Entscheidung folgt klarer Empfehlung der Studie - Detailfahrplan soll bis Sommer vorgelegt werden
Wien (OTS) - Als Digitale Dividende gelten jene Frequenzen, die
durch die Umstellung von analogem auf digitales Fernsehen frei
werden. Dabei umfasst der obere Bereich das Frequenzband 790 bis 862
Megahertz (MHz), dieser soll jetzt neu vergeben werden. Der restliche
(untere) Bereich (470-790 MHz) und die dort frei werdenden Frequenzen
verbleiben wie bisher für die Nutzung durch Rundfunkdienste.
Seit Freitag letzter Woche liegen die Detailergebnisse der für das
Bundeskanzleramt und das Infrastrukturministerium erstellten Studie
über "Die Nutzung der Digitalen Dividende in Österreich" vor. Die
Empfehlung des deutsch/schweizerischen Konsortiums für die Nutzung
der oberen Digitalen Dividende ist eindeutig. Die Analyse zeigt, dass
der Nutzen für die Bevölkerung und die Unternehmen in Österreich
besonders hoch ist, wenn das Frequenzband vollständig für den
Breitband-Mobilfunk und hier insbesondere zur flächendeckenden
Versorgung ländlicher Räume verwendet wird. Für
Infrastrukturministerin Doris Bures ist es wichtig, Investitions- und
Planungssicherheit zu schaffen: "Diese Entscheidung setzt einen
klaren Rahmen, räumt bestehende Unsicherheiten aus und legt die
Grundlage für Investitionen, neues Wachstum und Beschäftigung."
Für Medienstaatssekretär Dr. Josef Ostermayer standen die Maximierung
des volkswirtschaftlichen Nutzens und die Stärkung der Medienvielfalt
im Vordergrund: "Unsere Wissensgesellschaft kann sich durch diese
klaren Ergebnisse einen großen Schritt weiterentwickeln. Das mobile
Breitband wird vor allem im ländlichen Raum aber auch in den Städten
eine neue Qualität der Informationsübertragung und der Kommunikation
ermöglichen. Gleichzeitig bleibt durch den Frequenzbereich bis Kanal
60 eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit
Rundfunkprogrammen gesichert. Auch eine Umstellung auf
hochauflösendes Fernsehen ist dabei möglich."
Gleichzeitig mit der grundsätzlichen Entscheidung über die Vergabe an
den Mobilfunk in Österreich müssen der Empfehlung der Studienautoren
folgend noch Lösungen für offene Fragen gefunden werden:
- Auswirkungen der Nutzung durch Breitband-Mobilfunk auf
TV-Kabelnetze und Endgeräte (Verhinderung von Störungen)
- Alternative Spektren für andere Frequenznutzer (wie z.B.
Funk-Mikrofone)
- Verlagerung bestehender Rundfunkdienste in diesem Spektrum
- Gesetzlicher Anpassungsbedarf, Ausschreibungsmodus
- Notwendige Abstimmungen auf europäischer und bilateraler Ebene
Um konkrete Lösungen für diese Fragen zu finden, werden das
Bundeskanzleramt und das Infrastrukturministerium dem Ministerrat vor
dem Sommer einen Fahrplan zur Neuvergabe der Frequenzen und die
Nutzung dieser für Breitband-Mobilfunk vorlegen.
Aus heutiger Sicht kann die Versteigerung für mobiles Breitband nach
Abschluss aller Vorarbeiten frühestens Ende 2011/Anfang 2012 erfolgen
und damit deutlich vor dem bisher in Diskussion befindlichen Jahr
2015. Die tatsächliche Nutzbarkeit wird dann vor allem von den
Entwicklungen in unseren östlichen Nachbarstaaten abhängen
(Stichwort: analoge Abschaltung).
Beiliegend zu dieser Aussendung finden Sie die von den Studienautoren
formulierte Executive Summary. Die Vollversion der Studie wird bis
Ende dieser Woche auf den Homepages der RTR, des Bundeskanzleramtes
und des Infrastrukturministeriums veröffentlicht werden.
