- 22.02.2011, 18:31:14
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Repressive Eigenbrötelei" von Irene Brickner
Die Fremdennovelle bleibt ein Verschärfungspaket, ohne wirkliche Perspektiven - Ausgabe vom 23.2.2011
Wien (OTS) - Auch wenn einige besondere Härten aus dem
ursprünglichen Entwurf für das geplante neue "Fremden"-Recht
abgemildert, einzelne sogar gestrichen worden sind: Alles in allem
bleibt es bei einem Verschärfungspaket. Mit einer solchen Grundlage
würde die österreichische Ausländerpolitik nur einen Schritt vor
festgeschriebener Ausländereinschüchterung und legaler
Fremdenaustreibung verharren.
Die Entschärfungen jedoch gilt es zu würdigen. Ebenso all jene, die
durch harte Kritik in der Begutachtung, NGO-Aktionen und, ja, auch
durch politische Verhandlungen bis zuletzt, dazu beigetragen haben:
Dass Kinder vor einer Abschiebung künftig nicht mit ihren Eltern in
Schubhaft oder aber allein in ein Heim müssen, verhindert zusätzliche
Traumatisierungen in einer ohnehin schon traumatisierenden Situation.
Und: Dass das bewährte System der Aufenthaltsverfestigung, das
Drittstaatangehörigen bei längerem Aufenthalt in Österreich auch mehr
Bleibesicherheit gibt, doch nicht - wie im Begutachtungsentwurf
vorgesehen - gestrichen wird, wendet Abschiebetragödien ab, die
andernfalls schon vorprogrammiert wären.
Doch, wie gesagt, schroffer wird der Umgang mit Ausländern mit diesem
Gesetz allemal - und zwar in zwei Bereichen: Erstens, weil die
Hürden, um sich als Drittstaatangehöriger in Österreich
niederzulassen, durch Deutschlernpflichten vor Zuzug ergänzt, also
erhöht werden.
Diese sollen für die kosovarische Putzfrau, nicht aber für den
US-amerikanischen Universitätsprofessor gelten - ein Umstand, den
Wiens Landeshauptmann Michael Häupl zutreffend als ungerecht
kritisiert. Und: Der Deutschlernzwang sendet an potenzielle
Einwanderer, die wir bekanntlich so gut brauchen können, ein "Bleibt
weg"-Signal aus; eines, das das "Bitte kommt"-Signal der
Rot-Weiß-Rot-Card konterkarieren könnte.
Mehr Einschränkungen und Kontrolle wird - zweitens - auch der Ausbau
von Orten und Gelegenheiten bringen, um unbotmäßige "Fremde"
wegzusperren: eine Tendenz, die sich bereits durch die vergangenen
drei Novellen gezogen hat. Neben längerer Schubhaft gehört auch die
siebentägige Anwesenheitspflicht im Erstaufnahmezentrum für
Asylwerber dazu: Eine weitere Maßnahme, die "Fremde" - in diesem
Fall Asylwerber - von einer Flucht nach Österreich abhalten könnte.
Aber vielleicht wäre es vielen Menschen in Österreich gar nicht
unangenehm, wenn das Land für Ausländer unattraktiver wird - den
neuen, aus ökonomischen Gründen beschlossenen Einwanderungsanreizen
zum Trotz, ganz irrational und einem untergründig vorhandenen Streben
zufolge. Dass sinkende Asylwerberzahlen regelmäßig ein Grund zum
Feiern sind, könnte in diese Richtung weisen - auch wenn sich eine
solche Einstellung mit einem Blick nach Europa und über dessen
Grenzen hinaus gerade jetzt als kontraproduktiv entpuppt.
Denn die Aufstände und Umstürze im Nahen Osten lassen
Arbeitsmigrations- und Flüchtlingsfragen auch an Österreich wieder
näher heranrücken. Sie werfen Fragen nach neuen
Bewältigungsstrategien auf, die die heimische Politik nur durch einen
Gesetzesverschärfungsdiskurs zu beantworten weiß. Was hierzulande
fehlt, sind Ideen und Initiativen, um aus dieser repressiven
Eigenbrötelei irgendwann wieder herauszufinden.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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