TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Donnerstag, 16. September 2010, von Mario Zenhäusern: "Der Fall Partl und was davon bleibt"

Innsbruck (OTS) - Selten hat ein Thema die Tirolerinnen und
Tiroler so bewegt wie Alois Partls Schilderung von seinem
Treppensturz. Der Vorwurf, Dutzende Menschen seien im wörtlichen Sinn
über den bewusstlosen und schwer verletzt am Boden liegenden
Altlandeshauptmann drübergestiegen, ohne sich um ihn zu kümmern und
ohne Hilfe zu alarmieren, traf das Land bis ins Mark. Wochenlang
wurde in aller Öffentlichkeit über mangelnde Hilfsbereitschaft,
Herzlosigkeit und fehlende Zivilcourage diskutiert. Und darüber, ob
Partls Version vom schweren Unfall denn überhaupt der Wahrheit
entsprechen kann.
Das nunmehr vorliegende medizinische Gutachten der Uni Innsbruck,
das Partl eine massive Erinnerungslücke attestiert, widerlegt
zumindest den Vorwurf, dass der langjährige VP-Politiker bewusst die
Unwahrheit gesagt hat. Und wenn er sich, sollte sein
Erinnerungsvermögen tatsächlich so getrübt gewesen sein, in aller
Öffentlichkeit entschuldigt, ist das mehr, als man hierzulande von
Politikern gewöhnt ist. Ob das allerdings ausreichen wird, um die
Diskussionen über den Fall endgültig zu beenden, ist anzuzweifeln.
Eine breite öffentliche Diskussion über Zivilcourage und
Hilfsbereitschaft an und für sich hat noch nie geschadet. Allerdings
braucht es leider immer wieder besonders tragische Anlassfälle, damit
sich die Gesellschaft ganz allgemein und jeder Einzelne im Besonderen
tatsächlich mit so einem Thema befasst. "Bei uns kann so etwas nicht
passieren!", ist die am öftesten verwendete Reaktion.
In Tirol hat genau diese Diskussion zu einer ungewöhnlichen
Sensibilisierung der Menschen geführt, zu einem Zusammenrücken. Wenn
am Ende nur das übrig bleibt vom "Fall Partl", dann ist das nicht
wenig. Im Gegenteil.

Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion , Tel.: 05 04 03 DW 610

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