• 23.03.2011, 18:10:00
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Prölls Probleme" von Michael Völker

Der ÖVP-Chef muss aufräumen - aus eigenem Interesse und Gründen des Anstands - Ausgabe vom 24.3.2011

Wien (OTS) - Dem ÖVP-Chef geht es besser. Aber nur gesundheitlich.
Politisch ist Josef Pröll schwer angeschlagen. Während sich der
Vizekanzler von den Folgen seiner Lungenembolie gut erholt, wird
seine Partei an den Folgen seiner Personalentscheidungen noch länger
zu tragen haben.
Natürlich hat ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf recht, wenn er sagt:
Nachher weiß man es immer besser. Aber bei Ernst Strasser wusste man
es auch vorher: Das ist kein Guter. Überraschend war nur, wie
ungebremst Strasser sich von der Geldgier treiben ließ und wie plump
er in die Falle tappte. Da hatten ihm viele Parteifreunde mehr
Gerissenheit zugetraut.
Pröll hat Strasser zu verantworten, wer auch immer ihm das eingeredet
haben mag. Pröll hat auch Verena Remler als Staatssekretärin zu
verantworten, auch wenn er da nur parteiinternen Zwängen gefolgt ist.
Und er hat Claudia Bandion-Ortner als Justizministerin zu
verantworten. Und. Und. Und. Diese Liste an Fehlentscheidungen lässt
sich verlängern.
Das Problem, das Strasser offenbart hat, sitzt aber tiefer: Es ist
die Vermengung von privaten und geschäftlichen Interessen mit der
Politik. Statt der Interessen der Allgemeinheit werden nur
Partikularinteressen vertreten. Im Europaparlament (und nicht nur
dort) sitzen offenbar etliche Abgeordnete, die Politik aus purem
Geschäftsinteresse betreiben. Abgeordnete, die längst vergessen
haben, von wem sie gewählt wurden, die nur noch wissen, von wem sie
bezahlt werden.
Da ist der Kärntner Hubert Pirker als Nachfolger von Strasser auf
dessen Mandat ein gutes Beispiel im schlechten Sinn. Auch Pirker
vertritt Interessen, nicht die der Allgemeinheit. Auch nicht die der
Kärntner. Pirker ist Lobbyist, er ließ sich für seine Erfahrung und
Kontakte, die er bereits früher im EU-Parlament gesammelt hat,
bezahlen, unter anderem von Nordkorea, interessanterweise auch von
Südkorea. Jetzt kehrt er ins EU-Parlament zurück. Um welche
Interessen zu vertreten?
Der ehemalige Finanzminister und nunmehrige einfache ÖVP-Abgeordnete
Wilhelm Molterer lässt sich von der Voest bezahlen. Der ehemalige
Kanzler Wolfgang Schüssel sitzt im Aufsichtsrat des deutschen
Atomriesen RWE und zugleich für die ÖVP im Nationalrat in Wien.
Die Politik hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, und das lässt sich
derzeit gut an der ÖVP festmachen. Es entsteht der Eindruck, dass
Politik fürs Geschäftemachen missbraucht wird. Das ist nicht alleine
ein Problem der ÖVP, aber besonders eines der ÖVP.
Und wenn's nicht lauft, dann lauft's nicht: Gegen eine andere
EU-Abgeordnete wird wegen Betrugsverdachts ermittelt, ein Nationalrat
muss wegen unberechtigter Verwendung eines Behindertenausweises
zurücktreten, ein Bundesrat muss sich wegen Körperverletzung nach
einem Streit um die Hecke vor Gericht verantworten.
Lappalien oder doch ein Sittenbild?
Nein, für die ÖVP läuft es derzeit nicht gut. Jetzt treten auch noch
die Konflikte unter den einzelnen Interessenvertretungen stärker
zutage, und so mancher Einzelspieler nutzt die Schwäche der
angeschlagenen Führung zur Labung der eigenen Eitelkeit.
Pröll ist Gesundheit und Kraft zu wünschen. Er hat viel zu tun. Er
muss aufräumen. Oder jemand anderen suchen, der das tut. Niemand,
auch nicht der politische Gegner, kann sich wünschen, dass die ÖVP
zur Marginalie in diesem Land verkommt. Das sei in Kenntnis der
Mitbewerber gesagt.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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