Wien (PK) - Pressefreiheit und Meinungsfreiheit seien keine
selbstverständliche Realität. Weltweit würden sie immer wieder durch
politische Gewalt, durch wirtschaftliche Zwänge, durch
Desinformation und durch Zensur bedroht. Das betonte
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am Vorabend des
Internationalen Tags der Pressefreiheit im Parlament. Anlass dafür
war die Überreichung der Publizistikpreise des Presseclubs Concordia
im Parlament.
Man brauche Wachsamkeit und Sensibilität, mahnte Prammer. Derzeit
seien weltweit 151 JournalistInnen inhaftiert, 22 hätten in den
ersten vier Monaten dieses Jahres ihr Leben lassen müssen. Der Kampf
in Österreich sei vor langer Zeit gefochten worden, erst vor kurzem
habe der Oberste Gerichtshof aber wieder klargestellt, dass das
Redaktionsgeheimnis absolut sei.
Als Aufgabe der Politik sieht es Prammer, zu gewährleisten, dass
JournalistInnen ungehindert arbeiten und ihre Kontrollfunktion
wahrnehmen können. Neben einer verantwortungsvollen Politik und
einem verantwortungsvollen Journalismus braucht es ihrer Meinung
nach aber auch eine sensibilisierte und mündige Bevölkerung.
Meinungsfreiheit werde in Österreich zwar als wichtig, aber nicht
als lebensnotwendig angesehen, gab die Nationalratspräsidentin zu
bedenken. Eine im Jahr 2009 durchgeführte Wertestudie komme zu einem
alarmierenden Befund: 22 % der ÖsterreicherInnen würden freiwillig
auf demokratische Errungenschaften verzichten und hätten nichts
gegen einen starken Führer, der sich nicht um das Parlament kümmern
müsse.
Was die vor kurzem vom Nationalrat beschlossene
Vorratsdatenspeicherung betrifft, hielt Prammer fest, sie gehe "ganz
und gar nicht" davon aus, dass diese das Ende des
Redaktionsgeheimnisses bedeute. Man müsse Warnungen wie jene der
Journalistengewerkschaft aber ernst nehmen, unterstrich sie. Prammer
verwies auf Verbesserungen, die im Zuge des parlamentarischen
Prozesses in den Gesetzentwurf eingearbeitet worden seien, zudem
erwartet sie sich eine Überarbeitung der dem Gesetz zugrunde
liegenden EU-Richtlinie.
Der Presseclub Concordia zeichnet alljährlich Journalistinnen und
Journalisten für besondere publizistische Leistungen im Bereich
Menschenrechte und Demokratie sowie im Bereich Presse- und
Informationsfreiheit aus. Diesjährige Preisträger sind der ORF-
Journalist Peter Resetarits in der Kategorie Menschenrechte und der
Nahost-Korrespondent Karim El-Gawhary in der Kategorie
Pressefreiheit. Außerdem erhält die tunesische Journalistin Sihem
Bensedrine einen Sonderpreis für Pressefreiheit. Dem Journalisten
und Autor Hugo Portisch wurde der Concordia-Ehrenpreis 2010 für sein
Lebenswerk verliehen.
Peter Bochskanl, Präsident des Presseclubs Concordia, betonte, die
Concordia setze seit Jahren mit ihren Preisen Benchmarks für
österreichische JournalistInnen. Man wolle KollegInnen als
anspornende Beispiele herausheben und ihr Bemühen um journalistische
Qualität und ethische Verantwortung würdigen.
Als LaudatorInnen für die PreisträgerInnen fungierten Barbara
Helige, Vorsteherin des Bezirksgerichts Döbling und Präsidentin der
Österreichischen Liga für Menschenrechte, der stellvertretende ORF-
Chefredakteur Armin Wolf, die ehemalige Dritte
Nationalratspräsidentin Heide Schmidt und "Furche"-Herausgeber Heinz
Nussbaumer. Schmidt betonte unter anderem, es dürfe keinen
Kompromiss geben, wenn es darum gehe, Menschenrechtsverletzungen
anzuprangern und Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen. Sie
äußerte den Verdacht, dass der Mut zu kritischem Journalismus sinke,
und meinte, Demokratie und Presse seien siamesische Zwillinge.
Heinz Nussbaumer erachtet es als notwendig, die heutigen
Rahmenbedingungen für JournalistInnen zu hinterfragen. Er erinnerte
zudem an einen Merksatz von Hugo Portisch: Pressefreiheit ende dort,
wo sie in Narrenfreiheit übergehe. Helige hob unter anderem die
Bedeutung der Prinzipien eines fairen Prozesses und der
Gleichbehandlung vor dem Gesetz hervor.
Von Seiten der PreisträgerInnen gab Peter Resetarits zu bedenken,
dass ein freier Zugang zum Recht heute für viele eine Illusion sei.
