- 13.10.2005, 10:06:20
- /
- OTS0064 OTW0064
ÖAMTC/ÄKVÖ-Symposium: "Feinstaub & Co" (Teil 1)
Eindämmung des Kfz-Verkehrs als einzig zielführende Lösung?
Wien (OTS) - "Macht uns die Stadtluft krank?", "Ersticken wir an
den Stickoxiden?", "Wirbeln wir zuviel Feinstaub auf?" Aktuell zu
Beginn der Hauptbelastungszeit durch Feinstaub greift der ÖAMTC
erneut dieses stark emotional besetzte Thema auf. "Der ÖAMTC wünscht
sich eine sachliche Diskussion. Einseitige Kampagnen gegen den
Verkehr lehnt der Club mit seinen mehr als 1,5 Millionen Mitgliedern
entschieden ab", sagt ÖAMTC-Vizepräsident Harald Hertz. Anlässlich
des heutigen Symposiums bittet der ÖAMTC gemeinsam mit seinem
Zweigverein, der ÄKVÖ (Ärztliche Kraftfahrvereinigung Österreichs),
Experten an einen Tisch, um dieses kontroversielle Thema am Stand der
jüngsten Entwicklungen zu diskutieren.
In Österreich wie in ganz Europa gibt es definierte Grenzwerte für
die Luftbelastung mit PM10, die laufend gesenkt werden. Mit Feinstaub
PM10 bezeichnet man Partikel mit einem Durchmesser kleiner 10
Mikrometer. "Die Feinstaub-Emissionen - und damit oft auch die
Immissionen - sind rückläufig. Dennoch 'überholen' die - noch
schneller - abgesenkten Grenzwerte die mehr oder minder stetig
fallenden Werte der Feinstaubbelastung", erklärt ÖAMTC-Jurist Martin
Hoffer im Zuge des interdisziplinären Symposiums. "Die
Weltgesundheitsorganisation hat noch keine Empfehlungen für
Grenzwerte abgegeben. Im Gegensatz dazu wurden von der Europäischen
Union und darauf aufbauend auch in Österreich (IG-Luft) PM10
Grenzwerte postuliert, die bis zum Jahr 2010 kontinuierlich abgesenkt
werden sollen", erklärt Christian Vutuc, Leiter der Abteilung für
Epidemiologie der Organisationseinheit Public Health der
Medizinischen Universität Wien.
Grenzwertüberschreitung ist vorwiegend ein Winterphänomen
Feinstaub war auch in früheren Jahrzehnten vorhanden, damals
allerdings gab es noch keine Messdaten und daher auch keine
Untersuchungen über mögliche Auswirkungen und Schäden. In Österreich
wurde 2003 das AQUELLA-Projekt ("Aerosolquellenanalyse") für Wien
gestartet. AQUELLA untersucht die Ursachen von PM10 an ausgewählten
Messstellen. Für das Jahr 2004 zeigte sich deutlich, dass das
Überschreitungsproblem ein Winterphänomen ist. In der Wiener Region
sind für die Grenzwert-Überschreitungen drei Fälle unterscheidbar:
"Erstens, die dominante Belastung durch Import von Sulfaten und
Nitraten aus Regionen außerhalb des Stadtgebietes. Zweitens, der
Anstieg aller Quellenbeiträge durch verminderten Luftaustausch und
drittens, die dominante Belastung durch Straßenstaub, durch Splitt
und andere Materialien für den Winterdienst", sagt Hans Puxbaum vom
Institut für Chemische Technologien und Analytik der Technischen
Universität Wien.
Feinstaub hat viele Väter
Neben dem Straßenverkehr hat Feinstaub eine Vielzahl von weiteren
Quellen und Verursachern: Hausbrand/Kleinverbraucher, Industrie,
Kraft- und Heizwerke, Off-Road-Maschinen und Landwirtschaft. "Auf
Grund der unterschiedlichen Quellen und der verschiedenen relevanten
räumlichen Skalen sind Maßnahmen bei verschiedenen Verursachern auf
lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene (v. a. EU)
notwendig. Dabei ist auf die Immissionsbeiträge der Verursacher, die
Kosten-Effektivität, aber auch Wechselwirkungen mit anderen
Umweltbelangen Bedacht zu nehmen", sagt Jürgen Schneider, Experte und
Leiter von internationalen Fachgremien zum Thema Luftreinhaltung.
