• 04.05.2011, 18:37:19
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Breite Zustimmung für Einführung eines Ethikunterrichts Parlamentarische Enquete wird mit Diskussion fortgesetzt

Wien (PK) - Nach den Impulsreferaten wurde die Parlamentarische
Enquete zum Thema Werteerziehung durch Religions- und
Ethikunterricht mit einer ersten Experten-Diskussionsrunde
fortgesetzt. Das Panel dafür bildeten der Sozialwissenschaftler Kurt
Greussing, die beiden Bildungsexperten Karl Heinz Auer und Martin
Kühnl sowie die Lebens- und Sozialberaterin Maria Neuberger-Schmidt.
Nicht nur sie wiesen auf die Notwendigkeit hin, in den Schulen
gezielt Werte zu vermitteln, auch in der weiteren Diskussion stieß
die Forderung nach Einführung eines Unterrichtsfachs "Ethik" auf
breite Zustimmung. Allerdings waren sich die
DiskussionsteilnehmerInnen uneinig, ob es einen verpflichtenden
Ethikunterricht für alle SchülerInnen geben solle oder nur für jene,
die keinen Religionsunterricht besuchen. Auch die Finanzierungsfrage
blieb unbeantwortet.

Auer: Ethikunterricht endlich ins Regelschulwesen überführen

Karl Heinz Auer, Professor an der Pädagogischen Hochschule Tirol,
sprach sich dezidiert für die Einführung eines Ethikunterrichts aus
und meinte, nach 14 Jahren Schulversuch sei es an der Zeit, das
Unterrichtsfach im Regelschulwesen zu verankern. Die Schulen hätten
die Aufgabe, Grundwerte wie Demokratie, Humanität, Gewaltfreiheit,
Offenheit und Toleranz zu vermitteln. Dieser Bildungsauftrag gelte
auch gegenüber jenen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht
besuchten.

Auer wandte sich allerdings dagegen, für alle Schülerinnen und
Schüler einen verpflichtenden Ethikunterricht einzuführen. Dies
würde zu einer empfindlichen Schwächung des Religionsunterrichts und
dessen Integrationskraft führen, warnte er. Schließlich vermittle
nicht nur der Ethikunterricht, sondern auch der Religionsunterricht
Werte und Orientierung und stelle den Menschen in den Mittelpunkt.
Die weltanschauliche Neutralität des Staates schließe, so Auer, eine
Kooperation mit den Religionsgemeinschaften nicht aus. Die gebotene
Pluralität finde ihren Ausdruck in der Vielfalt der
Religionsunterrichte.

Kühnl: Religionsunterricht und Ethikunterricht haben gleiche Ziele

Martin Kühnl, Institut für Bildungswissenschaft der Universität
Wien, nahm zum Thema der Enquete aus Sicht eines Ethiklehrer-
Ausbildners Stellung. Seiner Ansicht nach gibt es nur einen
scheinbaren Widerspruch zwischen Religions- und Ethikunterricht. In
den Schulen herrsche seiner Erfahrung nach eher ein "liebevoller
Streit" über die beste Art und Weise, SchülerInnen Orientierung in
Sinnfragen zu vermitteln, meinte er. Die "wahre Antithese" zum
Ethikunterricht sei der "Konsumismus" und "die Haltung eines
Achselzuckens in Wertefragen".

Als besonders wichtig wertete Kühnl die Lehrerauswahl für den
Ethikunterricht. Er plädierte für den Einsatz erfahrener
PädagogInnen. Was den Inhalt des Ethikunterrichts betrifft, ist man
ihm zufolge mit den bestehenden Lehrplänen für die Schulversuche auf
einem guten Weg.

Greussing: Offene Gesellschaft muss Werte immer wieder neu
verhandeln

Auch der Sozialwissenschaftler Kurt Greussing sprach sich für die
Einführung eines Ethikunterrichts an Schulen aus. In einer offenen
Gesellschaft gebe es kein zentrales "Sinnreservoir", aus dem man
sich anstandslos bedienen könne, meinte er. Deshalb sei es
notwendig, verbindliche Werte, die die Gesellschaft zusammenhalten,
immer wieder neu zu finden und auszuverhandeln. Gerade in einer
multiethnisch, multikulturell und multireligiös verfassten
Gesellschaft sei dies eine große Herausforderung. Ein allgemein
verbindliches Pflichtfach in den Schulen könnte nach Meinung von
Greussing ein zentraler Ort für Wertevermittlung sein.

