- 10.06.2010, 14:27:27
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Justizthemen im Rechnungshofausschuss Höchstgerichte, Strafanstalt Stein, Dauer der Zivilprozesse
Wien (PK) - Nach der Diskussion über RH-Wahrnehmungen bei der 
 "Austrian Development Agency" wandten sich die Mitglieder des 
 Rechnungshofausschusses anhand von Wahrnehmungsberichten aus dem 
 Jahr 2009 Justizfragen zu: "Entscheidungsvorbereitungen bei den 
 Höchstgerichten" (III-94 d.B.), "Justizanstalt Stein" (III-97 
 d.B.) und "Verfahrensdauer im zivilgerichtlichen Verfahren" (III-
 96 d.B.) lauteten die Themen. Abschließend nahm der Ausschuss die 
 RH-Berichte aus dem Jahr 2010 (III-125 d.B. und III-134 d.B.) zur 
 Fristwahrung in Verhandlung und vertagte die Beratungen 
 einstimmig.
Entscheidungsvorbereitung bei den Höchstgerichten
Das Ergebnis seiner Überprüfung der Entscheidungsvorbereitung bei 
 den Höchstgerichten zusammenfassend, sprach der Rechnungshof den 
 jungen Juristen, die beim Obersten Gerichtshof (OGH), beim 
 Verfassungs- (VfGh) und beim Verwaltungsgerichtshof (VwGh) als 
 wissenschaftliche Mitarbeiter zum Einsatz kommen, Lob für ihren 
 "wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der Höchstrichter" aus. 
 Deren Leistungen sollten - wie beim VwGH bereits Usus - bei allen 
 Höchstgerichten systematisch erfasst werden, um eine Basis für 
 ein Controlling- und Steuerungssystem zu schaffen. Außerdem riet 
 der Rechnungshof zur Erstellung eines Anforderungsprofils für 
 solche Mitarbeiter und vertrat die Auffassung, nicht nur ernannte 
 Richter, sondern auch Richteramtsanwärter könnten als 
 wissenschaftliche Mitarbeiter zum Einsatz kommen.
Positiv beschrieben die RH-Prüfer auch die Tätigkeit der 
 Evidenzbüros zur Erfassung und Aufbereitung der Entscheidungen an 
 den drei Höchstgerichten und schlugen vor, die Aufgaben dieser 
 Büros in der Geschäftsordnung festzulegen. Aus Einsparungsgründen 
 hält der RH eine Zusammenlegung der beiden Bibliotheken des VfGH 
 und des VwGH am Standort Judenplatz für prüfenswert.
Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) erkundigte sich nach der 
 Erstellung eines Anforderungsprofils für wissenschaftliche 
 Mitarbeiter bei den Höchstgerichten.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) drängte darauf, das 
 Evidenzbüro des OHG personell auszubauen und erkundigte sich nach 
 der Möglichkeit, dort auch nichtrichterliche Juristen 
 einzusetzen.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) machte auf die 
 unterschiedlichen Aufgaben der einzelnen Höchstgerichte 
 aufmerksam, die unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für 
 wissenschaftliche Mitarbeiter bedingten, und warnte vor den 
 Mehrkosten, die die Einrichtung von 
 Landesverwaltungsgerichtshöfen nach sich ziehen könnten.
Abgeordnete Martina Schenk (B) thematisierte die Arbeitsbelastung 
 und Beschwerden wegen Überforderung von wissenschaftlichen 
 Mitarbeitern bei den Höchstgerichten.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner teilte den Abgeordneten 
 mit, dass eine kurzfristige Zuteilung von Richteramtsanwärtern 
 als wissenschaftliche Mitarbeiter an Höchstgerichten nicht 
 sinnvoll sei, weil dies nicht den Ausbildungszielen angehender 
 Richter entspreche und auch nicht den Aufgaben in einem 
 Evidenzbüro, wo Routine gefragt sei, weswegen längerfristige 
 Beschäftigungen zweckmäßig seien. Der EDV-Einsatz habe es 
 erlaubt, die Effizienz des Evidenzbüros wesentlich zu steigern, 
 dazu komme eine erfolgreiche Kooperation mit Dozenten der 
 Universität Wien, erfuhren die Abgeordneten. Die Leistungen der 
 wissenschaftlichen Mitarbeiter werden mittlerweile sehr genau 
 erfasst, teilte die Justizministerin schließlich mit.
