• 17.09.2009, 13:05:53
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ORF-Generaldirektor Wrabetz: "Kernthesen zur Entwicklung des ORF"

Statement des ORF-Generaldirektors bei der parlamentarischen Enquete

Wien (OTS) - ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz formulierte
in seinem Statement bei der parlamentarischen Enquete am 17.
September 2009 "Kernthesen zur Entwicklung des ORF im nächsten
Jahrzehnt" und die aus Sicht des ORF dafür nötigen Rahmenbedingungen.

Die Rede des ORF-Generaldirektors:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Mitglieder des Hohen Hauses!
Sehr geehrte Damen und Herren, die im ORF diese Enquete mitverfolgen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich bedanke mich für die Einladung zur heutigen Veranstaltung und
bedanke mich, dass das Hohe Haus der Zukunft der Medien - und
insbesondere der des ORF - mit dieser Enquete einen so hohen
Stellenwert einräumt. Der Zeitpunkt für die Enquete ist ideal
gewählt, da mit der Grundsatzeinigung zwischen Staatssekretär Dr.
Ostermayer und Kommissarin Neelie Kroes die europarechtlichen
Rahmenbedingungen der ORF-Zukunft kurzfristig finalisiert werden
können. Diese mit der EU getroffenen Vereinbarungen sind ein
wichtiger Eckpunkt der langfristigen Zukunftssicherung des ORF.

Die nächsten Schritte der Gestaltung der Rahmenbedingungen für den
ORF werden nun von der Bundesregierung und dem Hohen Haus zu setzen
sein. Durch die bisherigen hervorragenden Referate der Panel-Experten
Jane Vizard, Markus Schächter und Daniel Eckmann sind wesentliche
Grundfragen der Entwicklung von öffentlich-rechtlichen
Medienunternehmen im Zeitalter der Digitalisierung bereits
angesprochen, sodass ich mich auf Kernthesen zur Entwicklung des ORF
im nächsten Jahrzehnt und meine Anregungen für die Rahmenbedingungen
in Österreich konzentrieren kann:

Im Mittelpunkt aller Überlegungen sollte das Interesse des
österreichischen Publikums, der Gebührenzahler und
Gebührenzahlerinnen, stehen. Eine diese Woche vom market-Institut
präsentierte Umfrage, die sich auch mit unserer eigenen
Marktforschung deckt, zeigt:

-- Für 92 % der Bevölkerung ist es demnach wichtig, dass ein kleines
Land wie Österreich eigene Fernsehsender hat.
-- Für 86 % der Bevölkerung ist es wichtig, dass durch den ORF
sichergestellt wird, dass es genügend nationale und regionale
Informationen gibt.
-- Für 70 % der Bevölkerung ist es wichtig, dass der ORF der
Allgemeinheit und nicht einem privaten Investor gehört.

Die ORF-Programme in Radio, Fernsehen und Online sind die bei weitem
beliebtesten und meistgenutzten Programme, ob Ö1, die Regionalradios
oder Ö3, ob ORF 2 oder ORF 1 und ORF ON oder der ORF TELETEXT.

87 % der Bevölkerung würden den ORF vermissen, wenn es ihn nicht mehr
gäbe, nur 6 % gar nicht.

Besonders wichtig sind den Österreichern Nachrichten und
Informationen aus
-- dem eigenen Bundesland mit 92 %,
-- politische Unabhängigkeit mit 79 % und
-- gute Unterhaltungsprogramme mit 89 %.

Zukünftig wünschen sich die Österreicher vom ORF zu 65 % mehr
Unterhaltung, zu 49 % noch mehr Information.

Das Publikum erwartet eine starke, zuverlässige Stimme Österreichs in
der digitalisierten Welt. Was ist notwendig, um der Meinung der
Bevölkerung, des Publikums, der Gebührenzahler zu entsprechen?

1) Die Notwendigkeit, sich als Teil des deutschsprachigen
Medienmarktes als "Zentralanstalt der elektronischen Identität
Österreichs" zu behaupten, erfordert eine Mindestgröße und die
Einheit des Unternehmens von zwei Fernsehvollprogrammen, drei
nationalen und neun regionalen Radioprogrammen, einem modernen
Online-Angebot.

Mit einem Fernsehprogramm lässt sich die Vielfalt der Bedürfnisse der
Bevölkerung nicht zufriedenstellen. Zwei sich ergänzende Programme,
ORF 1 und ORF 2, sind unabdingbar notwendig, um Jüngere und Ältere,
Kinder und Sportbegeisterte, Kulturinteressierte und Menschen, die
sich unterhalten wollen, zufriedenzustellen.

Deutlich wird das zum Beispiel in der Information, wo wir täglich auf
zwei Programmen 20 aktuelle Informationssendungen, national und
regional, gestalten. Gerade die immer wieder diskutierten neuen
Informationsprogramme auf ORF 1 sind mit täglich rund 900.000
Zuschauern zu einer wichtigen Informationsquelle, gerade auch für
weniger informationsbegeisterte, jüngere Zuschauer, geworden. In
einem kleinen Land wäre eine rein kommerzielle Finanzierung von
kreativen österreichischen Eigenproduktionen, von "Schnell ermittelt"
bis "Wir sind Kaiser", vom Kinderprogramm "Okidoki" bis zu
erfolgreichen Koproduktionen wie "Soko Kitz", z. B. mit dem ZDF,
nicht zu stemmen.