Greussing wandte sich allerdings strikt dagegen, den Ethikunterricht
als Ersatz bzw. als Konkurrenz zum Religionsunterricht zu
konzipieren. Von einem "Religionen- und Weltanschauungsunterricht"
erwartet er sich vielmehr einen soziologischen Blick auf die
verschiedenen Glaubensrichtungen. Es solle nicht um Glaubensfragen,
sondern um die Funktion von Religion gehen. Konfessionell gebundener
Unterricht würde seiner Ansicht nach dazu tendieren, die eigene
Religion in den Mittelpunkt zu stellen.

Neuberger-Schmidt: Ethik und Religion nicht gegeneinander ausspielen

Lebens- und Sozialberaterin Maria Neuberger-Schmidt, Gründerin und
Obfrau des Vereins Elternwerkstatt, schilderte, ihr Anlass, sich mit
dem Thema Ethikunterricht zu beschäftigen, sei die eigenhändige
Abmeldung ihres Sohnes vom Religionsunterricht gewesen. Sie sieht
eine große Übereinstimmung zwischen den ExpertInnen, was die
Forderung nach Einführung eines Ethikunterrichts betrifft. Offen sei
allerdings die Frage, ob er anstelle des Religionsunterrichts oder
zusätzlich zum Religionsunterricht eingeführt werden solle. Es gebe
viele Pros und Kontras, meinte sie.

Neuberger-Schmidt selbst trat dafür ein, die SchülerInnen wahlweise
zu verpflichten, einen konfessionell gebundenen Unterricht oder
einen Ethikunterricht zu besuchen. Der Religionsunterricht sei heute
sehr weltoffen und pluralistisch, es gebe sehr positive
Rückmeldungen, argumentierte sie. Ethik und Religion sollten nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Als wichtige Aufgabe des
Ethikunterrichts wertete Neuberger-Schmidt die theoretische
Reflexion: es gehe darum zu erkennen, warum man in einer bestimmten
Art handle und wie man denke.

Positive Erfahrungen mit Schulversuchen

Im Rahmen der allgemeinen Diskussion wies Dieter Braunstein auf die
positiven Erfahrungen hin, die er als Schuldirektor mit dem vor 14
Jahren begonnen Schulversuch "Ethikunterricht" gemacht habe. Der in
seiner Schule angebotene alternative Pflichtgegenstand werde von den
SchülerInnen und den Eltern nicht nur akzeptiert, sondern auch
eingefordert, bekräftigte er und wertete es in diesem Sinn als
höchst an der Zeit, nach 14 Jahren Schulversuch das Pflichtfach
Ethik flächendeckend einzuführen. Derzeit müsse jede einzelne
Werteinheit für den Ethikunterricht durch Streichung anderer
Unterrichtsangebote erkämpft werden, kritisierte Braunstein.

Universitätsprofessor Peter Kampits sprach sich ebenfalls
ausdrücklich für die Einführung eines Ethikunterrichts aus.
Budgetäre Probleme dürften dem nicht entgegenstehen, mahnte er.
Gerade durch die Technisierung und die Verwissenschaftlichung des
Lebens sei ein "ungeheurer Bedarf" an angewandter Ethik entstanden.
Überdies sei eine zunehmende Bereitschaft von Jugendlichen zu
aggressiver und grundloser Gewalt festzustellen. Der Argumentation
Liessmanns könne er einiges abgewinnen, sagte Kampits, die
Diskussion dürfe aber nicht in ein "Entweder-Oder" bzw. ein
Gegeneinander zwischen Religion und Ethik ausarten.

Michael Jahn schloss sich den Ausführungen von Dieter Braunstein an
und berichtete ebenfalls von positiven Erfahrungen in der Praxis mit
dem Schulversuch Ethik. An seiner Schule habe man sich für eine
gemeinsame Zeitschiene entschieden, die sehr gut funktioniere,
skizzierte er. Konfessioneller Unterricht und Ethikunterricht finde
in allen sechsten Klassen zur gleichen Zeit statt und werde zum Teil
gemeinsam abgehalten. Die SchülerInnen lernten, zu argumentieren, zu
tolerieren und einander Reibebaum zu sein.