Rechnungshofpräsident Josef Moser unterstrich noch einmal die 
 Bedeutung der wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der 
 Entscheidungsvorbereitung bei den Höchstgerichten und würdigte 
 die Entlastung der Richter durch die Tätigkeit der Evidenzbüros. 
 Daher schlage der Rechnungshof vor, die dort tätigen Juristen 
 längerfristig einzusetzen. Bei der Leistungserfassung der 
 wissenschaftlichen Mitarbeiter nannte der RH-Präsident den VfGH 
 und den VwGH als beispielgebend. Auch Josef Moser meinte, man 
 sollte bei Änderung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und vor 
 Einführung von Landesverwaltungsgerichtshöfen auf mögliche 
 Mehrkosten achten und eine Kostennutzenanalyse erstellen.
Follow-up-Überprüfung bei der Justizanstalt Stein
Justizministerium und Justizanstalt Stein haben die RH-
 Empfehlungen aus dem Jahr 2007 großteils umgesetzt, teilte der 
 Rechnungshof den Abgeordneten in einer Follow-up-Überprüfung mit. 
 Computer von Insassen werden regelmäßig kontrolliert, der Leiter 
 setze das PM-SAP-Managementinformationssystem als Controlling- 
 und Steuerungsinstrument ein und alle Insassengruppen sind vom
 Vollzugsplan erfasst. Umgesetzt wurde auch die RH-Empfehlung auf 
 Einrichtung einer Datenbank zur "Integrierten 
 Wirtschaftsverwaltung". Teilerfolge stellten die Prüfer auch bei 
 der Verbesserung der technischen Sicherheit fest.
Folgende - bis dato nicht umgesetzte - Empfehlungen hielt der 
 Rechnungshof allerdings weiter aufrecht: Nachbesetzung zweier 
 freier Planstellen für leitende Justizwachebeamte; Überarbeitung 
 der Richtlinien für den Einsatz von PC in Hafträumen; Einsatz 
 eines Suchtmittelspürhunds in der Justizanstalt Stein; 
 Evaluierung des Personaleinsatzes hinsichtlich der Verbesserung 
 der technischen Sicherheit sowie der Dienstführendenplanstellen; 
 ein besseres Personaleinsatzkonzept und eine zeitgerechte 
 Abwicklung der mit der BIG getroffenen Vereinbarung zur 
 Verbesserung der technischen Sicherheit.
Abgeordneter Ewald Sacher (S) gab seiner Freude über die 
 Realisierung von Rechnungshofempfehlungen in der Strafanstalt 
 Stein Ausdruck und mahnte die Umsetzung der noch offenen Punkte 
 ein: den Einsatz eines eigenen Suchtmittelspürhundes, die 
 Nachbesetzung zweier leitender Positionen und die Beseitigung 
 baulicher Mängel.
Abgeordneter Erwin Hornek (V) schloss sich seinem Vorredner an, 
 erinnerte aber zugleich an die budgetären Zwänge, die es bei der 
 Realisierung des tatsächlich noch vorhanden 
 Verbesserungspotenzials in der Strafanstalt Stein zu 
 berücksichtigen gelte.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) erinnerte die SPÖ an den - 
 auch von ihre vertagten - FPÖ-Antrag im Justizausschuss auf 
 Anschaffung eines Suchtmittelspürhunds in der Strafanstalt Stein. 
 Rosenkranz würdigte insbesondere auch die schwere Schichtarbeit 
 der Justizwachebeamten in diesem Hochsicherheitsgefängnis.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) hielt es angesichts der 
 geplanten Einsparungen im Justizressort für notwendig, die 
 Relation zwischen teuren Exekutivbeamten und Zivilbediensteten in 
 der Verwaltung der Strafanstalten zu optimieren.
Abgeordneter Gerald Grosz (B) lobte Fortschritte bei der 
 Beseitigung von Missständen in der Strafanstalt Stein, machte auf 
 krasse Ungleichheiten bei der Ausstattung der verschiedenen 
 Strafanstalten aufmerksam, wobei er die Strafanstalt Leoben als 
 einen "Sechs- Sterne-Tempel" bezeichnete und kritisierte 
 "freihändig vergebene Bonuszahlungen" an Bedienstete aus 
 Einkünften der Häftlingsbeschäftigung.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner begrüßte grundsätzlich 
 Suchtgiftspürhunde in Strafvollzugsanstalten, meinte aber, der 
 Einsatz eines eigenen Hundes sei absolut ineffizient und überdies 
 sehr teuer. Aus diesem Grund setze die Justiz für die 
 Suchtgiftkontrolle Hunde der Polizei ein.
