- 20.05.2011, 10:33:37
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PR-Ethik-Rat präsentiert Studie über Schleichwerbung in Österreich
Problematische Beiträge in allen Zeitungen - Novellierung des Mediengesetzes gefordert
Wien (OTS) - Nachdem der Österreichische Ethik-Rat für Public
Relations bereits im Jahr 2009 ein Positionspapier zum
Dauerbrenner-Thema "Kennzeichnung entgeltlicher Einschaltungen"
veröffentlicht hat, präsentiert er nun eine umfassende Studie über
"Schleichwerbung in Österreich".
Untersucht haben die Kommunikationswissenschafterinnen Katja
Horninger, Zlatka Pavlova und Ursula Seethaler die verschiedenen
Erscheinungsformen von Schleichwerbung sowie typische unzulässige
Bezeichnungen für entgeltliche Einschaltungen in Qualitäts-,
Boulevard-, Gratis- und Regionalzeitungen sowie in drei
auflagenstarken Magazinen: Die Presse, Der Standard, Kronen Zeitung,
Heute, Österreich, Kleine Zeitung, Vorarlberger Nachrichten,
Oberösterreichische Nachrichten, Tiroler Tageszeitung,
Niederösterreichische Nachrichten, profil, Format und Woman.
Erhebungszeitraum war Oktober 2010. Insgesamt wurden 550 Beiträge
gesichtet, 325 davon waren kritisch im Sinne der Fragestellung.
Acht Typen von Schleichwerbung
Neben dem Problembereich "Kennzeichnung" wurden acht Typen von
Schleichwerbung identifiziert: Umfeldjournalismus (redaktioneller
Beitrag ist inhaltlich mit benachbarter Werbung verbunden),
Eigenmarketing der Medien (Werbeeffekt für darin zu Wort kommende
Unternehmen ist stärker als für das Medium selbst), Gewinnspiele
(Gewinn wird werbend und nicht sachlich vorgestellt), Kooperationen
und Sponsoring (redaktioneller Inhalt wird vom Sponsor beeinflusst),
Produktvorstellungen (werbende Botschaft steht im Vordergrund),
Produktplatzierungen (Produkt wird im Kontext mit einem anderen Thema
besonders günstig dargestellt), Darstellung von Organisationen
(günstige Präsentation in nicht sachgerechter Weise und ohne
öffentliches Interesse) und Platzierung von Unternehmen bzw.
Organisationen (Unternehmen wird im Kontext mit einem anderen Thema
in werbender Weise präsentiert).
Werbung passt sich an journalistisches Umfeld an
Größtes Problem für die Leser ist die Anpassung von redaktionellen
Anzeigen an das journalistische Umfeld. Selbst wenn sie in zulässiger
Form gekennzeichnet sind (was bei zwei Dritteln der kritischen
Beiträge der Fall war), lassen sie sich aufgrund der gestalterischen
Ähnlichkeit kaum von regulären journalistischen Beiträgen
unterscheiden. Diese Ähnlichkeit wird über Schriftgröße, -farbe und
-art hergestellt, auch verwendete grafische Elemente stammen aus dem
redaktionellen Layout. Die Kennzeichnungen sind oft sehr klein und
durch die Positionierung an den Rändern oder am Ende des Textes kaum
sichtbar.
Weit verbreitet: falsche Kennzeichnungen
Begriffe, die von der gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnung
("Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung") abweichen,
werden vor allem bei Spezial-Seiten, Serien, Strecken und
Sonderbeilagen eingesetzt. Beispiele: "Mit freundlicher Unterstützung
von ...", "Eine Initiative von ...", "In Kooperation mit ...",
"Bezahlte Sonderbeilage", "Promotion", "Dieses Special wird
finanziell unterstützt von ...", "Die redaktionelle Verantwortung
liegt ausschließlich bei ...", "In Zusammenarbeit mit ...", "Eine
Veranstaltungsreihe von ...". Solche Kennzeichnungen sind überdies
oft kaum sichtbar und die Kooperationspartner werden unkritisch
positiv dargestellt.
Problemressorts: Reisen, Wellness, Essen und Gesundheit
Nicht korrekt deklarierte redaktionelle Inserate finden sich vor
allem in den Ressorts Reisen, Wellness, Essen & Trinken sowie
Gesundheit. Artikel dieser Art wurden vermehrt in der Krone, in
Heute, Österreich, Format und den Vorarlberger Nachrichten gefunden.
Ein besonderes Problem ist Schleichwerbung beim Thema Gesundheit.
"Hier ist unserer Ansicht nach der Leser besonders zu schützen,"
meint Co-Autorin Ursula Seethaler. "Bei nicht gekennzeichneten
Anzeigen zum Thema Gesundheit kann man von einer deutlichen
Grenzüberschreitung ethischer Grundsätze journalistischen Handelns
sprechen."
Umfeldjournalismus verwischt die Grenzen
Sonderwerbeformen wie Sonderbeilagen oder Themenstrecken dienen
vor allem dazu, inseratenfreundliche Umgebungen zu speziellen Themen
zu schaffen. In diesen Beilagen ist völlig unklar, ob redaktionelle
Artikel eingebaut oder die Seiten vollständig aus bezahlten Beiträgen
bestehen. Alles ist an das redaktionelle Erscheinungsbild des Mediums
angepasst.