FPÖ-Abgeordnete Anneliese Kitzmüller zeigte sich hingegen in Bezug
auf die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterricht skeptisch.
Sie fürchtet, dass jene, die sich weiter für den Religionsunterricht
entscheiden, benachteiligt würden. Der Religionsunterricht müsse
weiter bestehen bleiben wie bisher, bekräftigte sie. Kitzmüller
plädierte allerdings dafür, den Religionsunterricht zeitgemäßer zu
gestalten.

Oberhummer drängt auf weltanschaulich neutralen Ethikunterricht

Der Physiker Heinz Oberhummer wandte sich strikt dagegen,
konfessionsfreie ÖsterreicherInnen als BürgerInnen zweiter Klasse zu
sehen. In diesem Sinn trat er für die Etablierung eines
weltanschaulich neutralen Ethikunterrichts ein, der von allen
besucht werden müsse und von ausgebildeten Philosophen unterrichtet
werde. Ihm erschließe sich das Argument, dass nur jene, die sich vom
konfessionellen Religionsunterricht abmelden, zum Ethikunterricht
verpflichtet werden sollen, nicht, sagte er. Oberhummer kritisierte
auch die Einladung von zahlreichen Vertretern der
Religionsgemeinschaften zur heutigen Enquete.

Karl Schiefmair trat als Vertreter der evangelischen Kirche für die
flächendeckende Einführung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe
II ein. Die evangelische Kirche befürchte zwar, dass ein solcher
Schritt auf eine Schwächung des konfessionellen Religionsunterricht
hinauslaufe, sagte er, es sei aber notwendig, SchülerInnen, die sich
vom Religionsunterricht abgemeldet haben, Werte zu vermitteln. Zu
den Einleitungsreferaten merkte Schiefmair an, der Ethikbegriff
eines Albert Schweitzer habe nichts mit dem Ethikbegriff von Konrad
Paul Liessmann zu tun.

Bildungsexpertin Anita Kitzberger hielt fest, die Realität einer
pluralistischen Gesellschaft sei längst an den Schulen angekommen.
Viele SchülerInnen würden nicht am Religionsunterricht teilnehmen,
konstatierte sie, es solle aber für alle SchülerInnen die
Möglichkeit geben, sich mit relevanten Dingen des Lebens zu
beschäftigen. Damit der Ethikunterricht nicht "zu einem Schauplatz
ideologischer Kämpfe wird", plädierte Kitzberger für ein eigenes
Studium an den Universitäten mit einem eigenen Curriculum.

Friesl: Ethikunterricht darf keine Moral- und Sittenlehre sein

Seitens der Industriellenvereinigung sprach sich
Universitätsprofessor Christian Friesl für einen verpflichtenden
Ethikunterricht für alle jene aus, die keinen konfessionellen
Religionsunterricht besuchen. Der Bedarf an Wertebildung und
ethischer Bildung sei groß, bekräftigte er. Ethikunterricht dürfe
aber keine Morallehre und keine Sittenlehre sein. Friesl plädierte
gleichzeitig dafür, Religionsunterricht als Vermittler von Ethik zu
respektieren und das in den Lehrplänen entsprechend zu
berücksichtigen.

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) hob die Bedeutung des
Religionsunterrichts für die Vermittlung von Werten hervor und
meinte, der Glaube sei immer noch ein sehr starkes Element in der
österreichischen Gesellschaft, auch wenn die Zahl der Christen
rückläufig sei. Ihm zufolge sind es die konstanten Werte, die die
Menschen "groß gemacht" haben. Durch die Vermittlung einer Vielfalt
von Wertevorstellungen in einem Ethikunterricht droht Karlsböck
zufolge dem gegenüber Beliebigkeit. Alles sei gleich gut, alles sei
gleich gültig, letztlich sei dann vielleicht alles gleichgültig,
warnte er.