Was den Dienst von Exekutivbeamten in der Verwaltung betrifft 
 teilte die Ministerin mit, dass langfristig der Anteil der 
 Verwaltungsbeamten ausgedehnt werden solle, wobei in einem ersten 
 Schritt eine Aufstockung auf 30 % geplant sei.
Rechnungshofpräsident Josef Moser stellte fest, der Großteil der 
 Empfehlungen sei bereits umgesetzt. Dem Thema Suchtgift in 
 Strafvollzugsanstalten sollte seiner Einschätzung nach mehr 
 Beachtung geschenkt werden. Er trat für regelmäßige Kontrollen 
 mit Suchtgiftspürhunden ein und erwartete sich davon vor allem 
 Präventivwirkung. Überdies plädierte Moser für den 
 verwendungsgruppengerechten Einsatz von Exekutivbediensteten und 
 wies auf das dadurch erzielbare hohe Einsparungspotenzial hin.
Verfahrensdauer im zivilgerichtlichen Verfahren
Erhebungen aus dem Jahr 2007 zufolge dauern streitige 
 zivilgerichtliche Verfahren bis zur Entscheidung in erster 
 Instanz bei Bezirksgerichten 8,6 Monate und bei den 
 Landesgerichten 16,3 Monate, teilte der Rechnungshof den 
 Abgeordneten in seinem Bericht III-96 d.B. mit. Im Vergleich mit 
 28 Staaten lag Österreich bei der zivilgerichtlichen 
 Verfahrensdauer an fünfter Stelle. Besonders hoch war die 
 Verfahrensdauer bei Schäden aus Verkehrsunfällen und bei 
 Schadenersatz- und Gewährleistungen. Verfahren mit 
 Sachverständigen dauerten doppelt so lang wie jene ohne 
 Sachverständige.
Als Ursachen für die lange Dauer zivilrechtlicher Verfahren nennt 
 der Rechnungshof eine wenig straffe Verfahrensführung durch die 
 Richter, hohe Berufungsquoten gegen erstinstanzliche Urteile und 
 die häufige Neubesetzung von Richterplanstellen. Überlange, 
 länger als drei Jahre dauernde Verfahren (2 % bei 
 Bezirksgerichten, 9 % bis 10 % bei Landesgerichten) waren laut 
 Rechnungshof nicht oder nur zum Teil auf von den Richtern 
 beeinflussbare Faktoren zurückzuführen. Kritik übte der 
 Rechnungshof an fehlenden oder mangelhaften Daten zur Dauer der 
 Gutachtenerstellungen, was eine Analyse der Ursachen für 
 Verfahrensverzögerungen erschwere, auch die Eintragungen in der 
 "Verfahrensautomation Justiz" ließen keine Aussagen hinsichtlich 
 der Ursachen von zeitlichen Verzögerungen zu, bemängelte der 
 Rechnungshof.
Positiv bewertete der Rechnungshof die elektronischen 
 Geschäftsregister als Grundlagen für interne Kontrollmaßnahmen 
 und die Kontrollberichte sowie das System der Inneren Revision. 
 Für differenzierte statistische Auswertungen und Analysen hätten 
 sich aber auch diese Instrumente als nicht geeignet erwiesen.
Das Bemühen der Gerichtspräsidenten um Verkürzung der Verfahren 
 spiele die Fortbildung eine wichtige Rolle, berichtete der 
 Rechnungshof, vor allem Richter-Seminare über ökonomische 
 Verfahrensführung, Parteienbehandlung und Einbindung
 von Sachverständigen. Positiv werde die Verfahrensdauer durch die 
 bei einigen Gerichten bestehenden "Servicecenter" beeinflusst. 
 Wertvolle Bausteine zur Optimierung von Geschäftsprozessen 
 stellten der Einsatz der EDV und das vom Ministerium eingeführte 
 System der elektronischen Schreibgutverwaltung sowie die 
 Schreibpools dar, die Schreibfristen verkürzen, lobte der 
 Rechnungshof.
Die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Verkürzung der Dauer 
 zivilgerichtlicher Verfahren lauteten auf Maßnahmen zur Straffung 
 der Verfahrensführung und auf Zuordnung der Verantwortung für 
 eine rasche Urteilsabfertigung an Richter und Schreibdienste. Die 
 "Verfahrensautomation Justiz" sollte Beauftragung und Erledigung 
 von Gutachten obligatorisch erfassen sowie Aussagen über die 
 Dauer zivilgerichtlicher Verfahren und weiterführende Analysen 
 ermöglichen. Die Verfahrensdauerstatistik sollte ausgebaut 
 werden, um normale Verfahren abzukürzen. Überlange Verfahren 
 seien zu beobachten und erforderlichenfalls Maßnahmen zu setzen. 
 Die Innere Revision des Ressorts will der Rechnungshof gestärkt 
 und zur Analyse der Ursachen für lange Verfahrensdauern genutzt 
 sehen. Für die neue Personalanforderungsrechnung verlangt der 
 Rechnungshof aussagekräftige und realitätsnahe Werte. Die 
 Ursachen für die häufigen Richterwechsel sollten erfasst und 
 offene Planstellen möglichst rasch nachbesetzt werden. 
 Schließlich setzt der Rechnungshof auf Lehrgänge im Fach 
 Justizmanagement, auf die Errichtung weiterer Servicecenter und 
 auf den Einsatz eigener Schreibkräfte im Rahmen der 
 elektronischen Schreibgutverwaltung beim Oberlandesgericht Wien.
In der Debatte wurde von den Abgeordneten Christian Faul (S) und 
 Martina Schenk (B) die Rolle der Sachverständigen im Zusammenhang 
 mit überdurchschnittlich langen Verfahren angesprochen. 
 Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) wiederum wies auf einen 
 internationalen Vergleich hin, demzufolge Österreich im 
 Spitzenfeld jener Länder mit der kürzesten Verfahrensdauer liegt. 
 Die subjektiv gefühlte lange Verfahrensdauer führte er auf die 
 steigende Neigung zurück, Rechtsmittel einzulegen, aber vor allem 
 auch auf die Überlastung der Gutachter.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) wies auf die 
 Personalsituation hin und warnte vor Personalknappheit in der 
 Justiz, insbesondere in den Kanzleien und beim Schreibpersonal.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner klagte ebenfalls über 
 knappe Personalressourcen in der Justiz und bemerkte, man müsse 
 zunehmend über Auslagerungen von gewissen Streitigkeiten aus der 
 Justiz nachdenken, vorstellbar waren für die Ressortleiterin 
 dabei etwa Versicherungsstreitigkeiten im Gefolge von 
 Verkehrsunfällen oder der Ausbau der schiedsgerichtlichen 
 Verfahren. Zum Thema Sachverständige hielt sie fest, die hohe 
 Anzahl von Gutachten liege auch ihr "im Magen". Man könne aber 
 den Richtern nicht vorschreiben, ob sie Gutachten bestellen oder 
 nicht. In Teilbereichen wie der Wirtschaftskriminalität sei nun 
 aber geplant, eigene Kompetenzen innerhalb der Justiz zu 
 schaffen.
In Sachen Personal begrüßte Bandion-Ortner ausdrücklich den 
 Einsatz von Bediensteten von Post und Telekom in der Justiz und 
 lobte insbesondere deren Engagement und Einsatzfreudigkeit.
Rechnungshofpräsident Josef Moser sah nach wie vor hohen 
 Handlungsbedarf bei der Verfahrensdauer im Bereich der streitigen 
 Verfahren und betonte, die Justizverwaltung sollte alle 
 Möglichkeiten ausschöpfen, die eine schnellere 
 Verfahrensabwicklung zulassen. In diesem Sinn sah er auch die 
 Dienstaufsicht aufgerufen, im Wege von Rückstandsausweisungen, 
 Kontrollberichten und Nachschauen tätig zu werden. Bei der 
 Statistik trat Moser grundsätzlich für eine differenzierte 
 Darstellung nach Verfahrensart und Verfahrenserledigung, 
 Beiziehung von Sachverständigen und Verfahrensausgang mit Urteil 
 oder Vergleich ein. (Schluss)
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