• 04.05.2010, 16:37:42
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Lissabon-Begleitgesetz soll noch vor dem Sommer beschlossen werden Beratungen über ORF-Gesetz neuerlich vertagt

Wien (PK) - Die begleitende Gesetzesnovelle zum Lissabon-Vertrag
soll noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden. Das
streben zumindest die beiden Koalitionsparteien an. Sowohl SPÖ-
Verfassungssprecher Peter Wittmann als auch sein ÖVP-Kollege
Wilhelm Molterer sprachen sich heute im Verfassungsausschuss des
Nationalrats für zügige Verhandlungen aus.

Für den von Molterer angestrebten "möglichst breiten Konsens"
stehen die Aussichten gut. Sowohl die Grünen als auch das BZÖ
äußerten sich im Rahmen der Ausschussberatungen grundsätzlich
positiv zum vorliegenden Gesetzentwurf, auch wenn sie in
einzelnen Punkten noch Adaptierungsbedarf sehen. So mahnte etwa
Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) eine genaue Festlegung
der Informationspflichten der Regierung gegenüber dem Nationalrat
ein. Molterer zufolge sollen zudem noch Anregungen des Bundesrats
in das Gesetzesvorhaben einfließen.

Ablehnend äußerten sich Molterer und SPÖ-Abgeordnete Christine
Muttonen zum Vorschlag einzelner Länder, den Bundesrat in EU-
Angelegenheiten verpflichtend an Landtagsbeschlüsse zu binden.
Sie sehen das als mit dem freien Mandat nicht vereinbar.
Insgesamt sind zum Gesetzentwurf, der auf Initiative des
Verfassungsausschusses einer Begutachtung unterzogen wurde, mehr
als 20 Stellungnahmen eingelangt. Darunter seien, wie Molterer
und Muttonen meinten, durchaus einige interessante Anregungen.

Für eine Aufschiebung der Verhandlungen trat FPÖ-Abgeordneter
Peter Fichtenbauer ein. Er erinnerte daran, dass die FPÖ eine
Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen die Geltung des
Vertrags von Lissabon eingebracht habe. Bevor diese Beschwerde
nicht erledigt sei, könne sich die FPÖ zu einem Begleitgesetz
keinesfalls zustimmend äußern, bekräftigte er.

Der gemeinsame Antrag der beiden Koalitionsparteien sieht konkret
vor, die Instrumente der Subsidiaritätsrüge und der
Subsidiaritätsklage in Form von zwei neuen Artikeln (23g und 23h)
in der Bundesverfassung zu verankern. Sowohl dem Nationalrat als
auch dem Bundesrat bzw. den dafür zuständigen Ausschüssen soll
demnach die Möglichkeit eingeräumt werden, einen geplante
Richtlinie oder eine andere Gesetzgebungsinitiative der
Europäischen Kommission zu beeinspruchen, wenn diese nach Meinung
der ParlamentarierInnen überschießend ist und zu sehr in die
Rechte der Mitgliedstaaten eingreift. Für eine solche
Subsidiaritätsrüge haben Nationalrat und Bundesrat laut Vertrag
von Lissabon acht Wochen Zeit. Sollte ein Drittel aller
nationalen Parlamente einen Verstoß gegen das
Subsidiaritätsprinzip orten, ist die EU-Kommission gezwungen, ihr
Vorhaben zu überdenken.

Bei einem bereits erlassenen Gesetzgebungsakt haben der
Nationalrat und der Bundesrat künftig die Möglichkeit, innerhalb
von zwei Monaten Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben,
wobei sich das Klagsrecht des Bundesrats dem Gesetzentwurf
zufolge auf Gesetzgebungsakte beschränken soll, die die
Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung
einschränken. Für eine solche Subsidiaritätsklage soll in beiden
Kammern jeweils die einfache Stimmenmehrheit ausreichend sein.

Besonders starke Mitwirkungsrechte sind darüber hinaus für den
Fall vorgesehen, dass auf EU-Ebene die Anwendung der
Brückenklausel (Passarelle) zur Diskussion steht, also in einem
bestimmten Politikbereich vom Einstimmigkeitserfordernis oder von
einem besonderen Gesetzgebungsverfahren abgegangen werden soll.
Gemäß Artikel 23i soll das jeweils zuständige österreichische
Regierungsmitglied einer solchen Initiative nur dann zustimmen
dürfen, wenn der Nationalrat und der Bundesrat dies ausdrücklich
mit Zweidrittelmehrheit genehmigen. Außerdem ist die Regierung zu
einer frühzeitigen und umfassenden Information des Parlaments
angehalten. Auch nach einem Beschluss auf EU-Ebene ist eine
gemeinsame Ablehnung der Initiative durch Nationalrat und
Bundesrat innerhalb von sechs Monaten möglich.

Die Beratungen über den Gesetzentwurf wurden vom
Verfassungsausschuss einstimmig vertagt.

Beratungen über ORF-Gesetz neuerlich vertagt

Ebenfalls einstimmig vertagten die Abgeordneten die Beratungen
über das ORF-Gesetz und weitere geplante Gesetzesänderungen im
Bereich des Medienrechts. Für das von der Regierung vorgelegte
Gesetzespaket ist im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit
erforderlich - die Verhandlungen zwischen den Fraktionen sollen
fortgesetzt werden. Zuletzt gab es etwa noch Differenzen über die
Befugnisse der unabhängigen Medienbehörde im Rahmen ihrer
Aufsichtsfunktion über den ORF.