Abgeordnete Alev Korun (G) hielt es für wichtig, dass sich Kinder
und Jugendliche mit verschiedenen Religionen und Wertetraditionen
auseinandersetzen können und plädierte nachdrücklich dafür, den
Ethikunterricht in den Regelunterricht zu übernehmen. Besonders
wichtig sei dies für Kinder aus gemischt religiösen Familien. "Wir
brauchen einen regulären Ethikunterricht für alle Schüler, egal aus
welcher Religionsgemeinschaft sie kommen", unterstrich Korun.

Glaubensgemeinschaften einig: Religionsunterricht ist wichtig

Amena Shakir (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich)
bezweifelte, dass Menschen, die Religionen nur von außen betrachten,
über deren Werteangebot tatsächlich Auskunft geben können und
unterstrich die Notwendigkeit, Ethiklehrer umfassend auszubilden.
Der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen sei auch deshalb
wichtig, damit die SchülerInnen nicht nur die verschiedenen
Religionen und Weltanschauungen kennenlernen, sondern ihren eigenen
Standpunkte erfahren und ausbilden können. Dies erst befähige sie
dazu, sich einer Gemeinschaft angehörig fühlen zu können.

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) unterstrich die
Bedeutung des Religionsunterrichts für eine wertorientierte Bildung
der Kinder und das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer
pluralistischen Gesellschaft. Das Modell des Ethikunterrichts hat
sich in Wien sehr gut für jene SchülerInnen bewährt, die sich aus
dem Religionsunterricht abmelden. Junge Menschen brauchten
Unterstützung bei ihrer Suche nach Antworten auf die Fragen: Woher
komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich? Der Ethikunterricht könne
sie dabei unterstützen und solle für jene SchülerInnen verpflichtend
eingeführt werden, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen.

Metropolit Michael Staikos (orthodoxe Kirchen Österreich) sprach für
400.000 orthodoxe Christen in Österreich, für die eine Integration
in ihre neue Heimat ohne Religion und Kirche nicht möglich sei. Für
die Mehrheit der Orthodoxen in Österreich sei der
Religionsunterricht ein wichtiger Faktor bei der Identitätsbildung
der jungen Menschen. Ein Ethikunterricht ohne Kirche sei für ihn
nicht denkbar, sagte der Metropolit.

Jütte: Ethikunterricht darf nicht an Kostenfrage scheitern

Heidi Jütte (Familienbund) betonte die Notwendigkeit, soziale und
persönliche Kompetenzen der Kinder zu entwickeln, erst in der
Familie und dann auch in der Schule. Da der Ethikunterricht dazu
beitrage, soll der Schulversuch Ethikunterricht in den
Regelunterricht übernommen werden. Dieses Ziel dürfe nicht an
Kostengründen scheitern. Je pluralistischer die Gesellschaft werde,
desto wichtiger werde die Werterziehung, von der letztlich auch das
Funktionieren der Demokratie und die Zukunft der Gesellschaft
abhängen.

Chorbischof Emanuel Aydin (Syrisch-orthodoxe Kirche in Österreich)
sprach die Befürchtung aus, ein verpflichtender Ethikunterricht
könnte eines Tages den Religionsunterricht ersetzen. Die Kinder
brauchten aber die Unterstützung ihrer Werteentwicklung durch die
Religionen. Das gelte ganz besonders für MigrantInnen. Die Kirchen
geben ihnen Lebensmittelpunkt und Sicherheit in der ihnen zunächst
noch fremden neuen Heimat. Die religiösen Gemeinden bemühten sich um
die Integration ihrer Mitglieder in die österreichische Gesellschaft
im Zeichen der Nächstenliebe und des Respekts gegenüber allen
Menschen. Daher soll der Religionsunterricht auch in Zukunft eine
wichtige Rolle an den Schulen haben, schloss Aydin.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) bekannte sich nachdrücklich zur
Trennung von Kirche und Staat. Den laizistischen Staat ernst zu
nehmen, könne nur heißen, den Ethikunterricht in den Schulen
einzuführen und den SchülerInnen Gelegenheiten zu geben, sich mit
den Grundwerten auseinanderzusetzen. Die Grünen wollen einen
verpflichtenden Ethikunterricht, der Auseinandersetzung mit
Weltanschauungen und Religionen bietet. Das ist etwas anderes als
Religionsunterricht. Daher bedauerte die Rednerin, dass der
Finanzrahmen die Einführung eines flächendeckenden Ethikunterrichts
nicht zulässt.