Vorsicht geboten ist auch bei Leser- oder Reiseclubs. Es werden
Veranstaltungen, Bücher, Reisen etc. zu günstigen Konditionen
angeboten. Aufgrund der "redaktionellen" Gestaltung wird diese
Präsentationsform nicht primär als Produktwerbung wahrgenommen.
Durchwegs positiv und unkritisch dargestellt werden Unternehmen im
Rahmen von Kooperationen. Die werblichen Interessen werden dadurch
verschleiert. Hinweise, dass der "redaktionelle" Artikel aufgrund
einer Kooperation zu Stande gekommen ist, finden sich oft am Ende des
Textes in unlesbar kleiner Schrift.
PR-Ethik-Rat fordert Anpassung des Mediengesetzes
Die rechtliche Regelung für die Kennzeichnung bezahlter
Einschaltungen in Österreich ist Jahrzehnte alt. Seither hat sich der
Medienmarkt dramatisch verändert. "Nach Meinung von Experten ist der
§ 26 MedienG totes Recht. Wir wollen lebendiges Recht", so der
Vorsitzende des Österreichischen PR-Ethik-Rats, Wolfgang
Langenbucher. "Im Interesse der Konsumenten erachten wir eine
Anpassung der Regelungen für die Kennzeichnung entgeltlicher
Einschaltungen an die Realität der Medienlandschaft für
unerlässlich", so Langenbucher.
Zur Eindämmung von Schleichwerbung sieht der Ethik-Rat eine Reihe
von Maßnahmen vor, die auf eine Änderung des Mediengesetzes
hinauslaufen: Erweiterung des § 26 im Sinne einer "deutlichen" und
"gut sichtbaren" Kennzeichnung, eine eigene Regelung für
Medienkooperationen sowie einen erhöhten Strafrahmen für nicht
deklarierte Werbung.
Ebenfalls erforderlich wären Richtlinien für Printmedien und
elektronische Medien, die als Handlungsanleitung und
Orientierungshilfe bei der Umsetzung der Kennzeichnungspflicht
dienen. Mit Wirkungsstudien ließe sich genauer feststellen, wie sich
die Wahrnehmungsgewohnheiten der Medienkonsumenten geändert haben und
welche Faktoren dazu beitragen, dass Schleichwerbung in Medien
erkannt oder nicht erkannt wird. "Die Konsequenz unserer Empfehlungen
ist eine Novellierung des § 26 MedienG. Dazu ist die Politik
aufgerufen, aber auch wir werden uns die Freiheit nehmen, weiter
darüber nachzudenken", so Langenbucher.
Arbeit des PR-Ethik-Rats
Als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der heimischen
PR-Fachleute überwacht der 2008 gegründete PR-Ethik-Rat die
Einhaltung ethischer Grundsätze in der Öffentlichkeitsarbeit,
untersucht Streitfälle, benennt Missstände und zeigt Fehlverhalten
auf. Im Vorjahr sind beim Rat insgesamt elf Beschwerden eingegangen.
In zwei Fällen ging es um Verstöße gegen § 26 MedienG bzw. §§ 9 und
10 des Ehrenkodex des PRVA - also die Kennzeichnung entgeltlicher
Veröffentlichungen. Eine Beschwerde hatte die unethische Behandlung
eines Journalisten durch einen PR-Berater zum Thema. In einem Fall
ging es um Verletzung der Sorgfaltspflicht bei der Konzepterstellung
durch eine PR-Agentur. Sieben Beschwerden wurden wegen
Unzuständigkeit an den Werbe- bzw. den Presserat verwiesen.
Seit Beginn seiner Arbeit hat der PR-Ethik-Rat insgesamt 19 Fälle
behandelt. "Wir greifen auch von uns aus Fälle auf, würden uns aber
wünschen, dass mehr Beschwerden an uns herangetragen werden", sagt
Renate Skoff, stv. Vorsitzende des Ethik-Rats. "Die PR-Branche hat
eine breite Basis an hochprofessionellen Beratern und Agenturen. Da
muss es ein Interesse geben, Verfehlungen aufzuzeigen und zu ahnden.
Die Imageprobleme der Branche können nur in gemeinsamer Anstrengung
behoben werden - und dazu gehört Transparenz, was solide PR-Arbeit
ist und was nicht."
Die Erkenntnisse der Studie werden die Arbeit des Rates im Jahr
2011 bestimmen. Dazu gehören die Erarbeitung weiterer Materialien,
ein verstärkter Austausch zu §26-Fragen mit dem neu gegründeten
Presserat und die Fortsetzung der Gespräche mit Institutionen wie dem
Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), der
Industriellenvereinigung und der Arbeiterkammer.
Rückfragehinweis:
Wolfgang R. Langenbucher (Vorsitzender): +43 (0)664 58 96 091
Renate Skoff (stv. Vorsitzende):
Tel.: +43 (0)664 337 02 84, +43 (1) 505 26 25-60,
E-Mail: office@prethikrat.at
Website: www.prethikrat.at
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