Mit dem Gesetzespaket mit in Verhandlung stehen zahlreiche
Oppositionsanträge, die unter anderem auf weniger restriktive
Voraussetzungen für Gebührenbefreiungen (B-Antrag 453/A[(E]),
eine Ausweitung des ORF-Angebots für seh- und hörbehinderte
Menschen (F-Antrag 585/A[E]), G-Antrag 789/A[E]), eine
Konkretisierung des Kulturauftrags des ORF (F-Antrag 884/A[E]),
eine Änderung des Wahlmodus für den ORF-Publikumsrat (F-Antrag
955/A[E]) und verpflichtende Quoten für österreichische
Musikproduktionen im ORF (F-Antrag 962/A[E]) abzielen.

Abwahl von NationalratspräsidentInnen: Grüne blitzen mit Antrag
ab

Vom Verfassungsausschuss abgelehnt wurde ein Antrag der Grünen,
der darauf abzielt, in der Bundesverfassung und in der
Geschäftsordnung des Nationalrats eine Abwahlmöglichkeit für die
drei PräsidentInnen des Nationalrats zu verankern. Ein solcher
Schritt soll nach Meinung der Grünen mit Zweidrittelmehrheit, bei
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten, möglich
sein.

Der Antrag stieß bei den anderen Fraktionen auf einhellige
Ablehnung. So sprachen sich etwa die Abgeordneten Harald Stefan,
Peter Fichtenbauer (beide F), Ewald Stadler (B) und Wilhelm
Molterer (V) gegen die Abwahlmöglichkeit eines
Nationalratspräsidenten aus politischen Gründen aus. Derartige
Entscheidungen wären im Sinne von drohender Willkür "viel zu
heikel", meinte Molterer und plädierte stattdessen für eine
"dauerhafte und tragfähige" Regelung, die für alle Staatsorgane
gelten solle. Seitens der SPÖ trat Abgeordnete Sonja Steßl-
Mühlbachler zwar für die Schaffung eines Abwahlmodells ein,
plädierte aber für bestimmte Minimalfristen und Quoren für
Abwahlanträge, um "unüberlegte Schnellschüsse" zu verhindern.

Verteidigt wurde der Antrag hingegen von den beiden Grün-
Abgeordneten Daniela Musiol und Wolfgang Zinggl. Das Thema sei
nach wie vor aktuell, betonte Musiol und verwies auf die immer
wieder aufflammende öffentliche Diskussion. Zinggl meinte, es
müsse möglich sein, einen Nationalratspräsidenten seines Amtes zu
entheben, wenn er gegen die Interessen Österreichs agiere. Die
Vorschläge der ÖVP zu dieser Frage wertete Musiol als
unzureichend.

Grüne wollen "Whistleblower"-Hotline bei Volksanwaltschaft
einrichten

Auch mit zwei Entschließungsanträgen zum Thema "Whistleblower"
(827/A[E] und 825/A[E]) konnten sich die Grünen, zumindest
vorerst, nicht durchsetzen. Um strafrechtlich oder
verwaltungsstrafrechtlich relevante Missstände wie Korruption
oder Insiderhandel leichter aufdecken zu können, schlagen die
Grünen vor, bei der Volksanwaltschaft eine Anlaufstelle für
Personen einzurichten, die entsprechende Beobachtungen melden
wollen. Begleitend fordern sie Schutzmaßnahmen für
"Whistleblower" im Beamtendienstrecht. Beide Anträge wurden
vertagt.

In der Diskussion gab Abgeordneter Albert Steinhauser zu
bedenken, dass Personen, die Missstände aufzeigen wollten,
derzeit mehr oder weniger nur die Möglichkeit hätten, sich an
Medien zu wenden. Er wertete dies als unbefriedigenden Zustand
und verwies auf bestehende "Whistleblower"-Regelungen in anderen
Ländern wie in Großbritannien und in den USA.

Teilweise zustimmend zu den Vorschlägen der Grünen äußerte sich
Abgeordneter Werner Herbert (F). Die FPÖ könnte sich mit der
Einrichtung einer Anlaufstelle für Whistleblower in der
Volksanwaltschaft anfreunden, meinte er, warnte aber gleichzeitig
vor "Denunziantentum" aus persönlichen Gründen, eine Gefahr, die
auch Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) ansprach. Donnerbauer
trat dafür ein, zunächst einmal die Ergebnisse der im
Justizministerium eingerichteten Arbeitsgruppe zum Thema
Korruptionsbekämpfung und der parlamentarischen Immunitäts-
Arbeitsgruppe abzuwarten. Abgeordneter Johannes Jarolim (S)
verwies ebenfalls auf die laufende Diskussion zum Thema
Wirtschaftsstrafrecht und Kronzeugenregelung.

Einen ganz anderen Ansatz brachte Abgeordneter Ewald Stadler (B)
ins Spiel. Seiner Meinung nach liegt das Hauptproblem darin, dass
es keinen Informantenschutz für Personen gibt, die sich an
Abgeordnete wenden, um Missstände aufzuzeigen. Stadler plädierte
daher dafür, bei der Immunität von Abgeordneten anzusetzen und
die Bestimmungen auf die Volksanwaltschaft und den Rechnungshof
auszudehnen. Niemand, der gegenüber einem Abgeordneten, der
Volksanwaltschaft oder dem Rechnungshof einen Missstand aufzeige,
solle die Preisgabe seiner Identität fürchten müssen, forderte
Stadler. Es gehe nicht an, dass jemandem etwa ein
Disziplinarverfahren drohe, nur weil er sich an einen
Abgeordneten wende. (Schluss)

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