Anas Schakfeh (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich) sah
sich in der Frage des Ethikunterrichts einig mit den anderen Kirchen
und Glaubensgemeinschaften in Österreich einig: Ein Schulfach Ethik
soll den Religionsunterricht nicht ersetzen. Ein zusätzlicher
Ethikunterricht würde aber Mehrkosten verursachen und möglicherweise
dazu führen, dass auf den Religionsunterricht, der nur noch für jene
da sei, die sich nicht abmelden, schließlich aus Ersparnisgründen
verzichtet werden könnte. Anas Schakfeh wandte sich entschieden
gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts. Ein Ethik- und
Religionenunterricht könne einen Religionsunterricht nicht ersetzen,
weil er die Orientierung nicht bieten könne, die eine Religion den
Heranwachsenden bietet.

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G) wandte sich dagegen,
SchülerInnen, die sich vom Religionsunterricht abmelden, zum Besuch
des Ethikunterrichts zu verpflichten. Sie plädierte vielmehr für
einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle einzuführen, die
Teilnahme dürfe nicht davon abhängen, ob ein Schüler
Religionsunterricht habe oder nicht.

Walter Hessler (Neuapostolische Kirche in Österreich) sah als
Verantwortung der Schulen und als Aufgabe des Ethikunterrichts an,
den jungen Menschen Grundlagen und Hilfestellungen für sittliche
Entscheidungen anzubieten. Daher sei der Ethikunterricht für alle
SchülerInnen einzuführen, die keinen Religionsunterricht besuchen
und andererseits der Religionsunterricht für jene SchülerInnen
aufrechtzuerhalten, die einer Religionsgemeinschaft angehören.

Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) begrüßte die heutige
Ethikdebatte im Parlament und wünschte sich deren Fortsetzung. Junge
Menschen suchten Orientierung und den Sinn des Lebens. Es gehe in
der Ethik aber nicht nur um Menschenrechte, sondern auch um
Menschenwürde, daher widersprach der Abgeordnete Konrad Paul
Liessmann, der meinte, Ethik sei nur vernunftbezogen, und trat
seinerseits dafür ein, den Ethikunterricht in der Sekundarstufe
generell einzuführen - aber nicht in Konkurrenz zum
Religionsunterricht.

Kastner für gemeinsamen Ethikunterricht aller SchülerInnen

Andreas Kastner (Bundesarbeiterkammer) bekannte sich zur
Vorbereitung der jungen Menschen auf eine aktive Teilnahme an der
Gesellschaft und auf die Auseinandersetzung mit Werten und
Traditionen. Eine Trennung der jungen Menschen nach den
verschiedenen Religionen sei dabei wenig sinnvoll. Daher sollen alle
jungen Menschen gemeinsam in ihren Schulklassen an einem allgemeinen
Ethikunterricht teilnehmen, der von Lehrern geboten wird, die
speziell dafür ausgebildet werden.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (F) unterstrich die Wahlfreiheit der
Eltern bzw. der SchülerInnen in der Oberstufe und meinte, die
Werteorientierung sei in allen Fächern relevant, auch in den
naturwissenschaftlichen Fächern. Für die erste Werteentwicklung der
Kinder sind die Eltern zuständig, sagte die Rednerin und zeigte sich
skeptisch gegenüber staatlichen Vorgaben in der Werteerziehung. Für
die Verbindlichkeit der Werte sei nicht das Fach Ethik, sondern das
Vorbild der Erwachsenen wesentlich.

Elisabeth Pietsch (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage) unterstrich den Beitrag der Mormonen in Österreich zur
Wertevermittlung in Österreich. Einen verpflichtenden
Ethikunterricht von zwei Stunden pro Monat wünschte sich die
Rednerin für alle SchülerInnen von der ersten Schulstufe an. Das
müsste der Gesellschaft die Vermittlung ihrer konsensualen Werte und
die Integration aller Gruppen wert sein. Vertreter aller Religionen
und Weltanschauungen sollten an der Ausgestaltung des
Ethikunterrichts mitwirken, sagte Pietsch.