Die unterbrecherwerbungsfreie Sendung auch von internationalen
Topfilmen und Serien ist auch für viele Österreicher ein Grund, die
umgerechnet 49 Cent pro Tag an ORF-Teilnehmerentgelt zu entrichten.

Es darf also zu keiner Filetierung des Unternehmens kommen und ich
bin froh, dass sich der Stiftungsrat in seinem Beschluss vom 2. April
einstimmig "zur Erhaltung des Konzerns" in seiner Angebotsvielfalt,
Leistungsbreite, insbesondere auch der Angebote der Landesstudios,
bekannt hat.

2) Dieses umfassende Angebot ist in einem kleinen Land mit nur 3,2
Millionen Gebührenhaushalten nur mit Gebühren nicht zu finanzieren,
daher ist es wichtig, die Finanzierung aus Gebühren und Werbung
aufrechtzuerhalten. In vielen europäischen Ländern gibt es dieses
auch von der europäischen Kommission anerkannte System der dualen
Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Senders.
Die Entwicklung der letzten Jahre hat eindrucksvoll gezeigt, dass
angesichts der Übermacht deutscher Werbefenster, Beschränkungen des
ORF im Wesentlichen zu einem Anstieg der Einkommen der Werbefenster
führen und nicht zur besseren Refinanzierung österreichischer
Medienangebote.

Ich verstehe, dass die Manager der Hedgefonds, denen die deutschen
Kommerzsender oft gehören, auch möglichst große Renditen aus dem
österreichischen Medienmarkt erzielen wollen, dies sollte jedoch
nicht Aufgabe des österreichischen Gesetzgebers sein und ist bei
allem Bekenntnis zur Förderung auch kommerzieller österreichischer
Anbieter immer mit zu bedenken. Die Werberegeln für den ORF dürfen
daher nicht verschlechtert werden.

3) Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der von der Bevölkerung
geschätzt wird und damit eine dauerhafte Gebührenlegitimation hat,
muss neben einer unabhängigen kritischen Information, einem
umfassenden Angebot an Dokumentationen, Kultur-, Wissenschafts- und
Religionssendungen auch ein breites Angebot an qualitativer und
zeitgemäßer Unterhaltung bieten. Eine Reduktion auf jene Nischen des
Programms, die kommerzielle Anbieter keinesfalls im Programm haben,
würde schon mittelfristig die Akzeptanz der Bevölkerung verlieren.

4) Der ORF muss aber auch zur Sicherstellung seiner Zukunft gerade
angesichts schwieriger Zeiten und struktureller Veränderungen am
Werbemarkt einen deutlichen Sparwillen zeigen und seine
Einsparungsbemühungen transparent machen.

Alleine vom Jahr 2009 auf 2010 müssen wir also mehr als 80 Millionen
Euro einsparen. Die Zahl der Mitarbeiter wird um 440, also ca. um 12
%, sinken, die Kosten von Strukturen und nicht mehr zeitgemäßen
Regelungen werden gesenkt, wobei auch das Management nicht
ausgeschlossen bleiben wird.

Das Publikum soll von diesem größten Sparprogramm in der Geschichte
des Unternehmens möglichst wenig merken, was den Anspannungsgrad und
den Leistungsdruck erhöhen wird.

Gleichzeitig mit dem Sparen haben wir aber auch die Notwendigkeit und
den Wunsch, viele Leistungen der österreichischen Kreativwirtschaft
von der Filmproduktion über die FS-Produktion, dem Transport
österreichischer Kulturveranstaltungen und Ereignissen von regionaler
Bedeutung oder Kulturleistungen wie das Orchester zu verstärken bzw.
zu erhalten. Daher ersuche ich Sie als Abgeordnete bei Ihren
Überlegungen zur langfristigen Zukunftssicherung des ORF auch das
Problem der Refundierung, der dem ORF durch Gebührenbefreiungen
entgehenden Mittel positiv zu lösen. Durch die vom ORF transparent zu
machenden Einsparungen und klare Regelungen über die Verwendung
dieser Mittel soll sichergestellt werden, dass es tatsächlich um
öffentlich-rechtlichen Mehrwert, um mehr österreichische Produktion
und die Absicherung österreichischer Kulturleistung geht.

Ich hoffe, dass am Ende dieser Enquete bei aller Unterschiedlichkeit
der Standpunkte im Einzelnen das Bekenntnis zu einem starken,
ungeteilten, unabhängigen ORF steht, der mit klaren finanziellen
Rahmenbedingungen seinen umfassenden Auftrag zur Sicherung der
österreichischen und regionalen Identität zur Zufriedenheit der
Zuschauerinnen und Zuschauer erfüllen kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit."

Hinweis:
Die gesamte Enquete steht unter folgendem Link als Video-on-Demand
zur Verfügung:
http://kundendienst.ORF.at/unternehmen/parlamentsenquete.html

Rückfragehinweis:
ORF-Marketing und Kommunikation
Alexander Horacek
(01) 87878 - DW 12953

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