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DER STANDARD-Kommentar "Nur Kakao, kein Erdöl" von Alexandra Föderl-Schmid
In Libyen greift die Staatengemeinschaft ein, in Côte d'Ivoire schaut sie weg // (Ausgabe vom 2./3.4.2011)
Wien (OTS) - Die ganze Welt schaut auf Libyen, Côte d'Ivoire
liegt im toten Winkel. Dabei müsste die Staatengemeinschaft dort erst
recht eingreifen. Im westafrikanischen Staat gilt es nicht nur
weitere Angriffe auf Zivilisten zu verhindern, sondern die Demokratie
zu verteidigen. Denn es gibt einen rechtmäßig gewählten Präsidenten,
Alassane Ouattara. Der Verlierer der Wahl, Laurent Gbagbo, weigert
sich aber seit November, sein Amt an den international anerkannten
Wahlsieger zu übergeben. Ouattara fleht die internationale
Gemeinschaft seit Monaten an, auch mit militärischen Mitteln
einzugreifen.
Nach Schilderungen von Mitarbeitern ansässiger Hilfsorganisationen
und der Brüsseler Expertengruppe "International Crisis Group" tobt in
dem Land bereits ein Bürgerkrieg: Wie in Libyen klammert sich ein
Herrschender an die Macht, er setzt Kampfhubschrauber und Granaten
gegen Zivilisten ein. Er kündigte an, "bis zum Ende kämpfen" zu
wollen. Die Kämpfe bezeichnete er im Übrigen als "vom Ausland
gesteuert". Argumente, wie sie auch Muammar al-Gaddafi verwendet.
Aber auch den Truppen Ouattaras werden Plünderungen, Entführungen und
Misshandlungen von Zivilisten vorgeworfen. Nach Einschätzung der
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wird ein Szenario wie
in Ruanda, wo binnen weniger Wochen 800.000 Menschen in Pogromen
umkamen, nicht mehr ausgeschlossen. Damals hieß es, so etwas dürfe
nicht wieder passieren. Aber auch in Côte d'Ivoire wird geschlachtet,
vergewaltigt, eine Million Menschen sind auf der Flucht. Unter ihnen
auch viele Gastarbeiter, die plötzlich zu Freiwild erklärt wurden und
gejagt werden.
Zwar hat die Uno nach monatelangen Debatten in der Nacht zum Freitag
Sanktionen gegen Gbagbo verhängt. In der UN-Resolu_tion 1975 wird wie
in 1973 (die sich mit Libyen beschäftigt) der Schutz der
Zivilbevölkerung gefordert. Es ist eine UN-Truppe vor Ort, die "alle
notwendigen Maßnahmen" zur Erfüllung ihres Mandats ausüben dürfe.
Aber die inzwischen auf 10.000 Soldaten aufgestockte Blauhelm-Truppe
war schon in den vergangenen Monaten völlig überfordert, am Freitag
wurde bei Kämpfen eine UN-Mitarbeiterin getötet. Die
Blauhelm-Soldaten dürfen nicht aktiv kämpfen und sind überdies
schlecht ausgerüstet. Zwar will sich die aus rund tausend Soldaten
bestehende französische Truppe stärker in der ehemaligen Kolonie
ihres Landes engagieren, aber notwendig ist vielmehr eine
konzertierte militärische Aktion der Staatengemeinschaft. Dafür kommt
nur die Nato infrage. Die Afrikanische Union, die bisher zu
vermitteln versucht hat, ist nicht stark genug.
Die gleichen Argumente, die für ein Eingreifen der internationalen
Allianz in Libyen gegolten haben, gelten auch für Côte d'Ivoire: Es
gilt Menschen_leben zu retten. Warum dies nicht geschieht? Nach
Libyen werden sich so rasch keine Staaten mehr finden, die Menschen
und Gerät für ein Eingreifen zur Verfügung stellen. Außerdem gibt es
in dem westafrikanischen Land kein Erdöl, sondern nur Kakao. Und die
ivorischen Flüchtlinge bringen zwar ihre Nachbarländer in
Schwierigkeiten, halten sich aber außerhalb des westlichen
Wahrnehmungsradius auf. Sie bedrohen nicht die Festung Europa.
Humanitäres Völkerrecht darf nicht selektiv angewandt werden, sonst
verliert die internationale Staatengemeinschaft ihre Glaubwürdigkeit.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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