• 18.10.2000, 10:43:55
  • /
  • OTS0087

Jugendstilkirche am Wiener Zentralfriedhof in neuem Glanz=

Wien, (OTS) Eines der bedeutendsten Jugendstilbauwerke Wiens
wird nun nach fünfjähriger Generalsanierung wieder eröffnet. Die
architektonisch bedeutende Friedhofskirche am Zentralfriedhof, ein
Werk des Architekten Max Hegele, wird ab 28. Oktober 2000 wieder
öffentlich zugänglich sein und auch für Trauerfeiern zur Verfügung
stehen. Mittwoch stellte Finanzstadträtin Mag. Brigitte Ederer die
renovierte Kirche in einem Pressegespräch vor.****

Im Gegensatz zu historisch gewachsenen Friedhöfen, die rund
um Kirchen entstanden waren, besaß der Wiener Zentralfriedhof
anfangs noch keine Friedhofskirche. Aufbahrungen fanden in
Wohnungen oder in anderen Kirchen statt. Von dort aus ging dann
der Trauerzug nach Simmering. Erst 37 Jahre nach der Eröffnung des
Zentralfriedhofes wurde - auf dem bereits bei der Planung
vorgesehenen Platz - die neue Friedhofskirche ihrer Bestimmung
übergeben.

Kleine Chronik:

o 1863: Gemeinderatsbeschluss zur Errichtung "eigener Friedhöfe

auf Kommunalkosten"
o 1866: Gemeinderatsbeschluss zur Errichtung eines

Zentralfriedhofes
o 1871: Baubeginn
o 1874 Eröffnung des Wiener Zentralfriedhofes als Friedhof für

alle Konfessionen
o 1905: Errichtung der Aufbahrungshallen 1 und 2 (beim 2. Tor)

und der Portalanlage (Architekt Max Hegele)
o 1905-1906: Umbau der Verwaltungsgebäude und Anpassung der

Fassaden an das Portal
o 1906-1907: Errichtung der Arkaden und Kolumbarien beiderseits

der geplanten Friedhofskirche
o 1908-1911: Errichtung der Friedhofskirche (Architekt Max

Hegele)
o 1945: Bombardierung der Kirche; schwere Schäden an Dach und

Kuppel
o 1952: Wiederherstellung der Kuppel in einer vom Originalbestand

abweichenden Form
o 1995: Beginn der umfassenden Sanierungs- und

Restaurierungsarbeiten an der Friedhofskirche
o 27. Oktober 2000: Wiedereröffnung der Friedhofskirche zum

heiligen Karl Borromäus durch Bürgermeister Dr. Michael Häupl
o 31. Oktober 2000: Wiedereinweihung durch Erzbischof Kardinal

Dr. Christoph Schönborn

Max Hegele - zu Unrecht im Schatten Otto Wagners

So wie die historische Bedeutung des Jugendstil-Architekten
Max Hegele angesichts der Dominanz Otto Wagners auch in
Fachkreisen noch immer unterschätzt wird, so steht auch die
Friedhofskirche am Zentralfriedhof im Schatten der weitaus
bekannteren Kirche am Steinhof. Max Hegele, damals 27 Jahre alt,
hatte 1899 den Wettbewerb gewonnen, der das Eingangsportal (Tor
2), zwei Aufbahrungshallen und die Friedhofskirche umfasste. In
der Jury war damals übrigens Otto Wagner. Doch bis zur Errichtung
der Kirche dauerte es noch fast ein Jahrzehnt. Es besteht kein
Zweifel, dass Max Hegeles Entwurf für die Kirche am
Zentralfriedhof eine Inspiration für Otto Wagner darstellte,
dessen Kirche am Steinhof 1905 bis 1907 errichtet wurde.
Erst nach der Errichtung des Haupttores und der Aufbahrungshallen
am Zentralfriedhof konnte Hegele dann im Jahre 1908 endlich mit
dem Bau seiner eigenen Friedhofskirche beginnen, die mit ihrer 60
Meter hohen Kuppel zu einem Wahrzeichen des Zentralfriedhofes
geworden ist.

