• 09.12.2010, 20:00:49
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Verspätete Königsidee mit Schwachstellen" (von Wolfgang Simonitsch)

Ausgabe vom 10.12.2010

Graz (OTS) - Wir sind ja so etwas von nicht verwöhnt, wenn es
um Reformen geht: Betonköpfe und ideologisch gesteuerte Blockierer,
so weit das Auge reicht. Deshalb darf man heute getrost einen echten
Fortschritt bejubeln. Die Regierenden haben sich zusammengerauft und
(wegen des Arbeitskräftemangels) eine Rot-Weiß-Rot-Card erschaffen.
Sie stellt die Zuwanderung auf rationale Beine. Ab Juli 2011 gelten
keine Quoten mehr für Leute aus EU-Drittstaaten, die kommen dürfen.
Jetzt wird der Versuch gestartet, exakt jene Leute zu holen, die
gewollt, gebraucht werden.

Ältere Semester werden sich erinnern: Darüber wurde jahrzehntelang
zwar eifrig, mitunter erbittert, aber letztlich erfolglos debattiert.
Den Freunden geregelter Zuwanderung schwebte stets Kanada als Ideal
vor Augen. Weil sich die Kanadier seit jeher den Luxus leisten, ihrer
Zuwanderer nach Bedarf auszusieben. Dieses Beispiel hat auch in
anderen Staaten längst Schule gemacht. Mit jahrzehntelanger
Verspätung versucht sich auch Österreich in dieser Disziplin - deren
Erfolg in den Sternen steht.

Ist es nicht schon zu spät, im überhitzten Wettbewerb vieler Staaten
um die besten Köpfe mitmischen zu wollen? Ist unser Land ausreichend
attraktiv, um sich wenigstens ein Scheibchen abschneiden zu können?
Wird die weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit nicht zu viele
Ausländer abschrecken?

Spezielle Erfahrungen in Deutschland waren nicht wirklich ermunternd.
Dort hat die Not an Informationstechnikern vor zehn Jahren die
Königsidee reifen lassen, einschlägig Bewanderte mit einer auf fünf
Jahre befristeten Greencard ins Land zu holen. Insgesamt sollen
18.000 gekommen - und bald wieder ausgereist sein. Die meisten
deswegen, weil ihnen die Befristung der Aufenthaltserlaubnis auf ein
paar Jahre zu wenig Perspektive geboten hat.

Deshalb wird sich auch bei uns rasch die Frage stellen: Ist
Österreich ehrlicherweise, wegen schrumpfender Bevölkerung nicht
Einwanderungsland? Politiker reden jetzt wieder bewusst von
Zuwanderung. Es sollte Einwanderung heißen.

Falls nicht bloß bei verängstigten Einheimischen die Illusion
genährt werden soll, toll Ausgebildete würden ihre besten Jahre in
Österreich arbeiten wollen und sich dann wieder in Länder verziehen,
die sie davor wegen zu geringer Aussichten auf Wohlstand verlassen
haben.

Österreich buhlt nicht allein um Hochqualifizierte. Doch denen sollte
man nicht, wie geplant, einen Hürdenlauf zur möglichen Einbürgerung
mit höchst unsicherem Ausgang zumuten. Sonst kommen sie erst gar
nicht.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

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