kraft, werde es schließlich auch nicht mehr möglich
sein, sich über Missstände, die ihren Ursprung in einer durch das
Gesetz definierten Gruppe haben, "verächtlich zu machen". Eine
derartige Einschränkung sei einer Demokratie jedoch nicht würdig,
stand für Fichtenbauer fest. Juristisch betrachtet habe man es
außerdem mit einer Ansammlung von "Gummiausdrücken" zu tun, die
gegen das Bestimmtheitsgebot im Strafrecht verstoße und "absurde
Verfolgungsmöglichkeiten" eröffne.

Auch sein Fraktionskollege Herbert Stefan kritisierte das
gegenständliche Gesetz: Schließlich werde das Schlagwort der
Terrorismusbekämpfung nur zu gern als Vorwand für Eingriffe in
die Privatsphäre der BürgerInnen gebraucht. Ob man die
Meinungsfreiheit derart aushöhlen und missbrauchsanfällige
Instrumente schaffen wolle, gelte es nochmals zu überdenken,
mahnte er. F-Mandatar Walter Rosenkranz skizzierte, dass das
Rednerpult im Parlament bald der einzige Ort sein werde, an dem
man Anzeigen vor dem Hintergrund des §283 noch entkommen könne.
Damit trete man die Meinungsfreiheit mit Füßen.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) hielt fest, seine Fraktion könne
der vorliegenden Ausgestaltung des Verhetzungsparagrafen nicht
zustimmen. Er bedeute schließlich eine "Kriminalisierung" von
Meinungen und die "Verschärfung von Denkverboten". Damit tue das
vorliegende Gesetz genau das Gegenteil von dem, was es zu tun
vorgebe. Was unter "Verächtlichmachung" bestimmter Gruppen
verstehe, hielt der Abgeordnete außerdem für nicht hinreichend
definiert. Dem politischen Missbrauch sei deshalb Tür und Tor
geöffnet. Für besonders problematisch hielt der B-Mandatar
außerdem die Ausweitung der taxativen Aufzählung der besonders
geschützten Gruppen: Hier werden nunmehr auch auf die Kriterien
Alter, Geschlecht und sexuelle Orientierung abgestellt, wodurch
sogar die römisch-katholische Kirche, die in manchen Bereichen
abweichende Positionen vertrete, Gefahr laufe, als potentiell
kriminelle Organisation eingestuft zu werden. Außerdem sei nicht
einzusehen, dass man Dinge, die man als unmoralisch empfinden
könne, sogleich mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren
Haft belege. Das BZÖ setze sich für einen freien, demokratischen
Rechtsstaat ein, der mit derartigen Bestimmungen nicht vereinbar
sei, konstatierte Stadler.

V-Abgeordnete Karin Hakl konnte die Position von FPÖ und BZÖ
nicht nachvollziehen. Schließlich gehe es, was den
Verhetzungsparagrafen anbelange, nicht um einfache Kritik an
Gruppen, sondern um Aufrufe zu wahrnehmbarer Gewalt und
feindseligen Handlungen gegen sie. Derartiges sollte, wie Hakl
ausführte, in einer Demokratie ohnehin keinen Platz haben.

Auch Ausschussobmann Heribert Donnerbauer (V) wies die an die
Regierungsfraktionen gerichteten Vorwürfe zurück. Einiges von
dem, das die Opposition heute kritisiert habe, sei bereits
Rechtsbestand. Die Begriffe, die man im Gesetz verwende, wären
demzufolge auch bereits in der österreichischen Rechtstradition
etabliert. Sollte es tatsächlich zu Eingriffen in Grund- und
Freiheitsrechte kommen, wovon die Regierungsfraktionen nicht
ausgingen, gebe es außerdem Institutionen, die diese
sanktionierten, schloss Donnerbauer.

Justizministerin Beatrix Karl hielt fest, man habe die Kritik am
früheren Gesetzesentwurf ernst- und entsprechende Abänderungen
vorgenommen. Die Bedenken der Grünen hinsichtlich der
Nachweisbarkeit des Vorsatzes der Informationsbeschaffung teilte
sie nicht. Dass man über diese Schiene eine Ausweitung der
Anwendung des großen Lauschangriffs plane, wies Karl außerdem
strikt zurück: Diese Ermittlungsmaßnahme unterliege strengen
Regulationen und komme, wie die diesbezüglichen Berichte
illustrierten, nur ein bis drei Mal pro Jahr zum Einsatz. Es
stimme auch nicht, dass der Gesetzesentwurf nie begutachtet
worden sei: Nachfolgende Abänderungen wären aber nichts
Unübliches. Was die von Abgeordnetem Stadler kritisierte
Aufzählung der besonders geschützten Gruppen anbelange,
orientiere man sich an internationalen Vorgaben, informierte die
Ministerin. Den Vorwurf, dass die im Gesetz verwendeten
Begrifflichkeiten nicht ausreichend determiniert seien, wies Karl
angesichts der Tatsache, dass man seit 1975 mit ihnen operiere,
zurück.

Oppositionsanträge mit S-V-Mehrheit vertagt

Auf der Tagesordnung standen weiters Anträge der Opposition
betreffend Korruptionsbekämpfung, Schutz von Minderjährigen vor
Missbrauch und Einsparungen im Strafrecht.

Zwei Initiativen der Grünen, in denen Abgeordneter Albert
Steinhauser die Wiedereingliederung öffentlicher Unternehmen in
das Korruptionsstrafrecht (1479/A(E)) bzw. die Strafbarkeit des
sogenannten "Anfütterns" (1487/A(E)) fordert, wurden mit den
Stimmen der Regierungsparteien unter Hinweis auf das geplante
umfassende Transparenzpaket vertagt.

Ebenfalls als nicht entscheidungsreif angesehen und vertagt wurde
ein Antrag des BZÖ betreffend Einführung einer uneingeschränkten
Anzeigepflicht bei Verdacht des Missbrauchs von Minderjährigen
(1366/A(E)). Abgeordneter Johann Maier (S) begründete die
Vertagung mit Arbeiten im Gesundheitsministerium an einer
weiteren Verschärfung der Informationspflichten, deren Ergebnis
es abzuwarten gelte. Die Abgeordneten Herbert Scheibner und Ewald
Stadler (beide B) konnten sich mit dieser Argumentation nicht
abfinden und sprachen sich gegen ein "ewiges Vertagen" in einer
derart sensiblen Materie aus. Stadler wies überdies auf die von
Österreich ratifizierte Kinderschutzkonvention hin und meinte,
das Anliegen seiner Fraktion sei Ausfluss dieser internationalen
Verpflichtung.

Schließlich vertagte der Ausschuss mit S-V-Mehrheit auch einen
Vorstoß (1062/A(E)) des Abgeordneten Christian Lausch (F) auf,
wie es heißt, sinnvolle Budgeteinsparungen im Justizbereich, der
vor allem beim Strafvollzug ansetzt und u.a. externe Betreuungen
und Kosten im medizinischen Bereich ins Visier nimmt.

Abgeordneter Johann Maier (S) qualifizierte die Forderungen des
Antrags als "schlichtweg falsch" und empfahl der FPÖ, ihre
Vorstellungen im Rahmen der Budgetverhandlungen einzubringen,
bemerkte jedoch, Zustimmung seitens der SPÖ werde sie dafür nicht
erhalten. (Schluss)

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