- 13.12.2001, 10:25:13
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TRAUERKUNDGEBUNG FÜR ANTON BENYA IM PARLAMENT Anton Benya, ein Baumeister der Zweiten Republik=
Wien (PK) - Im Sitzungssaal des Reichrates fand heute eine
Trauerkundgebung zu Ehren des kürzlich verstorbenen langjährigen
Präsidenten des Nationalrates und Präsidenten des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes Anton Benya statt, zu der der Präsident des
Nationalrates Dr. Heinz Fischer und der Präsident des Bundesrates
Alfred Schöls geladen hatten.
Nationalratspräsident Fischer würdigte den Verstorbenen als
"Baumeister des österreichischen Wohlfahrtsstaates" und "Symbolfigur
der österreichischen Sozialpartnerschaft". Hinter den Stationen
seiner politischen Laufbahn verberge sich eine jahrzehntelange
engagierte, vielseitige, anstrengende aber erfolgreiche Arbeit im
Interesse unseres Landes. Anton Benya sei wie viele seiner
Zeitgenossen von den dramatischen Ereignissen der Ersten Republik
geprägt gewesen, und so sei sein politisches Credo gewesen, dass man
aus der Geschichte lernen müsse, dass man Probleme am
Verhandlungstisch besser lösen könne als auf der Straße. Ihn habe vor
allem sein sicheres Augenmaß für das Zumutbare ausgezeichnet, sagte
Fischer. Am Menschen Benya habe er dessen Fähigkeit zu lebenslangen
Freundschaften, sein ausgeprägtes Gefühl für Solidarität und
Kameradschaft, seine sprichwörtliche Bescheidenheit und seine
ungekünstelte Volksverbundenheit geschätzt.
Auch Bundespräsident Dr. Thomas Klestil reihte Anton Benya unter die
großen Baumeister der Zweiten Republik, die auf Dogmen verzichtet
hätten, über ihre eigenen Lager hinausgewachsen wären und den großen
Sprung über ideologische und konfessionelle Schatten gewagt hätten.
Diese Gemeinschaftsgesinnung sei das Vermächtnis von Anton Benya und
auch heute nicht überholt, betonte der Bundespräsident. Er selbst
sehe keine Alternative zum Dialog über existenzielle Fragen unserer
Zukunft. Er sehe auch keine Alternative zur Sozialpartnerschaft in
der Ära der Globalisierung. Österreich nehme heute Abschied von
einem großen Sohn, in dessen Leben sich auch das Schicksal des Hohen
Hauses widergespiegelt habe. Er habe die rot-weiß-rote Fahne wie eine
Stafette aufgenommen und sie weitergetragen in all seinen
verantwortlichen Funktionen des öffentlichen Lebens.
Zur Gedenkveranstaltung waren neben der Familie Anton Benyas
zahlreiche Spitzenvertreter des öffentlichen Lebens und der
Religionsgemeinschaften erschienen: Der Zweite und Dritte Präsident
des Nationalrates DI Thomas Prinzhorn und Dr. Werner Fasslabend, der
Präsident des Bundesrates Alfred Schöls und die Vizepräsidenten,
Mitglieder der Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Dr.
Wolfgang Schüssel, ehemalige Präsidenten und Präsidentinnen des
Nationalrates, ehemalige Regierungsmitglieder und Parlamentarier,der
Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler, Volksanwalt Dr. Peter
Kostelka, VertreterInnen der Landesregierungen und der Landtage,
RepräsentantInnen der Kammern und des ÖGB sowie hohe kirchliche
Würdenträger, unter ihnen Kardinal DDr. Franz König.
Die Trauerfeier wurde musikalisch begleitet von den
Niederösterreichischen Tonkünstlern, die "Ases Tod" aus der "Peer
Gynt Suite" von Edvard Grieg und Anton Bruckners "Requiem Aeternam"
spielten. Den Abschluss der Trauerfeier bildete die Intonierung der
ersten Strophe der Bundeshymne.
ANTON BENYA
Anton Benya, der 1912 in Wien geboren wurde, besuchte hier Volks- und
Bürgerschule, ehe er 1926 eine Mechanikerlehre begann. In dieser Zeit
schloss er sich der Sozialdemokratie an und wurde in den Freien
Gewerkschaften aktiv.
Benya wirkte auch nach dem Verbot der sozialdemokratischen
Organisationen weiter für die Interessen der Arbeiterschaft, was ihm
zweimal, 1934 und 1937, Verhaftungen einbrachte. Dennoch setzte er
sein Engagement für die in die Illegalität gedrängte Gewerkschaft
selbst während des Zweiten Weltkriegs unbeirrt fort.
Nach Kriegsende wurde Benya Funktionär des neu formierten ÖGB und
übernahm noch 1945 den Vorsitz der Gewerkschaft Metall-Bergbau-
Energie. Ab 1948 fungierte er als einer der Leitenden Sekretäre des
ÖGB, 1956 avancierte er zum stellvertretenden Generalsekretär, ehe er
1959 zum Vizepräsidenten und schließlich 1963 zum Präsidenten des ÖGB
gewählt wurde. In dieser Funktion wurde Benya, gemeinsam mit seinem
Gegenüber Rudolf Sallinger, zur Inkarnation der Sozialpartnerschaft,
eine Achse, die den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs maßgeblich
unterstützte. Mehr als 20 Jahre galten Benya und Sallinger als
Garanten dafür, dass in Österreich ökonomische Interessengegensätze
konsensual gelöst wurden, während es anderswo zu Streiks, Ausständen
und Aussperrungen kam. Erst 1987 sollte sich Benya von der Spitze des
ÖGB zurückziehen, wobei er der Gewerkschaft freilich immer noch mit
Rat und Tat zur Seite stand.
Zu Beginn der VIII. Gesetzgebungsperiode im Juni 1956 zog Benya für
die SPÖ in den Nationalrat ein, dem er in der Folge bis zum Ende der
XVI. GP im Dezember 1986 angehörte. Im November 1971 verzichtete
Nationalratspräsident Waldbrunner auf eine Wiederwahl in diese
Funktion, worauf die SPÖ Anton Benya in Vorschlag brachte, der dieses
Amt dann bis 1986 bekleidete. Als sich Benya 74-jährig in den
Ruhestand zurückzog, konnte er auf die bislang längste Amtszeit als
Nationalratspräsident zurückblicken, was sich auch darin ausdrückte,
dass Benya gleich zweimal, nämlich 1974 anlässlich der Angelobung von
Bundespräsident Rudolf Kirchschläger und 1986 aus Anlass der
Angelobung von Bundespräsident Kurt Walheim, den Vorsitz in der
Bundesversammlung führte. Bis zum Ende seines Lebens hat Anton Benya
lebhaften Anteil an der aktuellen Politik - und am Schicksal "seines"
Fußballvereins Rapid genommen.
Die Reden des Bundespräsidenten und des Nationalratspräsidenten
werden im Wortlaut in der Parlamentskorrespondenz veröffentlicht.
(Schluss)
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