Abgeordnete Rosa Lohfeyer (S) wies auf die positiven Erfahrungen mit
dem Schulversuch "Ethikunterricht" hin und unterstrich die
Möglichkeit, im Ethikunterricht die Integration der verschiedenen
Religionen und Kulturen zu unterstützen. Auch könnte der
Ethikunterricht dazu beitragen, gewalttätigen Formen der
Konfliktaustragung und rassistischen Auffassungen den Boden zu
entziehen. Daher sollte ein flächendeckender verpflichtender
Ethikunterricht eingeführt und dafür auch ein eigenes
Lehramtsstudium installiert werden.

Gerhard Weissgrab (Buddhistische Religionsgemeinschaft) sah die
Zukunft in einem Ethikunterricht und einem Religionsunterricht ohne
jede Konkurrenz zueinander. Es gehe um die möglichst frühe Förderung
von Einsicht und des Wissens auf allen Gebieten und um die
Unterstützung der Selbstverantwortung junger Menschen.

Bundesrat Stefan Schennach (S) sah die Aufgabe der Schule neben der
Vermittlung von Wissen in der Vermittlung der Grundlagen des
Zusammenlebens und der sozialen Integration. Dafür brauche man einen
flächendeckenden Ethikunterricht, der mehr zu sein habe als ein
Unterricht für jene, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Es
geht um die Vermittlung der Grundrechte in einer sich rasch und
stark wandelnden Gesellschaft. Die Religionsgemeinschaften brauchten
davor keine Angst zu haben, sagte der Redner und hielt fest, dass
eine Erziehung der Grundwerte nicht an Budgetfragen scheitern dürfe.

Iris Schwarzenbacher (Aktion kritischer Schüler) mahnte die
weltanschauliche Neutralität des Staates ein und verlangte einen
geschützten Raum für die Werteentwicklung der SchülerInnen. Der
Religionsunterricht könne dies nicht gewährleisten, er widerspreche
dem demokratischen Gebot der Trennung von Kirche und Staat. Der
Ethikunterricht solle laut der Schülervertreterin an die Stelle des
Religionsunterrichts treten. Er dürfe nicht "Religion durch die
Hintertür" bieten und hänge hinsichtlich seiner Qualität von der
Ausbildung der dafür zuständigen Lehrer ab. Auch Schwarzenbacher
forderte ein Lehramtsstudium Ethik.

Quin: Pflichtgegenstand "Ethik" für alle würde 160 Mio. € kosten

Eckehard Quin (GÖD) rechnete vor, dass die Einführung eines
flächendeckenden Ethikunterrichts im Vollausbau als alternativer
Pflichtgegenstand 16 Mio. bis 17 Mio. € kosten würde. Für einen
neuen Pflichtgegenstand aller SchülerInnen wären 160 Mio. €
aufzutreiben. Er glaube nicht, dass das Hohe Haus dreistellige
Millionenbeträge in einen flächendeckenden Ethikunterricht
investieren werde. Religionslehrer will Quin, der für die Einführung
des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II plädierte, nicht vom
Ethikunterricht ausschließen.

Horst Schachtner (GÖD) sprach als Religionslehrer und Leiter einer
Berufsschule und sah die Bedeutung des Religionsunterrichts in der
Entwicklung eines Standpunktes, der junge Menschen befähige, an
ethischen Dialogen teilzunehmen. Der Religionsunterricht sei
notwendig, der Ethikunterricht eine Alternative für SchülerInnen,
die am Religionsunterricht nicht teilnehmen.

Isabella Zins (GÖD) zeigte sich besorgt, dass trotz aller schönen
Worte über einen verpflichtenden Ethikunterricht dessen Einführung
"am schnöden Mammon" scheitern könnte. Es sei nicht realistisch,
diesen Gegenstand für alle SchülerInnen einzuführen. Er soll allen
SchülerInnen als Alternative zum Religionsunterricht angeboten
werden, "damit die Alternative zum Religionsunterricht nicht
Kaffeehaus heißt", schloss die Rednerin pointiert.

