- 22.11.2010, 13:21:05
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Prof. Dr. Kurt Rothschild (1914-2010)
Wien (OTS/WIFO) - Prof. Dr. Kurt Rothschild ist im 97. Lebensjahr
verstorben. Kurt Rothschild war einer der führenden, weltweit
anerkannten Wirtschaftswissenschafter. Seine Arbeiten erstreckten
sich auf viele Gebiete der Forschung. Sie waren eigentlich auch ein
Programm und eine Vision, was die Ökonomie zu einer besseren Welt
beitragen kann.
Kurt Rothschild wurde am 21. Oktober 1914 in Wien geboren,
studierte an der Universität Wien und musste 1938 nach Schottland
emigrieren, wo er "Nationalökonomie und Politische Philosophie"
studierte. Nach seiner Rückkehr nach Österreich wurde er am 1. Juni
1947 Mitarbeiter des WIFO. Nobelpreisträger August von Hayek hatte
den Kontakt hergestellt. Er war hier das große Vorbild für die jungen
Mitarbeiter, machte sie mit der modernen Nationalökonomie vertraut,
die sie damals auf den österreichischen Hochschulen noch nicht lernen
konnten, und lebte die Möglichkeit vor, ausgeprägte Weltanschauung
mit präziser ökonomischer Analyse zu verbinden.
Professor Rothschild blieb dem WIFO in vielen Beziehungen bis zu
seinem Ableben verbunden, zuletzt als Konsulent mit stets aktiven
Beiträgen zu Ökonomie und Gesellschaft. Professor Rothschild war von
1966-1985 Professor an der Universität Linz, hier auch
Gründungsrektor. An der Universität Linz bildete er eine ganze
Generation von Volkswirten aus, die heute an entscheidenden
Positionen wirken.
Kurt Rothschild verfasste zentrale Arbeiten über Verteilung,
Arbeitsmarkt, Lohnbildung, oder über die Rolle der Macht in der
Ökonomie, die ihm internationale Anerkennung brachten. Der Grad
seiner weltweiten Anerkennung und Wertschätzung wird von kaum einem
anderen österreichischen Volkswirt übertroffen.
Zwei Aspekte seines Wirkens sind noch bedeutender als
Einzelpublikationen: Erstens galt Rothschilds Interesse nie den
kleinen, leicht verteidigbaren Festungen, sondern stets den
wichtigen, relevanten Fragen. Es war ihm wichtiger, echte Probleme zu
sehen und auf sie aufmerksam zu machen, als in abstrakten Modellen an
der Wirklichkeit vorbei zu theoretisieren. Immer dann, wenn die
Tendenz von Wissenschaft oder Politik in die falsche Richtung lief,
hat er die richtigen Fragen gestellt.
Oft konnte er "bloß" zeigen, dass die gängige Antwort falsch ist,
und allein die Richtung angeben, in der die Antwort zu vermuten ist.
Zweitens lag Rothschilds besondere Fähigkeit darin, den relevanten
Kern einer Frage herauszuschälen. Er hatte eine ausgeprägte Fähigkeit
komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen. Ein Kernsatz war, dass
wirtschaftliche Unsicherheit nicht durch mathematische Formeln in den
Griff zu bekommen ist. Eine Erkenntnis, die sich in der Beurteilung
von Finanzpapieren in der letzten Krise deutlich gezeigt hatte, und
die jetzt dazu geführt hat, dass systemische Risken stärker beachtet
werden.
Zu seinem 95. Geburtstag veranstaltete das WIFO eine Tagung über
die Folgen und bleibenden Konsequenzen der Finanzkrise unter aktiver
Teilnahme (Mitarbeit) von Kurt Rothschild. Die Beiträge werden in
einem Sonderheft der "Empirica" (Journal of European Economics)
erscheinen (Nr. 1/2011).
Die Wissenschaft verliert mit Kurt Rothschild einen ihrer Großen,
sein Stempel bleibt erhalten. Für das WIFO ist das Lebenswerk von
Kurt Rothschild ein Auftrag: unbeirrbar den Beitrag der Ökonomie zu
einer besseren und gerechteren Gesellschaft zu suchen. Wir danken
Kurt Rothschild für die Zusammenarbeit von über 63 Jahren.
Rückfragehinweis:
Prof. Mag. Dr. Karl Aiginger
Leiter
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-210 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Karl.Aiginger@wifo.ac.at
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