• 22.09.2009, 18:09:21
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"Die Presse"-Leitartikel: Die Angst der SPÖ vor dem Ausländerthema, von Martin Fritzl

Ausgabe vom 23.09.2009

Wien (OTS) - Egal, was die Sozialdemokraten machen - einen
massiven Wählerzustrom dürfen sie sich nicht erwarten.

Dem SPÖ-Parteimanager reichte es. Angesichts andauernder
FPÖ-Wahlerfolge bediente er sich freiheitlicher Ausländerrhetorik und
erklärte: "Das Boot ist voll." Nein, nicht von Bundesgeschäftsführer
Günther Kräuter ist hier die Rede, sondern von seinem Vorvorgänger
Peter Marizzi. Im Juni 1990 war es, als der versuchte, die FPÖ rechts
zu überholen. Mit wenig Erfolg übrigens: Wenige Monate später legte
die Haider-Partei bei der Nationalratswahl deutlich zu.
Das Problem der SPÖ mit der Ausländerpolitik der Freiheitlichen ist
also nicht ganz neu. Seit mehr als 20 Jahren wildern diese im
Wählerrevier der Sozialdemokraten und ernten vor allem bei der
Arbeiterschaft großen Zuspruch. Und so ist es nicht wirklich etwas
Neues, wenn Verteidigungsminister Norbert Darabos jetzt den Auftrag
erhält, ein Integrationskonzept für die SPÖ zu erarbeiten. Daran sind
schon etliche vor ihm gescheitert.
Bisher waren die einschlägigen Versuche der SPÖ aber eher von
Hilflosigkeit gekennzeichnet. Das Repertoire reichte vom Negieren der
Probleme bis zum Abkupfern freiheitlicher Politik: ein bisserl
Ausländersekkieren - halt nicht ganz so grauslich, wie es die FPÖ
will. Natürlich: Wer in der Regierung sitzt, steht vor der Aufgabe,
sein Programm auch umsetzen zu müssen. Bei manchen FPÖ-Forderungen -
keine Sozialleistungen für Nichtstaatsbürger etwa - ist das schon
rein rechtlich unmöglich. Das haben nicht einmal die Freiheitlichen
versucht, als sie selbst in der Regierung waren.

Der massive Zuzug in den vergangenen Jahrzehnten hat zu Problemen
geführt, gar keine Frage. Parallelgesellschaften sind entstanden,
viele Zuwanderer beherrschen die Sprache nur unzureichend. Die
Öffnung der Ostgrenzen hat neben allen positiven Effekten auch
importierte Kriminalität gebracht (nicht unbedingt ein Problem der
Zuwanderung, aber das wird oft vermischt). Die größte Herausforderung
besteht aber im Bereich der Jugend: Die zweite Generation der
Zuwanderer hat nur geringe Aufstiegschancen. Untersuchungen zeigen,
dass sie von der Schulbildung her sogar hinter ihren Eltern
zurückbleibt. Die Bildung einer "No-future-Generation" ist aber
brandgefährlich. Das Entstehen von ethnischen Jugendbanden ist eine
direkte Folge: Wer in der Gesellschaft keinen Platz hat, baut sich
seine eigene Gegenwelt.
Die realen Probleme haben aber nicht viel zu tun mit dem, was an
Antiausländerpolemik im Lande (und aus dem Eck der Rechtsparteien) zu
hören ist. Nein, Ausländer und Kriminalität gehen nicht automatisch
einher. Nein, die Ausländer beuten auch nicht unser Sozialsystem aus.
Und sie nehmen uns auch nicht die Arbeitsplätze weg. Wenn Darabos
jetzt ein Integrationskonzept für die SPÖ erarbeitet, wird er auf
beides eine Antwort finden müssen: auf die realen Probleme und auf
die weitverbreiteten Vorurteile.
Jedenfalls gibt es aus den vergangenen Jahren ein echtes Versäumnis
der SPÖ: Echte Integrationspolitik hat - zumindest auf Bundesebene -
bisher nicht stattgefunden. Nicht einmal zu einem Staatssekretär für
Integration hat es bisher gereicht, obwohl dieser und den vergangenen
Regierungen doch etliche eher wenig beschäftigte Staatssekretäre
angehört haben.
Echte Integrationspolitik müsste an verschiedenen Punkten ansetzen.
Das beginnt schon bei der Zuwanderung selbst, die immer noch ziemlich
planlos abläuft. Vor der wichtigsten Aufgabe stehen die Schulen, die
Zuwandererkinder gezielt fördern müssten, um ihnen echte
Aufstiegschancen zu ermöglichen. Auch Frauen müsste man ganz bewusst
aus ihrem Ghetto holen. Natürlich ist auch die Mitarbeit der
Zuwanderer notwendig und muss eingefordert werden. Doch bisher
beschränkte sich die Integrationspolitik auf die mit Sanktionen
verbundene Aufforderung "Passt euch doch an". Ein Weg, der nicht viel
gebracht hat.

Die SPÖ wird sich nun entscheiden müssen, ob sie die
Integrationsprobleme angeht oder beim populistischen Ausländerbashing
mitmacht. Einen massiven Wählerzulauf darf man sich von beiden
Strategien nicht erwarten. Die bei manchen Sozialdemokraten populäre
Lösung, die FPÖ zu kopieren, bringt ganz sicher nichts, denn das
Original ist immer besser und glaubwürdiger als die Kopie. Eine echte
Integrationspolitik zu machen bringt zwar kurzfristig wenig, auf
lange Sicht aber schon etwas. Dann nämlich, wenn Probleme tatsächlich
gelöst werden. Ob die SPÖ den Mut hat, auf langfristige Konzepte zu
setzen, ist aber fraglich.

Rückfragehinweis:
chefvomdienst@diepresse.com

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