• 20.06.1999, 14:09:50
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  • OTS0070

ÖLSF "ergänzt" das Denkmal am Morzinplatz und mahnt das Gedenken an die vergessenen Opfergruppen ein.

Ein sechs Meter langer Balken vor dem Denkmal zeigt die vergessenen Winkel

Wien (OTS) - In einer aufsehenerregenden Aktion "ergänzte" das
Österreichische Lesben- und Schwulenforum (ÖLSF) im "Moment der
Stille" während der gestrigen Regenbogenparade 1999 das Denkmal zum
Gedenken an die Opfer des Nationalsozislismus am Morzinplatz durch
das Anbringen eines Balkens, der die bisher "vergessenen" Winkel
zeigt und somit das Erinnern an die bisher ebenso vergessenen
Opfergruppen einmahnt.

Zahlreiche Opfergruppen des Nationalsozialismus, die in den
Konzentrationslagern zu unmenschlicher Arbeit gezwungen, gefoltert
und ermordet worden sind, blieben und bleiben von öffentlicher
Erinnerung ausgeschlossen: die sogenannten "Asozialen" (unter ihnen
die meisten Frauen, die aufgrund des Vorwurfs der Homosexualität in
die Lager verschleppt wurden), die "Kriminellen", die Zeugen Jehovas
sowie die als homosexuell beschuldigten Häftlinge der
Konzentrationslager - die Männer mit dem rosa Winkel. Ausgeschlossen
sind jene aber nicht nur von der öffentlichen Erinnerung wie
Mahnmalserrichtungen oder offiziellen Reden, sondern auch vom
offiziellen Opferstatus und somit von der gesellschaftlichen
Anerkennung und der finanziellen Entschädigung für ihr erlittenes
Unrecht.

Auch heutige Mahnmal-Errichtungen perpetuieren die Hierarchie der
NS-Opfer. So werden gegenwärtig in zahlreichen Städten Schoa-Mahnmale
zur Erinnerung an die ermordeten Juden der jeweiligen Stadt, des
Landes oder auch ganz Europas (Berlin) errichtet. Über den Einbezug
anderer Opfergruppen in die Mahnung wurde in Wien nicht, in Berlin
kaum diskutiert. Der US-amerikanische Holocaust-Forscher Daniel
Goldhagen plädierte in der "Zeit" für die Errichtung zahlreicher
Mahnmale, auch für die anderen Opfergruppen, vor allem für die von
der öffentlichen Erinnerung fast völlig ausgeschlossenen
Homosexuellen.

Ztl: Die "Ergänzung" des Mahnmals am Morzinplatz durch das ÖLSF

Leopold Grausams Denkmal am Morzinplatz, dem Ort der ehemaligen
Wiener Gestapo-Zentrale, ist ein gutes Beispiel für die langsame
Entwicklung des Gedenkens an die NS-Opfer: 1957 wurden gerade mal
zwei Winkel - der rote für die "Politischen", der gelbe "Judenstern"
für die verfolgten Juden - auf dem Denkmal angebracht.

Während des "Moments der Stille" auf der diesjährigen Regenbogen
Parade hat das Österreichische Lesben- und Schwulenforum (ÖLSF) das
Denkmal von Leopold Grausam durch einen Balken ergänzt, der an die
vergessenen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. An diesem Balken
befinden sich Darstellungen jener Winkel, die an den
Häftlingsuniformen der Konzentrationslager angebracht waren, in jenen
Farben, die die Häftlinge als "Asoziale", "Kriminelle", "Zigeuner",
"Bibelforscher" oder "Homosexuelle" kennzeichneten (rosa, schwarzer,
grüner, violetter und brauner Winkel).

Das weitere Schicksal dieser dringend nötigen Denkmalsergänzung
wird zeigen, wie groß die Bereitschaft der öffentlichen Erinnerung
geworden ist, dieser Opfer zu gedenken. Dem Gesetz zufolge müßte
dieses zusätzliche Zeichen der Erinnerung weggeräumt werden, als
Müll, wenn nicht als sachbeschädigende Störung des Stadtbildes. Nur
eine politische Intervention Bürgermeister Häupls, der immerhin den
Ehrenschutz der heurigen Rrgenbogenparade übernommen hat, könnte die
Entfernung des neuen Mahnmals verhindern, eine Intervention, die
zeigen würde, das die Stadtregierung die Mahnung an jene vergessenen
Opfer des NS-Regimes für wert und wichtig befindet, an die
Bevölkerung Wiens weiterzugeben. Eine solche Intervention bedeutete
endlich ein offizielles Eingeständnis der Stadt, dieser Verbrechen an
Unschuldigen zu gedenken und sie für die Zukunft verhindern zu
wollen.

Das Österreichische Lesben- und Schwulenforum (ÖLSF) wird in
diesen Entscheidungsprozeß jedoch nicht eingreifen, denn mit der
Niederlegung des Balkens am Grausam-Denkmal und der Anteilnahme durch
die Zigtausenden TeilnehmerInnen an der Regenbogen Parade wird es den
Ort geschaffen haben, an dem der vergessenen Opfer gedacht werden
kann - ob mit oder ohne Verbleib der Denkmals-Ergänzung.

Verbleib oder Nicht-Verbleib werden also zeigen, wie sehr die
Stadt Wien bereit ist, auch die Verfolgung und Ermordung von
sogenannten Lesben und Schwule zuerst "Asozialen", "Kriminellen",
Sinti und Roma, Lesben und Schwulen öffentlich zu bereuen und wie
sehr sie sich einsetzt, auch jene Opfer in ihre öffentliche
Erinnerung miteinzubeziehen.

Idee: Hannes Sulzenbacher
Entwurf und Durchführung: Österreichisches Lesben- und Schwulenforum
(ÖLSF) und Regenbogen Parade (CSD Wien)
Künstlerische Ausführung: Karin Krahl

(Schluß)

Rückfrageadresse: Diana Voigt 533 31 9
Hannes Sulzenbacher 0664/211 16 24

Literarische Agentur Diana Voigt
Hoher Markt 1
A-1010 Wien
Tel: 0043/1/533 31 91
Fax: 0043/1/533 31 92
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