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"Die Presse" - Leitartikel: Häupls Brot, Häupls politische Spiele, von Rainer Nowak
Ausgabe vom 1. Februar 2010
Wien (OTS) - Wien ist nicht die am besten verwaltete Stadt,
sondern die am besten beschäftigte. Es gibt sogar Volksbefragungen!s
Eine der am häufigsten verwendeten Leerphrasen ist die Weisheit,
wonach Wien die am besten verwaltete Weltstadt sei. Abgesehen von
einer möglichen Debatte um den Status Weltstadt ist das Prädikat "am
besten verwaltet" wirklich interessant. Es lautet nicht etwa "am
besten geführt" oder "am besten gestaltet". Nein, die Wiener sind nur
auf ihre Verwaltung stolz, auf ihre Beamten und ihre Magistrate. Über
Österreich sagt kaum jemand, es sei so gut verwaltet. Offenbar sind
die Bundesbeamten nicht so beliebt wie die rund 64.600
Magistratsbediensteten. Da sind die Mitarbeiter der ausgegliederten
Wiener Linien und Co. nicht mitgerechnet. Dass es mit dieser Anzahl
eigentlich geradezu unmöglich ist, eine Stadt mit rund zwei Millionen
Einwohnern nicht zu verwalten, wird gern vergessen. Nichtsdestotrotz:
Die Infrastruktur wie Müllabfuhr, Parkraumbewirtschaftung,
Ampelschaltung, Altersheime und Spitäler funktioniert, manche
Missstände könnten auch 10.000 Beamte mehr nicht verhindern.
Dennoch wäre der richtige Superlativ für Michael Häupls Wien
eigentlich "die am besten beschäftigte" Stadt. Damit könnte man
natürlich die relativ niedrige Arbeitslosenquote meinen. (Man muss
Wien ja nicht sofort mit Zürich oder München vergleichen, dort gibt
es zwar meistens mehr Jobs, aber dafür auch weniger leistbare
Wohnungen.) Nein, mit "beschäftigt" ist hier - das passt doch gut zu
dieser Stadt - das Thema Freizeit und Unterhaltung gemeint. Keine
andere Stadtverwaltung - Michael Häupl stellt also eben lieber einen
verwalterischen denn einen politischen Anspruch - investiert so viel
Geld, Zeit und Nerven für die Beschäftigung seiner Bürger. Das lässt
sich beinahe ganzjährig auf dem Wiener Rathausplatz beobachten. Wer
in diesen Tagen die Eislaufwelt vor dem Rathaus besichtigt, wird sich
der Einschätzung nicht verschließen können, dass das in einer
Millionenstadt ziemlich einmalig ist.
In solchen Momenten vergisst man gern, dass das etwas kostet: Geld,
das auch in Wien auf Pump beschafft werden muss und unter Umständen
auch anderweitig verwendet werden könnte. Wer durch manche der
verwahrlosten angeblichen Einkaufsstraßen der Stadt geht, versteht,
dass der Begriff "innerstädtisch" manchmal irreführend sein kann.
Solarien und Wettlokale sind wohl nicht ganz der viel zitierte ideale
Branchenmix, den PR-Abteilungen dieser Stadt so gern ankündigen.
Aber selbst die Wiener Wirtschaftskammer und die theoretisch
wirtschaftsnahe Volkspartei können keine schlüssigen Konzepte
vorlegen, die Verwahrlosung bestimmter Teile der Stadt zu verhindern.
Und zugegeben: Mit dem Argument, das Geld müsse dorthin, wo es am
dringendsten gebraucht wird, kann man so ziemlich jede Investition
für unnötig erklären. Es gibt immer drängendere Probleme als die
jeweils eigenen.
Häupl bietet zudem nicht nur unterhaltsame Beschäftigung in Form von
Sportmöglichkeiten, sondern auch in politischer Form. Dieses Jahr
lädt er etwa von 11. bis 13. Februar zum großen demokratiepolitischen
Event, um in der Sprache des nicht mehr ganz jungen
Clubbing-Magistrats zu bleiben. Die Wiener dürfen zu fünf, teils
sogar nicht ganz unwichtigen, Fragen ihre Meinung kundtun. Damit
nichts passiert, wurden die Fragen so formuliert, dass nicht viel
passieren kann. Wenn eine Stadt - Oppositionspolitiker und
Journalisten können sich dem ebenfalls nicht einfach entziehen -
diskutiert, ob die U-Bahn auch Freitag- und Samstagnacht fahren soll,
haben sie erstens etwas zu tun. Und kommen zweitens - noch viel
wichtiger - nicht auf blöde Gedanken. Etwa, über mögliche
Misswirtschaft oder andere Probleme zu reden, zu schreiben oder
nachzudenken.
Denn die einzelnen Fragen lassen sich schnell beantworten: Citymaut
für Wien I? Nein. Verpflichtender Kurs für Halter bestimmter Hunde?
Ja, am besten gleich für alle. (Pekinesen ausgenommen.) Ausbau der
Ganztagsschulen? Ja, aber bitte weiterhin mit alternativen Modellen.
U-Bahn Freitagnacht und Samstagnacht? Ja, wenn die Kosten bei den
Wiener Linien entsprechend eingespart werden können und nicht
zusätzlich Geld dafür aufgetrieben werden muss. Also nein.
Wiedereinführung der Hausmeister? Ja, wer einen will, soll einfach
einen anstellen. Das hätte jede Hausgemeinschaft schon bisher machen
können. Das sieht man dann übrigens beim Posten Betriebskosten.
Wer aber die (direkte) Demokratie für ein ernsthaftes und
schützenswertes Instrument hält, das man nicht leichtfertig für
politische Manöver nützen sollte, und sich selbst generell nicht so
gern für dumm verkaufen lässt, sollte an diesen Tagen einfach etwas
anderes Schönes unternehmen. Vielleicht zum Wiener Eistraum gehen?
Rückfragehinweis:
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