- 30.08.2010, 09:26:18
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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Experten muss man sich auch leisten wollen - von Isabell Widek
Ohne Prognosen wäre unser Leben einfach nur öd und leer
Wien (OTS) - Wissenschafter sind in puncto Glaubwürdigkeit arme
Schweine. "Wer bezahlt, schafft an" oder "Glaube keiner Statistik,
die du nicht selbst gefälscht hast" sind noch die harmloseren
Kommentare, die bei Wortmeldungen der Gelehrten durch viele Köpfe und
Münder rauschen. Und kaum eine Berufsgruppe ist so wenig vor falschen
Anschuldigungen geschützt wie die Forschung.
Einer der Hauptgründe für diese versuchten Verunglimpfungen ist die
pure Verzweiflung. Denn kaum jemand versteht, wovon die jeweiligen
Meister ihres Faches überhaupt sprechen - und wenn doch, dann weiß
zumindest fast niemand, mit welch geheimen Hilfsmittelchen sie zu
ihrer Expertise kommen.
Und doch vertrauen wir auf die veröffentlichten Daten. Sonntagsfrage,
Konjunkturprognose oder Einkommensstudie: Ohne sie (und vieles
andere) wäre unser Leben einfach nur öd und leer. Keine Vorhersagen
zu haben, würde bedeuten, dass wir uns auf nichts einstellen können -
der erste Schritt ins Chaos.
So beruhigte es im Februar dieses Jahres ungemein, als das
Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) - zu einer Zeit, als die
Regierung Budgetkonsolidierung gerade einmal buchstabierte - einen
Optionenbericht zur Sanierung des Staatshaushaltes vorlegte. Auf 167
Seiten wurde anschaulich dargestellt, wie der Staat sparen kann.
Maßnahmen, die (fast) nicht wehtun und doch Einsparungen in
Milliardenhöhe bringen. Was noch fehlt, ist die Realisierung durch
die verantwortlichen Politiker.
Doch nicht nur mit seinen Vorschlägen kann sich das Wifo (noch) nicht
durchsetzen, parallel dazu muss eines der renommiertesten Institute
hierzulande - wieder einmal - um seine Finanzierung bangen. Natürlich
gibt es Ausnahmen: Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer zahlen
brav, das Finanzministerium erhöhte seine Zuwendungen um die doppelte
Inflation, auch die Arbeiterkammer hat ihre Zahlungen nach oben
korrigiert. Im Gegenzug dazu senkte die Industriellenvereinigung ihre
Förderungen um mehr als die Hälfte, andere folgten. Die Forscher sind
mehr denn je auf "Goldene Förderer" angewiesen: Firmen oder
Privatpersonen, denen das Wifo mehr als 10.000 Euro im Jahr wert ist.
Doch Hand aufs Herz, wollen wir wirklich, dass unsere Experten
künftig ausschließlich auf die finanziellen Zuwendungen von
Unternehmen wie Oberbank, OMV, Infineon, Siemens und Co. angewiesen
sind?
Forschung soll und muss unabhängig bleiben, ohne jeden Makel. Dafür
braucht es die entsprechende staatliche Unterstützung. Denn wir
wünschen uns Wissenschafter, die erforschen, was erforscht werden
muss und uns dann mit den Ergebnissen konfrontieren. Ob sie uns nun
passen oder nicht.
Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Tel.: Redaktionstel.: (01) 60 117/305
http://www.wirtschaftsblatt.at
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