- 19.04.2001, 12:23:21
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ORF-Gesetz: Cap warnt vor einer "totalen Verschüsselung" des ORF
Wien (SK) Der Begutachtungsentwurf zum ORF-Gesetz "übertrifft die
schlimmsten Befürchtungen", so SPÖ-Mediensprecher Josef Cap. Es werde
substanziell in die wirtschaftlichen und programmgestalterische
Arbeit des ORF eingegriffen, letztlich laufe der Entwurf der
Regierungsparteien auf die "völlige Beseitigung der Unabhängigkeit
des ORF" hinaus, erklärte Cap am Donnerstag in einer Pressekonferenz.
Cap kritisierte insbesondere die Anhäufung von Macht und Einfluss bei
Bundeskanzler Schüssel. Dieser kontrolliere sowohl den Stiftungsrat
als auch die Gremien der Medienbehörde und des
Bundeskommunikationssenats. ****
Cap sprach von einer "totalen Verschüsselung des ORF". Im
Stiftungsrat, der das ORF-Kuratorium ersetzen soll, werden von der
ÖVP entsandte Mitglieder die absolute Mehrheit haben, erklärte Cap.
Zusammen mit den von der FPÖ entsandten Mitgliedern ergebe sich eine
Zweidrittelmehrheit in diesem Gremium. Es gebe im Ergebnis keinen
Vorgang im ORF und auch nicht bei Beschwerden über die Medienbehörde
oder den Bundeskommunikationssenat, wo nicht der Bundeskanzler zu
bestimmen hätte.
Cap kritisierte auch, dass nach den Plänen der Regierung Abstimmungen
im Stiftungsrat nicht mehr geheim erfolgen können. Auch das
interpretierte der Abgeordnete als Versuch der Regierung, sich
Kontrolle über den Stiftungsrat zu sichern.
Journalistische Freiheit sei unter diesen Umständen eine
"Augenauswischerei", bemerkte Cap. Der Abgeordnete lehnte ferner das
Verbot von inhaltlicher Werbung von Printmedien im ORF ab. Er sieht
darin eine Einschränkung der Medienfreiheit, wobei es zweifelhaft
sei, ob dieses Verbot verfassungsrechtlich überhaupt möglich sei. Cap
sieht als Folge eine Umlenkung von Werbemitteln zu deutschen
TV-Unternehmen.
"Die wirklichen Verlierer werden die Seher und Hörer des ORF sein",
sagte Cap. Er warnte vor drastischen Einschränkungen beim Programm,
denn die Finanzierungsgrundlage des ORF werde eingeschränkt. Eine
mögliche Folge daraus seien Gebührenerhöhungen, die aber wiederum nur
vom Stiftungsrat beschlossen werden können. "Die wirtschaftliche
Schwächung des ORF ist evident und gewollt", kritisierte Cap.
Die Regierungsvorlage zum ORF-Gesetz sehe vor, dass es keinen
Geschäftsvorgang mehr im ORF geben werde, der nicht vom Stiftungsrat
zu beschließen wäre. Letztlich werde mit dem Stiftungsrat eine Art
Parallel-Geschäftsführung etabliert, kritisierte Cap. Der von der ÖVP
dominierte Stiftungsrat werde sowohl für die Bestellung des
Generaldirektors, der Direktoren bis hin zur Bestellung von
Abteilungsleitern zuständig sein. Über den Stiftungsrat könne die ÖVP
weitreichenden Einfluss auf inhaltliche, geschäftliche und technische
Entscheidungen ausüben, sagte Cap.
"Jede Anschaffung eines Bleistifts oder Radiergummis muss durch den
Stiftungsrat", so Cap. Es sei in dieser Situation "schleierhaft, wie
dieses Unternehmen dann funktionieren soll". Jeder Geschäftsvorgang
werde so zu einem politischen Akt.
Cap betonte ferner, "die Politik wird durch das neue ORF-Gesetz so
präsent sein, wie nie zuvor in der Geschichte des ORF". Dem
Bundeskanzler wirft Cap vor, dass er sich "den ORF unter den Nagel
reißen" wolle. "Man kann es drehen und wenden, wie man will, überall
trifft man auf Schüssel", sagte Cap. Er fügte hinzu: "Mittlerweile
wird auch klar, worüber Schüssel und der russische Präsident Putin in
St. Anton gesprochen haben: Sie müssen über Medienpolitik gesprochen
haben".
Cap sprach sich im Gegensatz zum Regierungsentwurf für andere
Entsendungsregeln für den Stiftungsrat aus. Dabei müsste
sichergestellt werden, dass die Politik wirklich über keine Mehrheit
in diesem Gremium verfüge. Die von der Regierung gewählte
Konstruktion sei "in höchstem Maß undemokratisch, weil sie täuschen
will". (Schluss) wf
Rückfragehinweis: Pressedienst der SPÖ
Tel.: (01) 53427-275
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