Wien (PK) - Einen neuen Anlauf, die Ergebnisse des Österreich-
Konvents wieder aufzugreifen und auszuloten, welche Vorschläge
umgesetzt werden können, nahm heute der Bundesrat. Dazu lud er in
seinen Ausschuss für Verfassung und Föderalismus den ehemaligen
Präsidenten des Rechnungshofs und Vorsitzenden des Österreich-
Konvents, Franz Fiedler, weiters Volksanwalt Peter Kostelka, den
damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Konvents und
Mitglied der Arbeitsgruppe Verfassungsreform im Bundeskanzleramt,
sowie Rechnungshofpräsident Josef Moser, der ebenfalls
Konventsmitglied war und auch in der Arbeitsgruppe Verwaltung Neu
mitarbeitet, und schließlich Peter Bußjäger, Landtagsdirektor in
Vorarlberg und Direktor des Instituts für Föderalismus.
Die vier Experten begrüßten unisono die Initiative der
Länderkammer und waren sich darin einig, dass es realistischer
Weise eine große Verwaltungs- und Verfassungsreform nicht geben
werde, und dass dies nur in Teilschritten möglich sein könne.
Übereinstimmend hielten sie die Reform der Schulverwaltung und
des Gesundheitssektors für dringend erforderlich. Ebenso traten
sie für die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein.
Präsident Moser machte in seinem Statement auf die dramatische
Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden aufmerksam und hielt
ein Aufschieben von Reformen für "grob fahrlässig".
Fiedler: Bundesrat sollte aufgewertet werden
Präsident Franz Fiedler unterstrich in seiner Stellungnahme, das
Mandat des Konvents sei es gewesen, Vorschläge für eine
grundlegende Staats- und Verfassungsreform als Voraussetzung für
eine effiziente Verwaltung zu erarbeiten, das bedeute, die Reform
sollte zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Für ihn ist es
vor allem erforderlich, eine neue Kompetenzverteilung zwischen
Bund und Ländern zu erreichen, und zwar in Form von "sinnvoll
abgerundeten Kompetenzfeldern".
Er machte sich insbesondere für die Aufwertung des Bundesrats
stark. Diesem sollte ihm zufolge das Recht der Mitberatung in
Ausschüssen und Unterausschüssen des Nationalrats eingeräumt
werden. Fiedler regte auch an, den Bundesrat nach deutschem
Modell umzustrukturieren, wo die Abstimmung nach Bundesländern
erfolgt.
Weiters sprach sich Fiedler für die Erstellung eines
geschlossenen Grundrechtskatalogs aus und meinte, die noch immer
zahlreich bestehenden Verfassungsbestimmungen in einfachen
Gesetzen seien entweder in das B-VG zu inkorporieren oder
aufzuheben oder zu einfachen Gesetzen umzufunktionieren. Ein
weiterer Wildwuchs müsse auf alle Fälle verhindert werden,
forderte er.
Kostelka: Parallele Schulverwaltung ist unerträglich
Volksanwalt Peter Kostelka schloss sich der Forderung nach eine
neuen Kompetenzverteilung voll inhaltlich an. Besonders
unerträglich befand er die Parallelität zwischen Bundes- und
Landesschulverwaltung als ein "Überbleibsel eines ehemaligen
Kulturkampfs". Seiner Meinung nach sollten Bezirks- und
Landesschulräte abgeschafft und Bildungsdirektionen installiert
werden. Auch bei der Gesundheitsreform seien baldige Schritte
notwendig, meinte Kostelka, und wie auch auf den nächsten
Finanzausgleich hin.
Die Einrichtung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit hätte ihm
zufolge den positiven Effekt, dass die zweite Instanz völlig
entpolitisiert wird.
Aus seiner Erfahrung als Volksanwalt plädierte er vor allem für
die Vereinheitlichung von sozialen Leistungsansprüchen, etwa in
Bezug auf die Mindestsicherung, im Bereich der Jugendwohlfahrt
und im Zusammenhang mit der Unterstützung behinderter Menschen.
Trotz der 15a-Verträge würden sich die Leistungsansprüche immer
weiter auseinanderentwickeln, kritisierte er scharf und fügte
hinzu, in diesem Zusammenhang von einem Wettbewerb der Ideen zu
sprechen, sei mehr als zynisch.
Bußjäger: Gesundheitsplattformen zu Entscheidungsträgern
aufwerten
Auch Peter Bußjäger trat vehement für die Abschaffung der
Doppelgleisigkeit in der Schulverwaltung ein und teilte die
Forderung nach Abschaffung der Bezirks- und Landesschulräte und
nach Einrichtung von Bildungsdirektionen. Was die
Gesundheitsreform betrifft, so sollten seiner Meinung nach die
Gesundheitsplattformen zu Entscheidungsträgern aufgewertet
werden. Bußjäger konnte sich auch vorstellen, dass der Bund die
Kompetenz übertragen bekommt, bestimmte Bereiche des
Gesundheitssystems durchgehend zu regeln.
Um Synergien nutzen zu können, schlug Bußjäger in weiterer Folge
vor, die Vielzahl bestimmter Bundes- und Landesbehörden
zusammenzufassen und in die Bezirksverwaltung oder in die Ämter
der Landesregierung zu integrieren. Durch die mittelbare
Bundesverwaltung bliebe dem Bund die Steuerung erhalten, erklärte
er. Ebenso sollte seiner Ansicht nach die Vielzahl der
Sonderbehörden in neun Landesverwaltungsgerichte und in ein bis
maximal zwei Bundesverwaltungsgerichte zusammengeführt werden.
Grundsätzlich stellte Bußjäger fest, Österreich benötige keine
neue Verfassung, das B-VG bilde eine gute Grundlage für die
Republik, es sei aber "renovierungsbedürftig".
Moser: Der Aufschub von Reformen wäre grob fahrlässig
Angesichts der Schuldenentwicklung der einzelnen
Gebietskörperschaften hielt Rechnungshofpräsident Josef Moser ein
eindringliches Plädoyer für eine Verfassungs- und
Verwaltungsreform. Seit 2007 hätten sich die Gesamtverschuldung,
die Haftungen des Bundes und die Belastungen für kommende
Finanzjahre drastisch erhöht. Wenn sich der Trend fortsetze,
müsse man in zehn Jahren mit einer Neuverschuldung von 90 Mrd.
Euro rechnen, was man sich nicht leisten könne. Die Zunahme der
Verschuldung betrage bei den Ländern 89% und bei den Gemeinden
61%, rechnete Moser vor, wobei einige Länder gut wirtschafteten,
andere jedoch vor ernsthaften Problemen stünden.
Als eine tickende Bombe bezeichnete Moser die Budgets der
Gemeinden, da aufgrund der zahlreichen Auslagerungen nicht sofort
ersichtlich sei, wie die finanzielle Situation der einzelnen
Gemeinden tatsächlich aussieht. Große Einsparungspotenziale sah
der Rechnungshofpräsident ebenfalls in der Schulverwaltung und im
Gesundheitsbereich und bezeichnete die Entwicklung der Pensionen
als bedenklich. Die Leistung des Bundes komme nicht bei den
PatientInnen an, sondern versickere in der Struktur, kritisierte
er.
"Wir haben enorme Probleme, für diese liegen jedoch
Lösungsansätze am Tisch", betonte Moser mit Nachdruck, es fehle
aber am politischen Willen. Keine Reformen in die Wege zu leiten,
sei "grob fahrlässig", so sein Befund. (Schluss)
Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272, Fax. +43 1 40110/2640
e-Mail: pk@parlament.gv.at, Internet: http://www.parlament.gv.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA