Wien (PK) - Nach der Diskussion über RH-Wahrnehmungen bei der
"Austrian Development Agency" wandten sich die Mitglieder des
Rechnungshofausschusses anhand von Wahrnehmungsberichten aus dem
Jahr 2009 Justizfragen zu: "Entscheidungsvorbereitungen bei den
Höchstgerichten" (III-94 d.B.), "Justizanstalt Stein" (III-97
d.B.) und "Verfahrensdauer im zivilgerichtlichen Verfahren" (III-
96 d.B.) lauteten die Themen. Abschließend nahm der Ausschuss die
RH-Berichte aus dem Jahr 2010 (III-125 d.B. und III-134 d.B.) zur
Fristwahrung in Verhandlung und vertagte die Beratungen
einstimmig.
Entscheidungsvorbereitung bei den Höchstgerichten
Das Ergebnis seiner Überprüfung der Entscheidungsvorbereitung bei
den Höchstgerichten zusammenfassend, sprach der Rechnungshof den
jungen Juristen, die beim Obersten Gerichtshof (OGH), beim
Verfassungs- (VfGh) und beim Verwaltungsgerichtshof (VwGh) als
wissenschaftliche Mitarbeiter zum Einsatz kommen, Lob für ihren
"wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der Höchstrichter" aus.
Deren Leistungen sollten - wie beim VwGH bereits Usus - bei allen
Höchstgerichten systematisch erfasst werden, um eine Basis für
ein Controlling- und Steuerungssystem zu schaffen. Außerdem riet
der Rechnungshof zur Erstellung eines Anforderungsprofils für
solche Mitarbeiter und vertrat die Auffassung, nicht nur ernannte
Richter, sondern auch Richteramtsanwärter könnten als
wissenschaftliche Mitarbeiter zum Einsatz kommen.
Positiv beschrieben die RH-Prüfer auch die Tätigkeit der
Evidenzbüros zur Erfassung und Aufbereitung der Entscheidungen an
den drei Höchstgerichten und schlugen vor, die Aufgaben dieser
Büros in der Geschäftsordnung festzulegen. Aus Einsparungsgründen
hält der RH eine Zusammenlegung der beiden Bibliotheken des VfGH
und des VwGH am Standort Judenplatz für prüfenswert.
Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) erkundigte sich nach der
Erstellung eines Anforderungsprofils für wissenschaftliche
Mitarbeiter bei den Höchstgerichten.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) drängte darauf, das
Evidenzbüro des OHG personell auszubauen und erkundigte sich nach
der Möglichkeit, dort auch nichtrichterliche Juristen
einzusetzen.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) machte auf die
unterschiedlichen Aufgaben der einzelnen Höchstgerichte
aufmerksam, die unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für
wissenschaftliche Mitarbeiter bedingten, und warnte vor den
Mehrkosten, die die Einrichtung von
Landesverwaltungsgerichtshöfen nach sich ziehen könnten.
Abgeordnete Martina Schenk (B) thematisierte die Arbeitsbelastung
und Beschwerden wegen Überforderung von wissenschaftlichen
Mitarbeitern bei den Höchstgerichten.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner teilte den Abgeordneten
mit, dass eine kurzfristige Zuteilung von Richteramtsanwärtern
als wissenschaftliche Mitarbeiter an Höchstgerichten nicht
sinnvoll sei, weil dies nicht den Ausbildungszielen angehender
Richter entspreche und auch nicht den Aufgaben in einem
Evidenzbüro, wo Routine gefragt sei, weswegen längerfristige
Beschäftigungen zweckmäßig seien. Der EDV-Einsatz habe es
erlaubt, die Effizienz des Evidenzbüros wesentlich zu steigern,
dazu komme eine erfolgreiche Kooperation mit Dozenten der
Universität Wien, erfuhren die Abgeordneten. Die Leistungen der
wissenschaftlichen Mitarbeiter werden mittlerweile sehr genau
erfasst, teilte die Justizministerin schließlich mit.
Rechnungshofpräsident Josef Moser unterstrich noch einmal die
Bedeutung der wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der
Entscheidungsvorbereitung bei den Höchstgerichten und würdigte
die Entlastung der Richter durch die Tätigkeit der Evidenzbüros.
Daher schlage der Rechnungshof vor, die dort tätigen Juristen
längerfristig einzusetzen. Bei der Leistungserfassung der
wissenschaftlichen Mitarbeiter nannte der RH-Präsident den VfGH
und den VwGH als beispielgebend. Auch Josef Moser meinte, man
sollte bei Änderung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und vor
Einführung von Landesverwaltungsgerichtshöfen auf mögliche
Mehrkosten achten und eine Kostennutzenanalyse erstellen.
Follow-up-Überprüfung bei der Justizanstalt Stein
Justizministerium und Justizanstalt Stein haben die RH-
Empfehlungen aus dem Jahr 2007 großteils umgesetzt, teilte der
Rechnungshof den Abgeordneten in einer Follow-up-Überprüfung mit.
Computer von Insassen werden regelmäßig kontrolliert, der Leiter
setze das PM-SAP-Managementinformationssystem als Controlling-
und Steuerungsinstrument ein und alle Insassengruppen sind vom
Vollzugsplan erfasst. Umgesetzt wurde auch die RH-Empfehlung auf
Einrichtung einer Datenbank zur "Integrierten
Wirtschaftsverwaltung". Teilerfolge stellten die Prüfer auch bei
der Verbesserung der technischen Sicherheit fest.
Folgende - bis dato nicht umgesetzte - Empfehlungen hielt der
Rechnungshof allerdings weiter aufrecht: Nachbesetzung zweier
freier Planstellen für leitende Justizwachebeamte; Überarbeitung
der Richtlinien für den Einsatz von PC in Hafträumen; Einsatz
eines Suchtmittelspürhunds in der Justizanstalt Stein;
Evaluierung des Personaleinsatzes hinsichtlich der Verbesserung
der technischen Sicherheit sowie der Dienstführendenplanstellen;
ein besseres Personaleinsatzkonzept und eine zeitgerechte
Abwicklung der mit der BIG getroffenen Vereinbarung zur
Verbesserung der technischen Sicherheit.
Abgeordneter Ewald Sacher (S) gab seiner Freude über die
Realisierung von Rechnungshofempfehlungen in der Strafanstalt
Stein Ausdruck und mahnte die Umsetzung der noch offenen Punkte
ein: den Einsatz eines eigenen Suchtmittelspürhundes, die
Nachbesetzung zweier leitender Positionen und die Beseitigung
baulicher Mängel.
Abgeordneter Erwin Hornek (V) schloss sich seinem Vorredner an,
erinnerte aber zugleich an die budgetären Zwänge, die es bei der
Realisierung des tatsächlich noch vorhanden
Verbesserungspotenzials in der Strafanstalt Stein zu
berücksichtigen gelte.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) erinnerte die SPÖ an den -
auch von ihre vertagten - FPÖ-Antrag im Justizausschuss auf
Anschaffung eines Suchtmittelspürhunds in der Strafanstalt Stein.
Rosenkranz würdigte insbesondere auch die schwere Schichtarbeit
der Justizwachebeamten in diesem Hochsicherheitsgefängnis.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) hielt es angesichts der
geplanten Einsparungen im Justizressort für notwendig, die
Relation zwischen teuren Exekutivbeamten und Zivilbediensteten in
der Verwaltung der Strafanstalten zu optimieren.
Abgeordneter Gerald Grosz (B) lobte Fortschritte bei der
Beseitigung von Missständen in der Strafanstalt Stein, machte auf
krasse Ungleichheiten bei der Ausstattung der verschiedenen
Strafanstalten aufmerksam, wobei er die Strafanstalt Leoben als
einen "Sechs- Sterne-Tempel" bezeichnete und kritisierte
"freihändig vergebene Bonuszahlungen" an Bedienstete aus
Einkünften der Häftlingsbeschäftigung.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner begrüßte grundsätzlich
Suchtgiftspürhunde in Strafvollzugsanstalten, meinte aber, der
Einsatz eines eigenen Hundes sei absolut ineffizient und überdies
sehr teuer. Aus diesem Grund setze die Justiz für die
Suchtgiftkontrolle Hunde der Polizei ein.
Was den Dienst von Exekutivbeamten in der Verwaltung betrifft
teilte die Ministerin mit, dass langfristig der Anteil der
Verwaltungsbeamten ausgedehnt werden solle, wobei in einem ersten
Schritt eine Aufstockung auf 30 % geplant sei.
Rechnungshofpräsident Josef Moser stellte fest, der Großteil der
Empfehlungen sei bereits umgesetzt. Dem Thema Suchtgift in
Strafvollzugsanstalten sollte seiner Einschätzung nach mehr
Beachtung geschenkt werden. Er trat für regelmäßige Kontrollen
mit Suchtgiftspürhunden ein und erwartete sich davon vor allem
Präventivwirkung. Überdies plädierte Moser für den
verwendungsgruppengerechten Einsatz von Exekutivbediensteten und
wies auf das dadurch erzielbare hohe Einsparungspotenzial hin.
Verfahrensdauer im zivilgerichtlichen Verfahren
Erhebungen aus dem Jahr 2007 zufolge dauern streitige
zivilgerichtliche Verfahren bis zur Entscheidung in erster
Instanz bei Bezirksgerichten 8,6 Monate und bei den
Landesgerichten 16,3 Monate, teilte der Rechnungshof den
Abgeordneten in seinem Bericht III-96 d.B. mit. Im Vergleich mit
28 Staaten lag Österreich bei der zivilgerichtlichen
Verfahrensdauer an fünfter Stelle. Besonders hoch war die
Verfahrensdauer bei Schäden aus Verkehrsunfällen und bei
Schadenersatz- und Gewährleistungen. Verfahren mit
Sachverständigen dauerten doppelt so lang wie jene ohne
Sachverständige.
Als Ursachen für die lange Dauer zivilrechtlicher Verfahren nennt
der Rechnungshof eine wenig straffe Verfahrensführung durch die
Richter, hohe Berufungsquoten gegen erstinstanzliche Urteile und
die häufige Neubesetzung von Richterplanstellen. Überlange,
länger als drei Jahre dauernde Verfahren (2 % bei
Bezirksgerichten, 9 % bis 10 % bei Landesgerichten) waren laut
Rechnungshof nicht oder nur zum Teil auf von den Richtern
beeinflussbare Faktoren zurückzuführen. Kritik übte der
Rechnungshof an fehlenden oder mangelhaften Daten zur Dauer der
Gutachtenerstellungen, was eine Analyse der Ursachen für
Verfahrensverzögerungen erschwere, auch die Eintragungen in der
"Verfahrensautomation Justiz" ließen keine Aussagen hinsichtlich
der Ursachen von zeitlichen Verzögerungen zu, bemängelte der
Rechnungshof.
Positiv bewertete der Rechnungshof die elektronischen
Geschäftsregister als Grundlagen für interne Kontrollmaßnahmen
und die Kontrollberichte sowie das System der Inneren Revision.
Für differenzierte statistische Auswertungen und Analysen hätten
sich aber auch diese Instrumente als nicht geeignet erwiesen.
Das Bemühen der Gerichtspräsidenten um Verkürzung der Verfahren
spiele die Fortbildung eine wichtige Rolle, berichtete der
Rechnungshof, vor allem Richter-Seminare über ökonomische
Verfahrensführung, Parteienbehandlung und Einbindung
von Sachverständigen. Positiv werde die Verfahrensdauer durch die
bei einigen Gerichten bestehenden "Servicecenter" beeinflusst.
Wertvolle Bausteine zur Optimierung von Geschäftsprozessen
stellten der Einsatz der EDV und das vom Ministerium eingeführte
System der elektronischen Schreibgutverwaltung sowie die
Schreibpools dar, die Schreibfristen verkürzen, lobte der
Rechnungshof.
Die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Verkürzung der Dauer
zivilgerichtlicher Verfahren lauteten auf Maßnahmen zur Straffung
der Verfahrensführung und auf Zuordnung der Verantwortung für
eine rasche Urteilsabfertigung an Richter und Schreibdienste. Die
"Verfahrensautomation Justiz" sollte Beauftragung und Erledigung
von Gutachten obligatorisch erfassen sowie Aussagen über die
Dauer zivilgerichtlicher Verfahren und weiterführende Analysen
ermöglichen. Die Verfahrensdauerstatistik sollte ausgebaut
werden, um normale Verfahren abzukürzen. Überlange Verfahren
seien zu beobachten und erforderlichenfalls Maßnahmen zu setzen.
Die Innere Revision des Ressorts will der Rechnungshof gestärkt
und zur Analyse der Ursachen für lange Verfahrensdauern genutzt
sehen. Für die neue Personalanforderungsrechnung verlangt der
Rechnungshof aussagekräftige und realitätsnahe Werte. Die
Ursachen für die häufigen Richterwechsel sollten erfasst und
offene Planstellen möglichst rasch nachbesetzt werden.
Schließlich setzt der Rechnungshof auf Lehrgänge im Fach
Justizmanagement, auf die Errichtung weiterer Servicecenter und
auf den Einsatz eigener Schreibkräfte im Rahmen der
elektronischen Schreibgutverwaltung beim Oberlandesgericht Wien.
In der Debatte wurde von den Abgeordneten Christian Faul (S) und
Martina Schenk (B) die Rolle der Sachverständigen im Zusammenhang
mit überdurchschnittlich langen Verfahren angesprochen.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) wiederum wies auf einen
internationalen Vergleich hin, demzufolge Österreich im
Spitzenfeld jener Länder mit der kürzesten Verfahrensdauer liegt.
Die subjektiv gefühlte lange Verfahrensdauer führte er auf die
steigende Neigung zurück, Rechtsmittel einzulegen, aber vor allem
auch auf die Überlastung der Gutachter.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) wies auf die
Personalsituation hin und warnte vor Personalknappheit in der
Justiz, insbesondere in den Kanzleien und beim Schreibpersonal.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner klagte ebenfalls über
knappe Personalressourcen in der Justiz und bemerkte, man müsse
zunehmend über Auslagerungen von gewissen Streitigkeiten aus der
Justiz nachdenken, vorstellbar waren für die Ressortleiterin
dabei etwa Versicherungsstreitigkeiten im Gefolge von
Verkehrsunfällen oder der Ausbau der schiedsgerichtlichen
Verfahren. Zum Thema Sachverständige hielt sie fest, die hohe
Anzahl von Gutachten liege auch ihr "im Magen". Man könne aber
den Richtern nicht vorschreiben, ob sie Gutachten bestellen oder
nicht. In Teilbereichen wie der Wirtschaftskriminalität sei nun
aber geplant, eigene Kompetenzen innerhalb der Justiz zu
schaffen.
In Sachen Personal begrüßte Bandion-Ortner ausdrücklich den
Einsatz von Bediensteten von Post und Telekom in der Justiz und
lobte insbesondere deren Engagement und Einsatzfreudigkeit.
Rechnungshofpräsident Josef Moser sah nach wie vor hohen
Handlungsbedarf bei der Verfahrensdauer im Bereich der streitigen
Verfahren und betonte, die Justizverwaltung sollte alle
Möglichkeiten ausschöpfen, die eine schnellere
Verfahrensabwicklung zulassen. In diesem Sinn sah er auch die
Dienstaufsicht aufgerufen, im Wege von Rückstandsausweisungen,
Kontrollberichten und Nachschauen tätig zu werden. Bei der
Statistik trat Moser grundsätzlich für eine differenzierte
Darstellung nach Verfahrensart und Verfahrenserledigung,
Beiziehung von Sachverständigen und Verfahrensausgang mit Urteil
oder Vergleich ein. (Schluss)
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