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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Wir Wohlfühlvegetarier" (Von Thomas Götz)
Ausgabe vom 22.08.2010
Graz (OTS) - Wer die Absurdität menschlichen Verhaltens
studieren will, muss nur beobachten, wie wir mit anderen Säugetieren
umgehen. Wir lieben sie, wir quälen sie, wir essen sie und finden das
ganz logisch. Wer Hunde verzehrt und Affen, ist uns ein Barbar, wer
an ihnen medizinische Tests vollzieht, ein Wissenschaftler. Manche
Rassen nennen wir Haustiere, andere Nutztiere. Die einen werden
gezüchtet und wohnen im Zimmer, die anderen werden produziert und in
Ställen gestapelt. Vor den Folgen der Unterscheidung schützen uns
dicke Wände.
Wer schon einmal in einem Schlachthof war, weiß, wovor wir uns da
abschotten, damit wir so weiterleben können wie bisher. Was dort
geschieht, weiß jeder halbwegs wache Mensch. Den Griff zum Kotelett
behindert das nicht.
Ich war vor Jahren in einem Schlachthof. Für einige Zeit hat mir das
den Appetit auf Fleisch verdorben. Das Schreien der verängstigten
Tiere, die genau wussten, wohin sie getrieben werden, klingt mir noch
im Ohr. Nachhaltig war die Erschütterung nicht. Zu tief saß die
Gewohnheit, zu groß war der Genuss, zu einfach ist es, nicht daran zu
denken, woher das Fleisch kommt, das wir essen.
Der amerikanische Autor Jonathan Safran Foer lenkt den Blick wieder
dorthin. In Amerika hat "eating animals" eine Grundsatzdebatte über
Tierhaltung ausgelöst. "Tiere essen", die deutsche Übersetzung, kam
diese Woche in die Buchhandlungen, und die erste Auflage ist bereits
vergriffen.
Das Besondere an Foers Buch ist seine Nüchternheit, das Fehlen von
Fanatismus, von falschem Moralismus. "Versöhnlicher" müssten wir an
die Sache mit dem Vegetarismus herangehen, sagt Foer landauf landab
in Interviews. "Wir sollten nicht Vorwürfe machen, sondern
Alternativen aufzeigen." Foer ist ein Realist, ein Pragmatiker, der
etwas bewirken will. "Das Ziel ist ja nicht, ethisch rein zu sein,
sondern die Welt besser zu machen."
Das hat ihm Prügel eingetragen. Iris Radisch, die Literatur-Chefin
der Wochenzeitung "Die Zeit" und kämpferische Vegetarierin, nennt ihn
höhnisch einen "Wohlfühlvegetarier", weil er die Grundsatzfrage nicht
stellt: Woher nehmen wir überhaupt das Recht, Tiere zu töten? Die
Frage ist interessant und wichtig, sie in den Mittelpunkt der Debatte
zu stellen aber unfruchtbar.
Angeregt durch Foer gehen wir heute quer durch die Zeitung der Frage
nach, ob der Körper überhaupt Fleisch braucht und wenn ja, wie viel.
Wir fragen, wie artgerechte Tierhaltung aussehen könnte und was ihr
Preis ist. Wenn wir uns dafür "Wohlfühlvegetarier" nennen lassen
müssen, seis drum.****
Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at
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