BEILAGE:
Die Studie "Nutzung der Digitalen Dividende in Österreich" wurde im
Dezember 2009 in Auftrag gegeben, um Handlungsempfehlungen für
Entscheidungsträger zu entwickeln. Mit der Erstellung der Studie
wurde auf Basis einer Ausschreibung der RTR GmbH die
Arbeitsgemeinschaft "AB Consulting (Arne Börnsen)/Infront Consulting
& Management GmbH" ("ARGE ABI)" mit Sitz in Hamburg) beauftragt.
Executive Summary
Bei der "Digitalen Dividende" handelt es sich um jenen Teil des
Spektrums, der durch die Digitalisierung der ehemals analogen
Rundfunkdienste auf Grund neuer, effizienterer Übertragungs- und
Codiertechniken verfügbar wird. Wenn man die Zahl der
Fernsehprogramme und die dafür erforderlichen Frequenzen zugrunde
legt, die vor dem Beginn der Analog-Digital-Umstellung im Jahr 2006
bei analoger Ausstrahlung in Österreich benötigt wurden, und sie dem
Frequenzspektrum gegenüberstellt, das bei gleicher Zahl von
Programmen bei digitaler Technik benötigt wird, so ergibt dies einen
Wert für das frei werdende Spektrum von etwa 80%.
Der im Zentrum der Studie stehende Teil der "Digitalen Dividende"
beschränkt sich auf das Spektrum von 790 bis 862 MHz (obere Digitale
Dividende) - auch als Kanäle 61 bis 69 bezeichnet - also auf einen
Anteil von rund 20 % der Frequenzen des UHF-Bandes.
Es lassen sich sowohl medien- als auch telekommunikationspolitische
Ziele mit der Vergabepraxis der Digitalen Dividende ansteuern. Die
angestrebten öffentlichen Zielsetzungen umfassen:
- die Maximierung des volkswirtschaftlichen Nutzens durch die
Vergabepraxis,
- die Stärkung der Medienvielfalt,
- die Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von
österreichischer Programmproduktion, von Free-to-Air-Rundfunk,
- die Zukunftssicherheit des terrestrischen Rundfunks (inklusive
HDTV),
- die Vollversorgung der ländlichen Gebiete mit Breitbandanschlüssen
zur Erreichung sowohl wirtschafts- als auch demokratiepolitischer
Ziele.
Zu den diskutierten Zielen gehören zudem:
- der Schutz von Sekundärnutzern (professionelle
Drahtlosmikrofontechnologie), also im Wesentlichen der in Österreich
zunehmend bedeutsamen Veranstaltungsindustrie, und
- die Minimierung möglicher Störungen zwischen TV-Kabelnetzen und
Endgeräten einerseits und Breitband-Mobilfunk andererseits.
Die Studie orientiert sich an der übergeordneten Zielsetzung einer
Optimierung der öffentlichen Zielerreichung im konvergenten
Kommunikationssektor, d. h., an der Erfüllung möglichst vieler
öffentlicher Ziele im Kommunikationssektor.
Der Kontext und Handlungsspielraum der Vergabe der Digitalen
Dividende in Österreich wird sowohl durch nationale als auch durch
internationale Akteure und Entwicklungen abgesteckt. Die
internationalen Rahmenbedingungen und Eckpunkte ergeben sich zum
einen aus Vorgaben und Empfehlungen internationaler und
supranationaler Organisationen sowie zum anderen durch die Strategien
der Nachbarländer.
Erwähnenswert ist hierbei, dass alle sechs europäischen Länder, die
bereits eine Vergabeentscheidung getroffen haben, darunter auch die
Nachbarländer Deutschland und Schweiz, sich entsprechend der
Empfehlung der Europäischen Kommission für die Nutzung der oberen
Digitalen Dividende durch Breitband-Mobilfunk entschieden haben. Die
volkswirtschaftliche Fragestellung der Studie besteht darin, in
welcher Verwendung die durch technischen Fortschritt (Digitalisierung
des Fernsehens) frei werdenden Frequenzen der oberen Digitalen
Dividende (790 bis 862 MHz) den höchsten gesamtwirtschaftlichen Wert
für Österreich haben.
Die entscheidende Größe der Beurteilung ist der Inkrementalwert, das
heißt der zusätzliche Wert, den die Vergabe des Inkrements (frei
werdende Frequenzen) in verschiedenen Verwendungen (insb. Fernsehen,
Breitband-Mobilfunk, Schnurlosmikrofone) hätte, wobei die beiden
Ersteren im Mittelpunkt stehen. Der relevante Vergleich bezieht sich
also nicht allgemein auf den Rundfunk (Fernsehen) bzw.
Breitband-Mobilfunk insgesamt. Verglichen werden insbesondere die
Inkrementalwerte dieser Frequenzen für
(a) das Fernsehen (z. B. zusätzliche Fernsehprogramme, Umstellung auf
HDTV) und
(b) Ausmaß und Qualität der Versorgung mit mobilem Breitband in
Österreich.
Unter dieser Prämisse wird zwischen vier grundsätzlichen
Handlungsoptionen unterschieden, die als Szenarien bezeichnet werden
und im Rahmen der Studie einer systematischen Analyse unterzogen
wurden.
- Szenario 1: Nutzung der oberen Digitalen Dividende für Rundfunk
- Szenario 2: Nutzung der oberen Digitalen Dividende für
Breitband-Mobilfunk
- Szenario 3: Geteilte Nutzung für Rundfunk und Breitband-Mobilfunk
- Szenario 4: Aufschub der Entscheidung ("wait and see")
In der Analyse wird darüber hinaus zwischen folgenden drei
Breitbandarten unterschieden:
- Alpha-Breitband (mind. 144 Kbit/s bis 1 Mbit/s), entsprechend den
Mindestkriterien für die statistische Erfassung in nationalen und
europäischen Vergleichsstatistiken
- Beta-Breitband (mind. 1 Mbit/s bis 6 Mbit/s), entsprechend der
aktuell vorherrschenden öffentlichen Meinung, was derzeit als
Breitband zu bezeichnen sei, und
- Gamma-Breitband (mind. 6 Mbit/s) als zukunftsorientierter
Breitbanddefinition.
Szenario 1: Vergabe an den Rundfunk
Eine volkswirtschaftliche Begründung für die Vergabe der oberen
Digitalen Dividende an das Fernsehen ist nicht ersichtlich. Der
Rundfunk ist auch bei voller Erfüllung seines Frequenzbedarfs durch
10 HD- und 15 SD-Programme unter der Annahme der Einführung von
DVB-T2 und MPEG4 nicht auf das Spektrum der oberen Digitalen
Dividende angewiesen. Eine Zuweisung dieses Spektrums an den Rundfunk
ist daher nicht gerechtfertigt.
Szenario 2: Vergabe an den Breitband-Mobilfunk
Die Analyse zeigt, dass der Inkrementalnutzen der oberen Digitalen
Dividende für die Bevölkerung und die Unternehmen in Österreich
besonders hoch ist, wenn sie vollständig für den Breitband-Mobilfunk
und hier insbesondere zur flächendeckenden Versorgung ländlicher
Räume verwendet wird. Dazu eignen sich die Frequenzen der Digitalen
Dividende im 800 MHz-Bereich aufgrund besonders günstiger
Ausbreitungs-Charakteristika und der möglichen Mitnutzung von
Standorten der 900 MHz-GSM-Netze außerordentlich gut.
Diese Verwendung liefert wesentliche Beiträge
- zur Schließung von Breitbandversorgungslücken (die bei
Festnetz-DSL, Kabel-Modem etc. bestehen), von 1 % der Bevölkerung im
Fall von Alpha-Breitband bzw. rund 4 % im Fall von Beta-Breitband
- zur Erhöhung von Datenraten der dortigen individuellen Nutzer und
der Volumina aller Nutzer in einem Gebiet (kollektiver Aspekt), von
derzeit flächendeckend 1 Mbit/s auf 6 Mbit/s und mehr für rund 20 %
der Bevölkerung
- zur Ermöglichung der mobilen/nomadischen Nutzung (für Einwohner,
Geschäftsleute, Touristen etc.) und
- zur Intensivierung des Wettbewerbs zu anderen festen (DSL,
TV-Kabel) und/oder mobilen (UMTS etc.) Breitband-Infrastrukturen in
den Überschneidungsflächen und damit auch
-zur Verbesserung (Bandbreite, Preise etc.) von deren Angeboten.
Darüber hinaus werden durch die höheren Zugangsbandbreiten der
einzelnen Funkteilnehmer auch sehr breitbandige Netzanbindungen der
Funkstandorte notwendig, die wirtschaftlich meist nicht mehr sinnvoll
durch Richtfunk realisierbar sind. Somit kann und wird die so
verwendete Digitale Dividende auch einen positiven Beitrag zum
Rollout von Glasfasernetzen in Österreich leisten.
Auch können durch eine Entscheidung für die Nutzung für
Breitband-Mobilfunk die entstehenden Skaleneffekte in Bezug auf
Mobilfunkinfrastruktur und Endgeräte genutzt werden. Durch die
bereits erfolgten Vergabeentscheidungen pro Mobilfunk in anderen
Ländern existiert bereits ein potenzieller Endkundenmarkt von rund
220 Millionen Menschen in Europa.
Allerdings sind bei einer Vergabe an Breitband-Mobilfunk eine Reihe
von Begleitmaßnahmen zu initiieren, um die möglichen negativen
Auswirkungen auf TV-Kabelnetze, PMSE-Anwendungen und den
terrestrischen Rundfunk zu minimieren, sowie eine zeitnahe Versorgung
in ländlichen Gebieten sicherzustellen.
Szenario 3: Geteilte Nutzung für Rundfunk und Breitband-Mobilfunk
Eine volkswirtschaftliche Begründung für eine geteilte Vergabe der
oberen Digitalen Dividende an Rundfunk und Breitband-Mobilfunk ist
nicht ersichtlich, da das Ziel der Verbesserung der
Breitbandversorgung nicht signifikant gefördert werden kann.
Eine geteilte Nutzung des Spektrums der oberen Digitalen Dividende
für Rundfunk und Breitband-Mobilfunk ist auf Grund der Ineffizienz
der Frequenznutzung, sowie der aus dieser Nutzungsart resultierenden
Probleme nicht praktikabel. Darüber hinaus ist der
volkswirtschaftliche Nutzen der Frequenzen der oberen Digitalen
Dividende geringer als im Szenario Nutzung für Breitband-Mobilfunk
und sollte daher nicht zur Anwendung kommen.
Szenario 4: Aufschub der Entscheidung
Die frei werdenden Frequenzen gegenwärtig gar nicht zu vergeben,
sondern abzuwarten, wie die weitere Entwicklung verläuft wäre dann
akzeptabel, wenn die fraglichen Frequenzen gegenwärtig nicht wirklich
benötigt würden und für die nächsten Jahre entweder auf der
Angebotsseite (technische Innovationen, Produktentwicklungen etc.)
oder auf der Nachfrageseite (Präferenzverschiebungen, neue Dienste
mit anderen Anforderungen an die Übertragungsinfrastruktur etc.)
wesentliche Veränderungen erwartet werden könnten, die andere
Frequenznutzungen nahe legen würden. Die Nutzung für
Breitband-Mobilfunk ist bezüglich der transportierten Inhalte nämlich
eine sehr universelle Verwendung.
Die fraglichen Frequenzen werden jedoch gegenwärtig benötigt um die
ländlichen Räume in Österreich mittels Breitband-Mobilfunk mit einer
modernen Kommunikations-Infrastruktur voll zu versorgen und damit
auch international wettbewerbsfähig zu sein. Ein Abwarten wäre also
eine volkswirtschaftlich teure Option. Es ist nicht von Vorteil, eine
absehbar notwendige Entscheidung nicht heute, sondern erst nach
mehreren Jahren zu treffen. Diese Alternative wird als wirtschaftlich
nicht sinnvoll beurteilt.
Rückfragehinweis:
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