- 04.08.2010, 18:30:08
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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Einmal EFTA-EU - und wieder zurück? - von Hans Weitmayr
Die Entwicklung der EFTA erfährt eine seltsame Renaissance
Wien (OTS) - Wen werfen wir raus? Griechenland, Italien, Portugal?
Nur einen davon oder doch lieber alle? Als die Griechenland-Krise
ihren Höhepunkt erreicht hatte und den Rest der PIIGS-Staaten mit in
den Abgrund zu ziehen drohte, waren diese Fragen gang und gäbe. Die
Antwort lief am Ende auf ein eher uninspiriertes "Wir wissen nicht
einmal, ob das geht" hinaus. Relativ spät in der Diskussion, als sich
die Wogen bereits ein wenig geglättet hatten, kam der Vorschlag auf,
man müsse problematische Länder nicht ausschließen, es könnten
stattdessen, quasi im Umkehrschluss, die Reichen Länder von sich aus
austreten und die Armen in der Union zurücklassen Es stand also eine
URLE, eine Union der Reichen Länder Europas, im Raum.
Dieses Gedankenexperiment ist aus historischen Gründen reizvoll,
erinnert es doch frappant an die Entwicklung der vor 50 Jahren
gegründeten EFTA (siehe auch Seite 7). Dieses Wirtschaftsbündnis, dem
auch Österreich lange Zeit angehörte, schrumpfte kontinuierlich durch
freiwillige Austritte, die dann jeweils in einen EU-Beitritt
mündeten. Die Zone besteht inzwischen nur noch aus der Schweiz,
Liechtenstein, Norwegen und Island, wobei der Inselstaat mit
Nachdruck in den warmen Schoß Brüssels drängt. Was dann bleibt, sind
drei Volkswirtschaften, die extrem solide dastehen, mit Norwegen
befindet sich sogar ein veritabler Rohstoff-Gigant in den Reihen der
Freihandelsregion.
Nun droht der EU aber in rund eineinhalb Jahren eine Fortsetzung des
Ungemach. Aufgrund der schlechten Laufzeitstruktur werden ab diesem
Zeitpunkt griechische Staatsanleihen in furchterregendem Ausmaß
fällig. Die leidige Austritts/Rauswurf-Diskussion wird sich also
unnötigerweise wiederholen.
Unnötig deshalb, weil es in Wirklichkeit nicht darum gehen kann,
einzelne Mitglieder in die Wüste zu schicken, sondern das System an
sich zu verändern. Dazu gehören einfache Grundsätze wie die, dass man
langfristig nicht mehr ausgeben sollte als man einnimmt, die
Einkommensschere der Bevölkerung nicht zu weit auseinanderlaufen
lässt, Innovationsrückstände aufholt etc. Dass die Krisendiskussion
in sachliche Kanäle gelenkt wird, darf jedoch ruhigen Gewissens dem
Reich der frommen Wünsche zugerechnet werden. Das heißt, die
Austritts/Rauswurf-Debatte wird tatsächlich wiederkehren.
Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle unserer Verantwortung als
Themenführer bewusst werden und vorab den folgenden Vorschlag in den
Raum stellen: Die Reichen Länder Europas (RLE) sollten tatsächlich
austreten, aber nicht die URLE gründen, sondern einfach gleich der
EFTA beitreten. Island sollte in der Zwischenzeit bitte die EFTA
verlassen und in die EU wechseln, damit die RLE endlich unter sich
sind.
Klingt bizarr, ist es auch, aber in eineinhalb Jahren reden wir
weiter...
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