Viele wagten es aufgrund enormer Gerichtsgebühren und hoher
Rechtsanwaltskosten nicht, zu Gericht zu gehen. Karim El Gawhary
veranschaulichte anhand einer Episode aus dem libyschen Bengasi, wie
viel den Menschen im nördlichen Afrika Presse- und Meinungsfreiheit
Wert seien. Sihem Bensedrine widmete ihren Preis der tunesischen
Bevölkerung und äußerte die Hoffnung, dass Europa Tunesien beim
Aufbau demokratischer Strukturen unterstützen werde.
Hugo Portisch nannte es als einen der wesentlichsten Grundsätze für
JournalistInnen, "die Wahrheit zu schreiben". Ein Journalismus, der
ethische Prinzipien verlasse, schade nicht nur dem Journalismus
selbst, sondern letzten Endes auch der Demokratie, zeigte er sich
überzeugt.
Den Vorsitz der Concordia-Jury hatte Heribert Krejci inne.
Die PreisträgerInnen
Peter Resetarits arbeitet bereits seit 1979 für den ORF und hat
unter anderem die von ihm moderierten ORF-Magazine "Schauplatz
Gericht" und "Bürgeranwalt" maßgeblich mitentwickelt. Resetarits
gebe in diesen publizistischen Spezialformen jenen Menschen eine
Stimme, die im normalen Alltag nicht in diesem Maße gehört würden
und erleichtere ihnen den Zugang zu "ihrem" Recht, heißt es in der
Begründung der Concordia-Jury.
Karim El-Gawhary wurde vom Presseclub Concordia insbesondere für
seine Berichterstattung über die Protestbewegungen in Tunesien und
Ägypten ausgezeichnet. Der Journalist leitet seit Mai 2004 das ORF-
Büro in Kairo und betreut von dort aus den gesamten arabischen Raum
und den Iran. Außerdem ist er Nahost-Korrespondent verschiedener
deutschsprachiger Zeitungen und führt unter dem Titel "Arabesken"
einen eigenen web-Blog. El-Gawhary habe seinen eigenen Weg in den
Journalismus gefunden und sende als journalistischer Grenzgänger
Töne aus der arabischen Welt, skizzierte Armin Wolf in seiner
Laudatio.
Sihem Bensedrine setzte sich bereits in den 90-er Jahren für
Pressefreiheit und für die Achtung von Menschenrechten in Tunesien
ein und war immer wieder staatlichen Repressalien ausgesetzt. Im
Jahr 2000 begründete sie das Online-Journal "Kalima" mit, später war
sie Chefredakteurin des gleichnamigen unabhängigen Radiosenders. Für
ihren langjährigen Kampf in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit
erhielt sie bereits verschiedene internationale Preise. Bensedrine
sei mit viel Kraft und Entbehrungen ihren Weg gegangen, unterstrich
Laudatorin Schmidt.
Hugo Portisch gehört zu den bedeutendsten österreichischen
Publizisten der Zweiten Republik. Bekannt wurde er einer breiten
Öffentlichkeit vor allem durch seine zahlreichen TV-Dokumentationen
und seine Arbeit als Chefkommentator im ORF. Im Mittelpunkt stand
dabei stets das Bemühen, den ZuseherInnen komplizierte politische
und wirtschaftliche Zusammenhänge auf verständliche Weise
nahezubringen. Vor seiner ORF-Tätigkeit war Portisch mehrere Jahre
Chefredakteur des "Kurier". Durch seine Aufklärungsarbeit, auch in
seinen Büchern, vertrete Portisch in vorbildlicher Weise die Ziele
und Prinzipien des Presseclubs Concordia, würdigt die Jury das
Lebenswerk des Journalisten. Heinz Nussbaumer hob darüber hinaus
Portischs Kampf für einen unabhängigen ORF und seine Vorbildfunktion
für mehrere Journalistengenerationen hervor.
Zur Verfügung gestellt wurden die "Concordia"-Preise von der Bank
Austria (Kategorie Menschenrechte), von der Privatstiftung
Strohmayer (Kategorie Pressefreiheit), von Christian Konrad und der
Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien (Sonderpreis
Pressefreiheit) sowie von der Firma Swarovski (Ehrenpreis). Die
heutige Preisübergabe moderierte Concordia-Generalsekretärin Astrid
Zimmermann, für die musikalische Umrahmung sorgte das Quartett
"bratfisch".
Der Presseclub Concordia, 1859 gegründet, versteht sich als
unabhängige und zukunftsorientierte Standesvertretung für
JournalistInnen und SchriftstellerInnen. Er tritt unter anderem für
Presse- und Meinungsfreiheit, aber auch für journalistische Ethik
und Qualität ein und sieht sich als Lobbyist für publizistische
Unabhängigkeit. Eine wichtige Funktion übt er darüber hinaus als
Treffpunkt für JournalistInnen und Ort der Begegnung aus, auch über
die Grenzen Österreichs hinaus. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von der Preisverleihung finden Sie - etwas
zeitverzögert - auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at)
im Fotoalbum.
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