Kirche und Politik

In einer kommunalpolitisch für Wien ebenso bedeutenden wie
bewegten und konfliktgeladenen Zeit erbaut, geriet die Kirche
zwischen die Fronten und wurde auch (partei)politisch
instrumentalisiert. Ursprünglich selbstverständlich nur als
katholische Friedhofskirche gedacht, deren einziger Zweck die
Aufbahrung Verstorbener und das Totengedenken aus religiöser Sicht
sein sollte, wurde sie nach dem unerwarteten Tod von Bürgermeister
Dr. Karl Lueger zum Gedenkmonument "umfunktioniert". Es erfolgte
sogar eine Korrektur der bereits zu zwei Drittel durchgeführten
Bauarbeiten.
In der Unterkirche wurde eine Gruft für Lueger errichtet, und in
der Oberkirche die Öffnung für das vorgesehene Glasfenster über
dem Hochaltar vermauert, um einen Platz für die Wandmalerei "Das
jüngste Gericht" zu schaffen, auf dem auch der verstorbene
Bürgermeister Dr. Karl Lueger im weißen Sterbehemd dargestellt
werden sollte.

Lueger hatte bereits zu seinen Lebzeiten seinen eigenen
Namenspatron, den heiligen Karl Borromäus, zum Patron der
Zentralfriedhofs-Kirche gewählt. Durch seinen plötzlichen Tod
während des Kirchenbaues erhielt die Kirche dann zusätzlich noch
die Bezeichnung "Dr. Karl-Lueger-Gedächtniskirche".
Dieser Name brachte, wie sich später herausstellte, dem
Monumentalbau beträchtliche Nachteile. So sahen die damaligen
politischen Gegner darin ein Denkmal für Lueger und nicht eine in
der Kunstgeschichte einmalige Friedhofskirche. Und selbst in
Architektur-Fachkreisen und bei Kunsthistorikern schien die
Bedeutung dieses Jugendstil-Kunstwerkes unter dieser Einordnung
gelitten zu haben. So fehlt diese einzigartige Friedhofskirche,
immerhin einer der weltweit bedeutendsten Jugendstil-Sakralbauten,
in den meisten einschlägigen Fachpublikationen völlig.

Mit Generalsanierung beginnt neue Ära

Mit der von der Stadt Wien Mitte der neunziger Jahre
beschlossenen und nun beendeten Generalsanierung beginnt eine neue
Ära für die Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus.
Sie ist nun nicht nur baulich saniert und mit allem Komfort, wie
einer neuen Heizung und einem Aufzug ausgestattet, sie wurde
darüber hinaus von Architekt und Denkmalpfleger Univ. Prof. Dipl.-
Ing. Dr. Manfred Wehdorn und seinem Team nach Originalplänen bis
ins kleinste Detail umfassend restauriert.
Glanzstück dieser Arbeit ist zweifellos die Wiederherstellung der
Innenkuppel mit einem Sternenhimmel aus Blattgold auf strahlend
blauem Hintergrund. 22.000 Goldglas-Elemente wurden zu diesem
Zweck händisch versetzt.

Es steht zu hoffen, dass nun der Kirche endlich jene
Anerkennung und Beachtung zukommt, die ihr zusteht, zumal die
reiche Ausstattung fast vollständig erhalten ist, die von
Jahrhundertwende-Künstlern wie Josef Breitner, Theodor Charlemont,
Leopold Forstner (von ihm stammen die beeindruckenden Glasfenster
und Mosaike), Arthur Kaan und vielen anderen stammt.

Selbstverständlich kann die Friedhofskirche nun auch wieder
ihrem eigentlichen Zweck dienen, nämlich Aufbahrungen und
Trauerfeiern sowie Seelenmessen. Dabei steht sie nicht nur für
katholische Begräbnisse, sondern - im Sinne der Ökumene - auch für
Trauerfeiern Angehöriger aller anderen christlichen Religionen
offen.

Daten und Fakten zur Generalsanierung

Um 183,5 Millionen Schilling aus dem Budget der Stadt Wien
konnte die Jugendstilkirche gerettet und damit bedeutendes
Kulturgut auch für künftige Generationen erhalten werden.
Nach einer 1992 beauftragten umfassenden Vorstudie und
eineinhalbjähriger Vorarbeit erfolgte zwischen 1995 und 2000 die
statisch-technische Sanierung und die eigentliche Restaurierung
des Gebäudes.

Dabei galt es primär, die erheblich geschädigte Bausubstanz
zu retten. Die vier seitlichen Türme drohten sich vom zentralen
Mittelbau mit der Kuppel zu lösen, und handbreite Risse zeugten
vom beängstigenden statischen Zustand. Ursache des sich vor
wenigen Jahren dramatisch verschlechternden Zustandes waren der
schlechte Baugrund, statische Fehler bei der Errichtung der Kirche
und das unkontrollierte Eindringen von Wasser in den Untergrund.

