- 12.11.2009, 18:35:19
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"Die Presse" Leitartikel: Die Zogajs sind Opfer, von Michael Fleischhacker
Ausgabe vom 13.11.2009
Wien (OTS) - Wäre ich Innenminister, würde ich der Familie, anders
 als vor zwei Jahren, ein Bleiberecht zugestehen.
Dass Arigona Zogaj genauso wenig Anspruch auf Asyl haben würde wie
 ihr Vater, der 2001 illegal nach Österreich eingereist ist, und ihre
 Brüder, die nach ihrer Abschiebung erneut illegal nach Österreich
 eingereist sind, muss auch ihren Anwälten von Anfang an klar gewesen
 sein. Dass keines der Mitglieder der Familie Zogaj unter die
 Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention fällt, wurde bereits im
 Asylverfahren von Arigona Zogajs Vater klargestellt und seither auch
 von niemandem ernsthaft bestritten. Die Gewährung des sogenannten
 "subsidiären Schutzes" auf Basis der Europäischen
 Menschenrechtskonvention (EMRK) kommt ebenso nicht in Betracht, auch
 hier geht es um die Frage, ob einem Antragsteller im Heimatland
 Folter, Todesstrafe oder gravierende Menschenrechtsverletzungen
 drohen. Bleibt als dritte Möglichkeit das "humanitäre Bleiberecht".
 Die Entscheidung darüber liegt beim jeweiligen Innenminister. Günther
 Platter hat im Fall der Familie Zogaj bereits eine negative
 Entscheidung getroffen.
Es gibt also im Fall Zogaj weder im Hinblick auf die Gründe für den
 negativen Asylbescheid noch im Hinblick auf die Aussichten weiterer
 verfahrensrechtlicher Schritte irgendetwas Neues: Keines der
 Mitglieder der Familie Zogaj hat Anspruch auf Asyl oder subsidiären
 Schutz gemäß EMRK. Daraus folgt, dass die Familie das Land
 unverzüglich zu verlassen hat, außer die Innenministerin gewährt der
 Familie humanitäres Bleiberecht. Genau darauf zielen alle
 verfahrensverlängernden Schritte, die von den Anwälten und
 Unterstützern der Zogajs seit Jahren gesetzt werden: das
 Innenministerium durch den Nachweis der "Aufenthaltsverfestigung",
 also Sprachkenntnisse, Integration, Ausbildung, Beschäftigung, unter
 Druck zu bringen.
Und genau diese Strategie ist der Anlass dafür, dass im Fall Zogaj
 aus guten Gründen von "Asylmissbrauch" gesprochen wird: Die Betreuer
 der Familie haben in diesem Fall, in dem der Nichtanspruch auf Asyl
 so klar und so schnell deutlich gemacht wurde, durch immer neue
 Anträge für Verzögerungen gesorgt. Und dann wollten sie mithilfe
 einer massiven Medienkampagne und mit dem Argument, die Behörden
 seien dafür verantwortlich, dass es zur Aufenthaltsverfestigung
 gekommen sei, ein humanitäres Bleiberecht erzwingen. Das ist nicht
 nur juristisch, sondern auch moralisch ziemlich zweifelhaft.
Eigentlich will von dem Fall, der in den vergangenen zwei Jahren von
 Medien, Politik und Hilfsorganisationen auf so erbärmliche Weise
 ausgeschlachtet wurde, niemand mehr etwas wissen. Man will, dass das
 ewige Hin und Her mit den ewig gleichen Argumenten endlich ein Ende
 hat.
Nur: Welches Ende?
Die juristisch korrekte Antwort kann nur lauten, dass der mit dem
 negativen Ausgang des Asylverfahrens verbundene Ausweisungsbescheid
 zu vollziehen ist.
Das wird den Behörden und der Innenministerin eine Neuauflage der
 Kampagne des Jahres 2007 bescheren: Wie man denn so grausam sein
 könne, eine körperlich und seelisch zerstörte Frau, eine gut
 integrierte Jugendliche und deren kleine Geschwister gewaltsam in ein
 Land zu verfrachten, das längst nicht mehr ihre Heimat sei, und in
 dem sie keine Perspektive hätten.
Die Innenministerin muss und will wohl ihrer Linie treu bleiben, dass
 man sich nicht von einer wohlorganisierten Medien- und NGO-Kampagne
 erpressen und zur Nichtanwendung gültigen Rechts zwingen lassen
 könne. Das Signal, dass man es nur schaffen müsse, ein aussichtsloses
 Verfahren mit allen Tricks so lange zu verzögern, bis man genügend
 moralischen Druck zur Erteilung eines Bleiberechts aufbauen könne,
 wäre eine Einladung zum forcierten Asylmissbrauch.
Fest steht aber auch: Arigona Zogaj, ihre Mutter und ihre Geschwister
 sind Opfer. Zunächst Opfer der falschen Hoffnungen, die man ihnen
 gemacht hat und die sie sich selbst gemacht haben. Dann wohl auch
 Opfer eines Mannes, der wenig Rücksicht auf seine Familie genommen
 hat. Sie sind Opfer der Politik, die den Behörden aus Mangel an
 klaren Konzepten Spielräume gegeben hat, mit denen sie überfordert
 waren und sind. Zuletzt vor allem sind die Zogajs Opfer der Medien,
 von denen sie zur Bedienung der vermuteten politischen Reflexe ihrer
 Konsumenten skrupellos ausgebeutet worden sind.
Wäre ich Innenminister, würde ich der Familie heute, anders als vor
 zwei Jahren, in Anerkennung dieses Opferstatus ein humanitäres
 Aufenthaltsrecht gewähren. Und alles dafür tun, dass so etwas nicht
 noch einmal passiert.
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