Zielgerechte Maßnahmen auf Seiten des Straßenverkehrs
Der ÖAMTC bemüht sich seit Jahren um eine sachliche Diskussion, um
zielgerichtete Maßnahmen zu finden und durchzusetzen. Das gilt für
den Verkehrsbereich genauso wie für alle anderen Verursacher. "Jeder
muss seinen Beitrag leisten. Manche verkehrsbeschränkenden Maßnahmen
schießen aber über das Ziel hinaus", kritisiert ÖAMTC-Jurist Martin
Hoffer. Die Stadt Wien wird mit 1. Jänner 2006 sämtliche Tempolimits,
die derzeit über 50 km/h liegen, absenken. Die betroffenen 60-er und
70-er Beschränkungen sind aber deshalb festgelegt worden, um die
Flüssigkeit des Verkehrs zu heben. "Und das ist die effizienteste
Maßnahme zur Umweltentlastung in städtischen Ballungszentren", so der
Club-Experte. "Im Sinne des Umweltschutzes muss mit 'grünen Wellen'
und moderner Telematik alles getan werden, um die Flüssigkeit des
Verkehrs zu erhöhen statt zu behindern. Mit einer 'Lizenz zum Rasen'
hat das absolut nichts zu tun." Eine generelle Senkung der
Tempolimits hält der Club-Experte jedenfalls für kontraproduktiv.
"Das gleiche gilt für Geschwindigkeitsbeschränkungen für alle
Fahrzeuge, also auch für jene, die bereits über bestmögliche
Abgasreinigung verfügen."
Für den ÖAMTC sind die Entschwefelung des Kraftstoffes und die
Förderung des Dieselpartikelfilters wesentliche Schritte, die von
Seiten des Autoverkehrs in Richtung mehr Immissionsschutz bereits
gesetzt worden sind. Weitere Schritte sollten folgen. "Etwa die
Abgasreinigung bei Lkw und anderen Großdieselanlagen, wie
Diesellokomotiven und Triebwagen der Bahn". Auch für die Klagenfurter
Stadträtin für Gesundheit- und Umweltschutz Maria-Luise
Mathiaschitz-Tschabuschnig ist die Förderung von
Partikelfiltersystemen neben verkehrslenkenden und
verkehrsberuhigenden Maßnahmen unumgänglich.
"Auch an Maßnahmen zur Reduktion der Abgasbelastung durch NOx wird
man mittelfristig nicht vorbeikommen, will man die Attraktivität des
Diesel als Chance zur Reduktion von CO2 erhalten", sagt Hoffer. Das
bestätigt auch Ernst Pucher, vom Institut für
Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau der TU Wien, der bei
den Abgasemissionen im Straßenverkehr neben den Feinstaubpartikeln
auch Stickstoffdioxid-Emissionen (NO2) und den Kohlendioxidausstoß
(CO2) als Problemfelder nennt. "Ein sehr interessantes Szenario zur
Erfüllung der Ziele ist der kurz- und mittelfristige Einsatz von
Erdgas verbunden mit der mittel- und langfristigen Verwendung von
Wasserstoff als Energieträger der automobilen Zukunft", sagt Pucher.
Auch die Automobilindustrie baut für eine umweltgerechte Zukunft
vor. Mark Schreiber, Projektleiter für Markteinführung von
Abgastechnologien bei DaimlerChrysler, präsentiert BlueTec, die neue
Dieseltechnologie von Mercedes-Benz. Damit werden Partikelemissionen
direkt an ihrem Entstehungsort, nämlich im Verbrennungsprozess,
vermieden. Hohe Einspritzdrücke sorgen für eine feinere Verwirbelung
des Kraftstoffes, dieser wird bei erhöhten Spitzen-Zünddrücken heißer
verbrannt. Dabei werden Kleinstpartikel aufgrund ihrer großen
Oberfläche überproportional eliminiert.
Der Kampf an vielen Fronten ist vorgezeichnet: "Vom Nachrüsten der
Dieselrußfilter über Reduktion von Hausbrand bis zum Verzicht auf
Tabak, Weihnachtskerzen oder Räucherstäbchen - die Liste lässt sich
beliebig fortsetzen. Weitere Forschung ist erforderlich", so Hartmut
Zwick, Vorstand der Lungenabteilung im KH Lainz und Vorstand des
Boltzmann-Instituts für Umweltpneumologie.
(Forts.)
Rückfragehinweis:
ÖAMTC-Öffentlichkeitsarbeit
Margret Handler
Tel.: +43 (0) 1 711 99-1218
mailto:pressestelle@oeamtc.at
http://www.oeamtc.at
OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | OCP