Zur Rettung der Kirche mussten die Fundamente mittels
Hochdruckbodenvermörtelung saniert und das Mauerwerk trocken
gelegt werden. Die Tragekonstruktion aller Freitreppen wurde wegen
der starken Korrodierung der Eisenträger komplett erneuert, wobei
aber die alten Steinstufen wieder aufgesetzt und die sanierte
Ausstattung wieder angebracht wurde. Emporendecken mussten aus
statischen Gründen neu hergestellt und Dächer instandgesetzt bzw.
erneuert werden. Auch das gesamte Kanal- und Drainagesystem und
die Elektrik wurden erneuert.
Zur Temperierung der Kirche, die auch für Veranstaltungen wie
Konzerte und Lesungen adaptiert wurde, erfolgte die Installation
einer Fußboden- und Bauteilheizung nach modernsten ökologischen
Gesichtspunkten. Das gesamte Gebäude ist nun auch durch einen
Aufzug erschlossen und daher für Gehbehinderte und
RollstuhlfahrerInnen problemlos zugänglich.
Auch wurden eine Brandmelde- und Alarmanlage und unter der
Hauptstiege eine von außen zugängliche WC-Anlage eingebaut.

Bei der Restaurierung stellte sich vor allem das Problem,
dass die reiche ornamentale Wand- und Deckenausstattung in
Leimfarbe teilweise schwer beschädigt war, weiters gab es größere
Schäden im Keramikboden auf Grund der - nunmehr behobenen -
Setzungen. Nun präsentiert sich das Kircheninnere "wie neu", und
auch die Lueger-Gruft in der Unterkirche wurde komplett
restauriert. Prunkstück und gleichzeitige größte Herausforderung
der Restaurierungsarbeiten war, wie schon erwähnt, die
Rekonstruktion des 1945 zerstörten Kuppelmosaiks. Rund 22.000
Einzelteile wurden dabei in fachmännischer Kleinarbeit hergestellt
und von einem Gerüst aus, das die ganze Kirche füllte, in der 39
Meter hohen Innenkuppel zu einem goldenen Strahlenkranz auf blauem
Untergrund zusammengefügt.

Der heilige Karl Borromäus

Er wurde am 2. Oktober 1538 in Arona, Italien, geboren. Vom
Vater (seine Mutter war eine Medici, sein Onkel Papst) für die
Laufbahn eines Klerikers bestimmt, erhielt er mit 12 Jahren die
Tonsur und wurde zum Abt der Benediktiner-Kommende von Arona
ernannt. Mit 16 Jahren ging er nach Pavia, wo er den Doktorgrad
beider Rechte erwarb. Im Alter von 22 Jahren ernannte ihn sein
Onkel, Papst Pius IV., zum Kardinalerzbischof von Mailand und zum
Staatssekretär, ein klassischer Fall von Nepotismus.
Doch Karl erwies sich des hohen Amtes würdig und wirkte als
Reformator, als Mann der religiösen Erneuerung.
Seine Reformdekrete - in Umsetzung der Beschlüsse des Konzils von
Trient (Trident) - wirkten bis Frankreich und Deutschland. Er war
es, der einen Teil des fürstlichen Prunkes abschaffte und das
erste Priesterseminar für eine bessere Priesterausbildung
einrichtete. Und auch die Bildung der Laien förderte er.
Schon zu Lebzeiten hatte Karl Borromäus auf Grund seiner
asketischen Lebensweise, nicht zuletzt aber durch seinen Mut, den
er während der Pestepidemie im Sommer 1576 bewies, den Ruf eines
Heiligen. Er organisierte die Versorgung der Kranken und auch
jener, die wegen der Quarantäne ihre Häuser nicht verlassen
durften. Um alle Fehler seines Lebens erkennen zu können, zwang er
seinen Körper und Geist schonungslos zu Fasten und Bußübungen, was
zu hoffnungsloser Erschöpfung führte. Er starb, erst 46-jährig, am
3. November 1584 in Mailand und wurde 1610 heilig gesprochen.
(Schluss) emw

Rückfragehinweis: PID-Rathauskorrespondenz:

www.wien.at/vtx/vtx-rk-xlink/
Elga Martinez-Weinberger
Tel.: 4000/81 844
e-mail: emw@gfw.magwien.gv.at

*** OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER

VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS ***

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NRK/NRK

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel