- 26.11.2010, 15:11:56
- /
- OTS0244 OTW0244
Die Verursacher der ORF-Krise
Erklärung der ORF-JournalistInnen
Wien (OTS) - Der ORF-Redakteursausschuss, das sind die gewählten
RedakteurssprecherInnen aus allen Bereichen des Unternehmens, hat
mehrere Stunden - u.a. mit Generaldirektor Alexander Wrabetz - die
aktuelle Situation beraten, über die weitere unternehmensinterne
Vorgangsweise entschieden und einstimmig folgende Erklärung
beschlossen:
Unser ORF
Der ORF gehört weder der ORF-Geschäftsführung noch Politikern.
Auch wenn diese das nicht glauben wollen. Er ist ausschließlich
seinem Publikum, der demokratischen Öffentlichkeit verpflichtet. Die
überwältigende Mehrzahl der ORF-JournalistInnen agiert
dementsprechend. Auch wenn es ihnen noch so schwer gemacht wird.
Das Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in den letzten
Wochen arg beschädigt worden und der ORF ist auch tatsächlich in
einer schlimmen Krise. Verursacher sind der Gesetzgeber, der
Stiftungsrat und die Geschäftsführung. Aber auch in dieser Situation
schaffen es die ORF-MitarbeiterInnen - nicht zuletzt im
öffentlich-rechtlichen Kernbereich, bei den journalistischen
Programmen - Qualität und Quoten (noch) auf internationalem
Höchstniveau zu halten. Engagement und Möglichkeiten der
ProgrammmacherInnen sind allerdings längst an den Grenzen der
Zumutbarkeit angelangt. In den letzten beiden Jahren wurde die
Belegschaft um rund 500 MitarbeiterInnen reduziert und in den
nächsten beiden Jahren soll der Personalstand sogar noch um weitere
150 MitarbeiterInnen verringert werden. Ausschließlich
Geschäftsführung und Stiftungsräte glauben, dass diese Art von
"Sparkurs" ohne Auswirkungen auf die Programmqualität funktionieren
kann.
Gibt es nicht innerhalb weniger Wochen klare, strukturelle
Entscheidungen, die die Konzentration aufs Wesentliche garantieren,
ist eine nachhaltige, kaum mehr wieder gut zu machende Beschädigung
der Substanz des ORF unvermeidbar. Ein ORF, der nicht mehr im Stande
wäre die öffentlich-rechtlichen Kernaufgaben tadellos zu erfüllen,
hätte nämlich seine Legitimation verloren. Ein "Sparkonzept", das das
zwangsläufig mit sich bringt, ist kein Reform- sondern ein
Zerstörungskonzept. Das müssen endlich auch die ORF-Geschäftsführung,
der ORF-Stiftungsrat und der Gesetzgeber akzeptieren und entsprechend
handeln.
Der ORF braucht so rasch wie möglich eine neue, handlungsfähige
Geschäftsführung. Dafür braucht es allerdings mehr und
grundsätzlichere Gesetzesänderungen als bloß solche von
Bestellungsfristen:
- Die Grundvoraussetzung eines wirklich unabhängigen ORF wäre eine völlig neue Konstruktion von dessen Aufsichtsgremium. Das wäre, wie von den ORF-JournalistInnen immer wieder gefordert wurde, analog zu Aufsichtsräten anderer Großunternehmen zu gestalten. Also maximal 12 - 15 Mitglieder, ein Drittel davon Belegschaftsvertreter. Wer warum als "Eigentümervertreter" ins Aufsichtsgremium entsandt wird, muss öffentlich kontrollierbar und nachvollziehbar gemacht werden. Für jede/n KandidatIn ist ein Qualifikationsnachweis zu veröffentlichen. Jedenfalls müssen beim Auswahlmodus Voraussetzungen geschaffen werden, dass dem ORF- Aufsichtsgremium Mitglieder angehören, die persönliche Reputation zu verlieren haben und nicht Fraktionsvorgaben erfüllen. Auch dürfen sie nicht in Geschäftsbeziehungen zum ORF stehen, was im Gesetz zu definieren ist, da sich seit Jahren zeigt, dass Stiftungsräte/Kuratoren nicht in der Lage/nicht Willens zu einer Selbstkontrolle von Unvereinbarkeiten sind. - Die - auch verfassungsrechtlich bedenkliche - Koppelung der teilweisen, befristeten Gebührenbefreiungsrefundierung an eine weitere "strukturelle Reduktion der Personalkosten" und eine "Reduktion der Pro-Kopf-Kosten" ist aus dem Gesetz zu streichen. Ebenso wie die - ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklichen - Amputationen des ORF-online-Angebots, nach denen die "Berichterstattung nicht vertiefend" sein darf und die Berichterstattung auf den ORF-Landesstudio-Seiten auf "8o Tagesmeldungen pro Bundesland pro Kalenderwoche" beschränkt ist.
Ohne vernünftige gesetzliche Rahmenbedingungen wäre auch eine neue
Geschäftsführung weiterhin schwer abhängig von Stiftungsräten, die
vor allem die Wünsche der sie entsendenden Parteien exekutieren.
Eine Stärkung der ORF-Unabhängigkeit wäre auch, wenn leitende
JournalistInnen mit einer deutlichen Redakteursversammlungsmehrheit
abberufen werden könnten. Das ORF-Redakteursstatut ist in diesem Sinn
zu verbessern.
Ein wirklich unabhängiger, starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk
ist demokratiepolitisch unverzichtbar.
Der ORF-Redakteursrat
Fritz Wendl Eva Ziegler Dieter Bornemann
Rückfragehinweis:
Fritz Wendl Tel.: (01) 50101 - DW 18500 Eva Ziegler Tel.: (0732) 6900 - DW 24286 Dieter Bornemann Tel.: (01) 87878 - DW 12457
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF