Wien (PK) - Ein eigenes Europäisches Kulturerbe-Siegel soll
Stätten und immaterielles Kulturerbe, die von besonderer
Bedeutung für die europäische Kultur und Geschichte sind,
auszeichnen. Das sieht ein Vorschlag der Europäischen Kommission
vor, der heute im EU-Unterausschuss des Nationalrats in
Anwesenheit von Bundesministerin Claudia Schmied diskutiert
wurde. Dabei soll es laut Erläuterungen nicht um architektonische
Qualität oder die Bewahrung des Kulturerbes gehen, sondern
vielmehr um den symbolischen Wert für den europäischen
Einigungsprozess. Ziel ist es, die BürgerInnen eingehender mit
dem europäischen Aufbauwerk und dem vielfältigen Kulturerbe
vertraut zu machen.
Die Abgeordneten der Opposition äußerten sich unisono ablehnend.
Die Argumente reichten von Doppelgleisigkeiten, unnötiger
Bürokratie bis hin zum Zweifel, dass durch derartige Schritte die
Kluft zwischen den BürgerInnen und der EU verkleinert werden
könnte (Abgeordneter Johannes Hübner, F). Man könne keine
Identität konstruieren, diese müsse wachsen, sagten
beispielsweise die Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G) und Stefan
Petzner (B). Der von Abgeordnetem Hübner (F) eingebrachte Antrag
auf Ausschussfeststellung mit der Aufforderung, dem Vorschlag der
Kommission nicht zuzustimmen, wurde nur von FPÖ, Grünen und BZÖ
unterstützt und blieb somit in der Minderheit.
Im Gegensatz dazu begrüßten die Abgeordneten Christine Muttonen
(S) und Sylvia Fuhrmann (V) die Vorlage grundsätzlich, wobei sie
aber auch die Notwendigkeit einiger Konkretisierungen einräumten.
In ihrem Antrag auf Ausschussfeststellung sprechen sie sich für
klare Definitionen und Kriterien für das geplante Siegel aus. Das
Verhältnis der Maßnahmen zu bereits existierenden Initiativen
sollte noch weiter präzisiert werden, heißt es darin weiter. Der
Antrag unterstreicht darüber hinaus die Notwendigkeit, die
Vermittlung der europäischen Geschichte und Werte gegenüber
Jugendlichen weiter zu stärken, wozu auch das europäische
Kulturerbe-Siegel einen bedeutenden Mehrwert liefern könne. Die
pädagogische Komponente des geplanten Siegels solle daher weiter
forciert werden. Dieser Antrag wurde schließlich mit den Stimmen
von SPÖ und ÖVP mehrheitlich angenommen.
Schmied: Kulturerbe-Siegel mit politischer Bildung verknüpfen
Bundesministerin Claudia Schmied erläuterte, die Kommission
plane, den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen,
jährlich zwei Stätten einzureichen, die dann von einer 12-
köpfigen Expertenjury bewertet werden, um schließlich eine Stätte
pro Land für die Auszeichnung zu empfehlen. Die formale
Zuerkennung erfolgt durch die Kommission.
Die Kommission will mit diesem Schritt der bereits bestehenden
zwischenstaatlichen Initiative einen einheitlichen Rahmen geben.
Seit 2006 wurden auf dieser Grundlage 64 Stätten in 17
Mitgliedstaaten und in der Schweiz prämiert. Österreich hat sich
bislang nicht daran beteiligt, da es keine einheitlichen
Auswahlkriterien gibt und keine klare Abgrenzung zu etablierten
Auszeichnungen, wie dem UNESCO-Weltkulturerbe oder den
Kulturrouten des Europarats, erfolgt ist. Das bestehende Konzept
sei noch unausgereift, sagte Ministerin Schmied.
Dementsprechend fiel auch ihre Stellungnahme zur Vorlage der
Kommission aus. Sie befürwortete zwar grundsätzlich die Schaffung
eines derartigen Siegels, hielt aber fest, der Mehrwert des
Siegels könne nur in einer klaren Abgrenzung zu bestehenden
Initiativen der UNESCO, des Europarats und der EU selbst liegen.
Wesentlich aus heimischer Sicht seien klare Kriterien sowie ein
transparentes Auswahl- und Kontrollverfahren. Schmied tendierte
dazu, die Stätten nicht in einem jährlichen Rhythmus, sondern in
größeren Zeiträumen auszuwählen. Im Sinne einer einheitlichen
Vorgangsweise lehnt Österreich auch die Forderung ab, den bereits
ernannten Stätten den Titel ohne weitere Prüfung zu belassen.
Auch die Bezugnahme auf die EU ist für Schmied zu eng gegriffen.
Besser wäre es ihrer Ansicht nach, auf die europäische
Geschichte, auf Stätten mit symbolischem Wert und weniger auf
ästhetische Kriterien abzustellen.
Schmied erklärte, sie plane diese europäische Initiative auch eng
mit der politischen Bildung zu verknüpfen, indem bei einer
etwaigen Umsetzung der Schwerpunkt auf Jugendarbeit und
Vermittlungstätigkeit gelegt werden soll.
Wie den Unterlagen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst
und Kultur zu entnehmen ist, liegen die Positionen der
Mitgliedstaaten teilweise noch weit auseinander. Offene Fragen
betreffen insbesondere die Kriterien, das Auswahlprozedere, die
Neubewertung der bereits prämierten Stätten sowie die Teilnahme
von Drittstaaten.
SPÖ: Das Siegel muss mehr sein als eine schöne Tafel
Es sei eine wichtige Aufgabe, die Grundidee des europäischen
Einigungsprozesses stärker zu vermitteln, begründete Abgeordnete
Christine Muttonen (S) zu Beginn der Diskussion ihre positive
Haltung zum Europäischen Kulturerbe-Siegel. In diesem Punkt
unterscheide es sich deutlich von anderen derartigen Siegeln,
sagte sie. Dennoch müsse man bei der Umsetzung auf klare
Auswahlkriterien achten und dafür Sorge tragen, dass den
ausgewählten Stätten nicht unverhältnismäßig große bürokratische
Lasten auferlegt werden. Die Stätten sollten auch nach der
Zuerkennung des Siegels sowohl durch die EU als auch durch die
Nationalstaaten unterstützt werden. Das Siegel müsse "mehr sein
als eine schöne Tafel", betonte Muttonen.
Ihre Klubkollegin Sonja Ablinger (S) knüpfte an die Ausführungen
von Bundesministerin Schmied an, indem sie die Notwendigkeit
unterstrich, mit Hilfe dieser Initiative die Geschichte und das
Werden Europas den Menschen näher zu bringen. Europa sei geprägt
durch seine Vielfalt, stellte Ablinger fest, weshalb sie dafür
eintrat, ein besonderes Augenmerk auch auf grenzüberschreitende
Stätten zu legen und Drittländer miteinzubeziehen. Darin sah sie
auch eine Möglichkeit, Schulen in die Auffindung von Stätten
einzubinden und bildungspolitische Projekte durchzuführen.
ÖVP: Bundesländer mit einbeziehen
Es sei grundsätzlich alles zu unterstützen, womit der europäische
Prozess und die Bewusstseinsbildung gestärkt werden, bekräftigte
Abgeordneter Karl Donabauer (V). Die Fokussierung auf
Geschichtsvermittlung wurde auch von Abgeordneter Silvia Fuhrmann
(V) unterstützt. Wie ihr Klubkollege Karl Donabauer sprach sie
sich für die Einbindung der Bundesländer bei der Auswahl von
Stätten in Österreich aus. Fuhrmann und Donabauer pflichteten der
Bundesministerin bei, dass es zu anderen ähnlichen
internationalen Initiativen eine klare Abgrenzung geben müsse.
Wenn das Siegel einen Wert haben soll, dann müsse es andere
Kulturgüter ergänzen, meinte Fuhrmann. Auch der jährliche
Rhythmus ist ihrer Meinung nach zu ehrgeizig.
FPÖ: Keine unnötige Bürokratie in Zeiten der Sparbudgets
Völlig anders fiel die Bewertung durch die Abgeordneten der
Opposition aus. Mit einer derartigen Initiative werde man nicht
die Distanz zwischen den BürgerInnen und der EU verringern
können, äußerte etwa Abgeordneter Johannes Hübner (F) seine
Zweifel. Warum eine derartige Maßnahme gerade jetzt erforderlich
sei, werde nirgends begründet. Hübner befürchtete sowohl
Doppelgleisigkeiten als auch zusätzliche unnötige Bürokratie, die
Geld koste. Daher sei es geboten, gerade in Zeiten von
Sparbudgets auf den Ausbau der "Kommissionitis" und der
Bürokratie zu verzichten. Das Geld der Steuerzahler dürfe nicht
für so etwas verwendet werden, hielt er fest. Ähnlich reagierte
Abgeordneter Gerhard Kurzmann (F), der meinte, mit derartigen
Initiativen könne man nicht den schlechten Geschichtsunterricht
an den Schulen ersetzen.
Grüne: Europäische Identität wird dadurch nicht gestärkt
Mit diesem Befund stimmte auch der Abgeordnete der Grünen
Wolfgang Zinggl überein, der auf die Fülle von Gedenkjahren,
Gedenktagen und andere Initiativen hinwies. Zinggl vermutete
hinter der Idee des Kulturerbe-Siegels eine "Fusion zwischen
Tourismussektor und Erinnerungsindustrie" und bemerkte, der
gefährlichste Feind der Denkmäler seien die Touristenströme. Die
Sache werde nicht zu mehr europäischer Identität führen, sondern
zu mehr Konkurrenz unter den einzelnen Staaten, befürchtete er.
Man wolle hier eine Identität konstruieren, die nicht gewachsen
ist, meinte Zinggl. Das Wesentliche an Europa sei seine
Heterogenität und diese werde durch eine derartige Maßnahme
sicherlich nicht gestärkt. Jede Art von Auswahlverfahren und
Finanzierung widerspreche dieser Heterogenität. Zinggl
kritisierte auch die genannten Kriterien zur Abgrenzung gegenüber
anderen Initiativen als zu schwammig.
BZÖ: Es gibt im Inland ausreichend Initiativen
Abgeordneter Stefan Petzner (B) warf ein, dass es sowohl auf
internationaler als auch auf nationaler Ebene sowie in den
Bundesländern und in den Gemeinden ausreichend Initiativen mit
der gleichen Zielsetzung gibt. Der Vorschlag der Kommission ist
seiner Meinung nach nicht geeignet, eine europäische Identität zu
erzeugen, sagte er. Hier werde versucht, eine Identität zu
konstruieren, vielfach müsse diese aber wachsen. Auch für ihn
sind die Kriterien nicht nachvollziehbar. Die Umsetzung des
Vorschlags würde einen Wulst bürokratischer Maßnahmen und Kosten
nach sich ziehen, argumentierte Petzner. Ihm zufolge sollte die
Regierung eher innerösterreichische Initiativen unterstützen, zum
Beispiel das Gedenken an die Volksabstimmung in Kärnten nach dem
Ersten Weltkrieg.
In ihrer Replik auf die Diskussion betonte Bundesministerin
Claudia Schmied, es liege an jedem Mitgliedsstaat selbst, was er
aus den Möglichkeiten mache. Selbstverständlich sei die Umsetzung
auch unter dem budgetären Aspekt zu sehen und selbstverständlich
wolle sie die Bundesländer mit einbeziehen. Es sei notwendig, in
Österreich selbst ein Auswahlverfahren zu etablieren.
Die Ministerin unterstrich die Ausführungen der Abgeordneten
Ablinger, wonach dieses Projekt vor allem Jugendliche ansprechen
sollte. Wichtig seien Vermarktung, Vernetzung, Kommunikation,
Erfahrungsaustausch und Digitalisierung, stellte Schmied
abschließend fest. (Schluss)
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