Wien (OTS) - Die Welt hat sich seit dem 11. September 2001
verändert. Das ist überhaupt keine Frage. Jetzt geht es darum, dass
wir einsehen: Nur gemeinsam können wir uns schützen", sagt
Bundespräsident Thomas Klestil im Gespräch mit Gerfried Sperl und
Katharina Krawagna-Pfeifer."
Standard: In den USA gibt es den verständlichen Ruf nach Vergeltung,
der aber gleichzeitig von vielen als Bedrohung gesehen wird. Kann man
hier mäßigend wirken?
Klestil: Der Ruf nach Vergeltung ist verständlich, ich hoffe aber,
dass Amerika in Abstimmung mit seinen westlichen Partnern besonnen
vorgeht. Der Kampf gegen den Terrorismus verlangt eine langfristige
Strategie, kurzfristige militärische Erfolge sind dabei nicht zu
erzielen. Wir müssen uns auch überlegen, warum es zu solchen
hasserfüllten Handlungen kommen konnte.
Standard: Kann die EU Mediator sein?
Klestil: Ganz sicher. Auf allen Seiten ist der Druck der
Öffentlichkeit sehr groß. Trotzdem glaube und hoffe ich, dass die
Besonnenheit im Vordergrund steht. Die USA versuchen eine breite
Allianz im Kampf gegen den Terror zustande zu bringen. Wir alle, auch
Österreich müssen solidarisch vorgehen. Im Kampf gegen den
Terrorismus gibt es kein Neutralität. Die UNO hat in einer
Resolution, die auch Österreich mitgetragen hat, einen eindeutige
Grundlage geschaffen.
Standard: Wie können wir vermeiden, dass es Schläfer gibt? Sind
Waffen- und Drogenhandel nicht auch Urheber des Terrorismus?
Klestil: Bis jetzt sind keinerlei Verbindung mit Österreich
festzustellen. Aber natürlich wird es eine noch engere Zusammenarbeit
der Innenministerien auf europäischer Ebene geben müssen.
Standard: Wie weit werden dadurch Grund- und Bürgerrecht, für die in
der westlichen Welt lange gekämpft wurde, berührt?
Klestil: Sie haben ganz Recht. Die Grundfreiheiten und Bürgerrechte
dürfen trotzdem nicht eingeschränkt werden. Auf der anderen Seite ist
es auch Aufgabe der Politik den Bürgern bewusst zu machen, dass sich
die Bedrohungsszenarien geändert habe. Bei allen Überlegungen muss
die Sicherheit der Bürger und des Landes im Vordergrund stehend.
Standard: Sind Abfangjäger das geeignete Instrument, um uns schützen
zu können?
Klestil: Ein souveränes Land muss in der Lage sein seinen Luftraum
zu überwachen und zu verteidigen. Wenn wir am Aufbau eines
europäischen Sicherheitssystems gleichberechtigt teilnehmen wollen,
müssen wir auch etwas einbringen.
Standard: Wird sich dieses selbständig zur Nato entwickeln?
Klestil: Beim Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems wird man
auf die Nato nicht verzichten können, aber sie selbst muss sich auch
neu orientieren und reformieren, weil sie seit dem Zusammenbruch des
Warschauer Paktes andere Aufgaben hat, denen neuen Bedrohungszenarien
entsprechend. Auch Russland begreift sich als europäisches Land und
daraus ergeben sich neue Perspektiven in der Sicherheitspolitik.
Standard: Sie haben gute Kontakte in die arabischen Länder. Wie weit
reichen Ihre Möglichkeiten der Vermittlung?
Klestil: Österreich ist als eine der kleinen EU- Staaten als
Vermittler sehr gefragt. König Abdulla von Jordanien war bei mir,
auch Arafat. Ich bin in ständigem Kontakt mit ihnen, auch mit
Präsident Mubarak von Ägypten. In einer schwierigen Situation
erweisen sich diese engen Verbindungen als sehr wertvoll.
Standard: Wenn keinVier-Parteien-Konsens zur Bildung eines
nationalen Sicherheitsrates zustande kommt, ist er dann sinnvoll?
Klestil: Der nationale Sicherheitsrat, der in Österreich neu
gebildet werden soll, muss parteipolitisch außer Streit stehen, sonst
ist er sinnlos. Wenn es um die Sicherheit um des Landes geht, müssen
wir alle zusammenhalten. In diesem Punkt darf eine Partei nicht für
sich den Vorsitz verlangen. In Schweden, Finnland oder Portugal hat
eben jeweils das Staatsoberhaupt den Vorsitz im nationalen
Sicherheitsrat. Das Staatsoberhaupt wirkt als Klammer über den
Parteien. In Österreich steht immer parteipolitisches Denken im
Vordergrund und nicht das gesamtstaatliche Interesse. Das bedauere
ich.
Rückfragehinweis: Der Standard
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