- 08.07.2011, 10:43:44
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Jerzy Buzek: "Wir sind ein einziger parlamentarischer Körper" Der Präsident des Europäischen Parlaments im EU-Hauptausschuss
Wien (PK) - Der EU-Hauptausschuss des Nationalrats durfte heute
einen ganz besonderen Gast in seiner Mitte begrüßen. Jerzy Buzek,
Präsident des Europäischen Parlaments, diskutierte mit den
österreichischen ParlamentarierInnen aktuelle politische Fragen.
Dabei unterstrich er besonders die Bedeutung der Zusammenarbeit
zwischen Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten,
insbesondere vor dem Hintergrund der Stärkung der
Volksvertretungen im Rahmen des EU-Gesetzgebungsprozesses durch
den Lissabon-Vertrag. "Wir sind ein einziger parlamentarischer
Körper" rief er den Anwesenden zu. "Das Europäische Parlament
braucht die Unterstützung der nationalen Parlamente, denn wir
beschäftigen uns mit den selben Gesetzen, die alle europäischen
BürgerInnen betreffen.
Buzek warb auch für eine sachliche Diskussion des Finanzrahmens
für die EU bis 2020 und appellierte angesichts notwendiger
Investitionen in Forschung, Bildung, Kultur und Umweltschutz Mut
zu haben, nicht allzu sparsam zu sein.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wies in ihrer Begrüßung
auf die eindeutigen Beschlüsse des Nationalrats und der
Bundesregierung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer
auf europäischer Ebene hin. Diese werde vom Europäischen
Parlament angedacht, informierte Buzek.
Prammer erinnerte aber auch an die österreichischen Wurzeln von
EP-Präsident Buzek. Sein Großonkel Josef Buzek war von 1907 bis
1918 Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen
Reichsrats. Buzek selbst erzählte, seine Familie habe das Leben
in Galizien in guter Erinnerung. Auch innerhalb der
österreichischen Monarchie hatte man die Freiheit, sich in der
eigenen Sprache auszudrücken und sich frei zu bewegen, zog er
einen Bogen zum heutigen Abbau der Grenzen in der EU. Europa
könne nur funktionieren, wenn man Grenzen öffnet, bekräftigte er.
An der Sitzung des EU-Hauptausschusses nahmen nicht nur die
Ausschussmitglieder selbst teil, sondern es waren alle
Abgeordneten zum Nationalrat, alle Mitglieder des Bundesrats
sowie die österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments
dazu eingeladen.
Buzek: Europäische Bürgerinitiative aktiv fördern
In seinem Einleitungsstatement ging Jerzy Buzek zunächst auf die
Stärkung des Europäischen Parlaments und der nationalen
Parlamente im europäischen Gesetzgebungsprozess aufgrund der
Bestimmungen des Lissabon-Vertrags ein. Seither habe es zu
Gesetzesvorschlägen über 300 Einsprüche aus den Parlamenten
gegeben, davon hätten 113 das Subsidiaritätsprinzip betroffen,
erläuterte Buzek, räumte aber gleichzeitig ein, dass kein
Rechtsakt die gelbe oder orange Karte, die zum Stoppen eines EU-
Gesetzesvorschlags führen könnte, erhalten habe. Zu einer guten
Vorbereitung bedürfe es einer engen Zusammenarbeit aller, betonte
er und forderte die nationalen Parlamente auf, ihre
Einflussmöglichkeiten auf die Haltung ihrer Regierungsmitglieder
in den europäischen Gremien auch wahrzunehmen. Das Europäische
Parlament sei für alle Themen offen und um eine Intensivierung
der Kontakte auf sämtlichen Ebenen bemüht. Bereits jetzt
kooperierten die Ausschüsse der Parlamente, und die
BerichterstatterInnen der Ausschüsse seien gerade dabei, ein
enges Kontaktnetz aufzubauen. Buzek hielt es ferner für
notwendig, dass sich die nationalen Parlamente auch im Bereich
der Verteidigung, der Sicherheit und der Außenpolitik besser
koordinieren.
Der EP-Präsident ging auch kurz auf die Europäische
Bürgerinitiative ein, die ab 2013 eingeführt wird. "Wir sollten
diese aktiv fördern", sagte er, "und die BürgerInnen dazu
bringen, mehr persönlichen Einfluss auf den europäischen
Entscheidungsprozess auszuüben".
Die Rotation der Präsidentschaft in der EU hielt Buzek für
wichtig und stellte fest, dass der Präsidentschaft innerhalb der
europäischen Gesetzgebung eine zentrale Bedeutung zukomme. Das
Europäische Parlament nehme seine gestärkte Verantwortung wahr
und arbeite eng mit dem Rat zusammen. Das sei auch notwendig,
denn nunmehr hätte das Europäische Parlament bei über 90% aller
EU-Gesetzesvorschläge das Recht der Mitbestimmung, hielt er fest,
während dies früher nur bei 40% der Fall gewesen sei. Man habe
aber in der Form der Zusammenarbeit noch Verbesserungen in
Angriff zu nehmen, die ungarische Präsidentschaft habe dazu
wichtige Schritte gesetzt.
Einen Schwerpunkt seiner Stellungnahme widmete EP-Präsident Buzek
dem kommenden EU-Finanzrahmen bis 2020. Dabei dürfe man nicht den
Maßstab heutiger Schwierigkeiten anlegen und sollte den Mut
aufbringen, das Budget nicht allzu sparsam zu gestalten,
konstatierte er. Dies deshalb, weil die Strategie 2020 nicht nur
helfen soll, Europa gesunden zu lassen, sondern vor allem auch
dazu beitragen soll, dass Europa in 10 Jahren voll
wettbewerbsfähig ist. Vieles sei auf EU Ebene besser zu lösen,
etwa Fragen der Energie- und der Umweltpolitik. Als eine Stärke
bezeichnete Buzek die Internetverbindungen und forderte dazu auf,
die Synergien von Wissenschaftszentren zu nützen. Für die Zukunft
Europas haben vor allem Wissenschaft und Forschung besondere
Bedeutung, unterstrich Buzek und warb daher für den Vorschlag der
Kommission und des Europäischen Parlaments, mehr Geld in
Forschung, Bildung und Kultur zu investieren.
Buzek verteidigte auch den oft in der Öffentlichkeit kritisierten
Europäischen Außendienst, denn die Bedrohungen der EU kämen in
erster Linie von außen, der Außendienst habe die Aufgabe, diesen
Gefährdungen der EU zu begegnen.
Bis zur Beschlussfassung des Finanzrahmens habe man noch
eineinhalb Jahre Zeit, bemerkte Buzek, doch man müsse bereits
heute intensiv darüber diskutieren, weil jetzt die Grundlagen
dafür gelegt würden. Das EU-Budget werde zu 94,5% für Initiativen
und Aufgaben der Union verwendet, nur 5,5% flössen in die
Verwaltung, versuchte der EP-Präsident der oftmals vorgebrachten
Kritik am EU-Budgetvollzug zu begegnen.
Weitere wichtige aktuelle Themen sind laut EP-Präsident neben
Griechenland auch der Beitritt Kroatiens, der Nahe Osten sowie
die südliche und die östliche Partnerschaft.
Nach diesem Statement hatten die österreichischen
ParlamentarierInnen die Gelegenheit, über anstehende EU-Themen zu
diskutieren.
(Fortsetzung EU-Hauptausschuss)
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