Vertreter der Parlamentsfraktionen beziehen Stellung

Abgeordneter Elmar Mayer (S) meinte es sei in der Diskussion gut
gelungen, Einblick zu gewinnen, was die Schulen brauchen. Der
Ethikunterricht stehe außer Streit, offen sei nur die Frage, wie er
organisiert und finanziert werden soll. Dabei wies der Redner auf
nicht abgerufene Mittel für den Religionsunterricht hin, die derzeit
noch für andere Zwecke ausgegeben werden. Wir wollen einen
Ethikunterricht, der selbstständig vom Staat mit speziell
ausgebildeten Lehrern nach einem einheitlichen Lehrplan angeboten
wird. Bei diesem Ziel sah Mayer die Politik gefordert.

Auch Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V) sah die Enquete positiv und
hielt die Vermittlung ethischer, religiöser und sozialer Werte in
einer pluralistischen Gesellschaft für wichtig. Alle SchülerInnen
sollen Zugang zur Wertevermittlung haben, auch jene, die sich vom
Religionsunterricht abmelden. Sie brauchen einen alternativen
Ethikunterricht, wie er sich in Schulversuchen bereits bewährt hat.
Ausländerfeindliche Stereotype könnten abgebaut und die
Integrationsbereitschaft gestärkt werden. Es geht um persönliche
Entwicklung und gesellschaftliche Orientierung der jungen Menschen
und um die Vorbereitung auf schwierige Situationen in ihrem Leben.
Fuhrmann plädierte für eine gute Zusatzausbildung der Lehrer in
Pädagogischen Hochschulen und für die Einführung eines
Ethikunterrichts auf der Sekundarstufe II für SchülerInnen, die
nicht am Religionsunterricht teilnehmen, als Pflichtgegenstand.

Für Abgeordneten Andreas Karlsböck (F) stehen Religionsunterricht
und Ethikunterricht in Konkurrenz zueinander, wenn sie als
Alternative eingeführt werden. Es sollte möglich sein, auch in
beiden Fächern unterrichtet zu werden. Die Frage, ob
Religionsunterricht oder Ethikunterricht angeboten wird, könnten
auch die Schulpartner im Rahmen der Schulautonomie entscheiden,
schlug der Redner vor. Die Religionen sind jedenfalls Teil des
kulturellen Erbes und daher soll der Religionsunterricht so lange
Teil des öffentlichen Unterrichts bleiben, solange dies die Kirchen
wollen, hielt Karlsböck fest und erteilte allen Versuchen, den
Religionsunterricht sukzessive abzuschaffen, eine Absage. Ethische
Ansprüche müssen laut Andreas Karlsböck ohnehin alle LehrerInnen in
allen Unterrichtsgegenständen erfüllen.

Abgeordneter Harald Walser (G) hielt einen erfolgreichen Ethik- und
Religionenunterricht nur für möglich, wenn dies mit allen
SchülerInnen möglich ist. Der Schuldirektor registrierte eine Krise
des Religionsunterrichts, der sich schon lange selbst in Richtung
eines allgemeinen Ethikunterrichts entwickle. Dieser Tendenz sollte
der Staat Rechnung tragen und einen allgemeinen Ethikunterricht
entwickeln. Es brauche die ganze Palette an Meinungen und
Überzeugungen sowie den Dialog zwischen den SchülerInnen und mit den
LehrerInnen, um Kindern die Werthaltung zu vermitteln, die von der
Gesellschaft eingefordert werde. Dafür sehe das
Bundesfinanzrahmengesetz bedauerlicherweise kein Geld vor.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) wandte sich gegen einen
Ethikunterricht und verwies auf Erfahrungen in kommunistischen
Diktaturen, wo staatlich verordneter Weltanschauungsunterricht als
politischer Gesinnungsunterricht missbraucht wurde. Man müsse sehr
genau darauf achten, wie ein Ethik-Lehrplan aussieht und wie die
Werte heißen, die dort vermittelt werden sollen. Eigentlich gehe es
darum, die jungen Menschen "das Werten" zu lehren und nicht,
bestimmte politische Werte zu vermitteln. Das BZÖ nimmt an der
Diskussion über den Ethikunterricht interessiert, aber sehr kritisch
teil, sagte Stefan Petzner. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von der Enquete finden Sie - etwas zeitverzögert -
auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.

Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272, Fax. +43 1 40110/2640
e-Mail: pk@parlament.gv.at, Internet: http://www.parlament.gv.at

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