• 27.05.1997, 13:34:38
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Weitere Anzeigen der EBT in der Briefbombencausa: Es wurden hunderte falsche Spuren gelegt

Ein Desinformationskartell blockierte zwei Jahre lang die Arbeit der EBT

Wien (OTS) - Außer gegen den Computerexperten Ing. Gerhard
Pawlikowsky, der als Verfasser der letzten beiden
Briefbomben-Bekennerbriefe verdächtigt wird, hat die EBT weitere
Anzeigen gegen mehrere Personen (darunter auch zwei prominente
ORF-Journalisten und ein Beamter des Innenministeriums) bei der
Staatsanwaltschaft erstattet.

Das berichtet das morgen erscheinende Top-Magazin des als
Lucona-Aufdecker bekanntgewordenen Journalisten Hans Pretterebner.

Die Anzeigen richten sich in erster Linie
gegen den beschäftigungslosen "freien Journalisten" und bisherigen
EBT-Konfidenten Klaus Kufner, der sich noch am Montag abend in der
Zeit im Bild als "verdeckt arbeitender Briefbombenrechercheur"
präsentieren ließ;

gegen den Ex-Forum-Herausgeber und nunmehrigen ORF-Mitarbeiter
Gerhard Oberschlick;

gegen den ORF-Redakteur Bernd Ender (bisher Report-Mitarbeiter,
seit kurzem in der ORF-Parlamentsredaktion).

Die 40-seitige Sachverhaltsdarstellung der EBT an die
Staatsanwaltschaft komme aber auch einer "Selbstanzeige" des
Innenministeriums-Beamten Gerhard Koller, der bis vor kurzem
Einsatzleiter in der Briefbomben-Sonderkommission war, und des
Leiters der Staatspolizie, Peter Heindl, gleich.

Innenministerium und Abwehramt desavouiert

Der EBT-Beamte Gerhard Koller wurde von Kufner bzw. Bernd Ender
fälschlich des Amtsmißbrauchs beschuldigt, weil er angeblich
Briefbomben-Ermittlungsergebnisse an FPÖ-Klubobmann Ewald Stadler
weiterleite. Eine diesbezügliche Meldung wurde von der Abteilung 1
der BPDion Wien an das Innenministerium unter Berufung auf Kufner und
Ender erstattet. Bei Hausdurchsuchungen, die schon im Februar d.J.
bei Klaus Kufner wegen des Verdachtes durchgeführt wurden, den
ehemaligen Südtirolterroristen Emanuel Kubart zur Durchführung eines
Sprengstoffanschlages auf das Wiener Russendenkmal angestiftet zu
haben, wurden auch Unterlagen sichergestellt, die auf ein enges
persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Kufner und dem Leiter der
Staatspolizei, Peter Heindl, schließen lassen. So ließ Kufner nach
der bei ihm erfolgten Hausdurchsuchung dem Stapo-Chef die Nachricht
zukommen "Sei Dir der Solidarität der wahren Genossen gewiß. Ich
umarme Dich fest. Dein Klaus".

Tatsächlich wurden diese Unterlagen von Kufner jedoch mit Absicht
produziert, um den Stapo-Chef zu diskreditieren.

Kufner habe auch die bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen
Unterlagen, die ihn als langjährigen Mitarbeiter des
Heeres-Abwehramtes darstellen, selbst hergestellt und es treffe, laut
Top-Magazin, in Wahrheit nicht zu.

Den Briefbomben-Staatsanwalt Sepp-Dieter Fasching verleumdet

Schließlich habe Kufner sogar das Gerücht in die Welt gesetzt, der
Briefbomben-Staatsanwalt Sepp-Dieter Fasching habe vor einigen Jahren
seine damals erst zwölfjährige Tochter sexuell mißbraucht.
Staatsanwalt Fasching hat erst vor wenigen Tagen Verleumdungsanzeige
gegen Klaus Kufner erstattet.

Wie aus einer umfangreichen Dokumentation in der Juni-Ausgabe von
Pretterebners Top-Magazin hervorgeht, wurde Klaus Kufner über Gerhard
Oberschlick, der als Kufners "Führungsoffizier" bezeichnet wird,
schon im Jahr 1995 vom damaligen Kabinettchef Innenminister Einems
der EBT als "Spitzeninformant" in der Briefbombencausa vermittelt.
Mehr als hundert Ermittlungsaufträge des Ministeriums mußten von der
EBT auf Grund von Kufner-Recherchen durchgeführt werden. Auch der
nunmehr als Bekennerbriefschreiber verdächtige Ing. Gerhart
Pawlikowsky wurde der EBT von Kufner schon 1995 als mutmaßliches
"Bombenhirn" genannt.

Nun habe sich jedoch herausgestellt, daß Kufner und Pawlikowsky
schon seit langer Zeit eng zusammenarbeiten, und daß von Kufner und
seinem Umfeld jahrelang falsche Spuren in der Briefbombencausa gelegt
worden sind.

Der Schaden, der dadurch verursacht worden sei, gehe in die
Dutzende Millionen Schilling. Laut Top-Magazin hätten die Aktionen
von Kufner und seinen Helfern dazu gedient, die Arbeit der
Briefbombenermittler weitgehend zu blockieren, die Aufklärung zu
verhindern und überdies die einzelnen österreichischen Dienste
(Abwehramt, Heeres-Nachrichtenamt und Staatspolizei) gegeneinander
auszuspielen. Tatsächlich seien in letzter Zeit Ermittlungen des
Abwehramtes gegen Beamte des Innenministeriums und umgekehrt geführt
worden. Erst kürzlich habe das Innenministerium bei der
Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen den Leiter des HNA, Divisionär
Alfred Schätz, eingebracht - im Zusammenhaung mit der
Südtiroler-Schützen-Affäre, bei der ein gefälschter Stapo-Bericht
aufgetaucht sei. Auch in diesem Zusammenhang habe der angebliche
Journalist Kufner eine Rolle gespielt.

Vermutungen der EBT, sowohl Gerhard Oberschlick als auch Kufner
seien im Auftrag eines ausländischen Nachrichtendienstes in der
Briefbombencausa tätig geworden, hätten sich laut Top-Magazin, bisher
nicht erhärtet.

Millionenschaden und hauptverantwortlich für bisher erfolglose
Fahndung

Kufner sei dem österreichischen Abwehramt vielmehr seit Jahren als
"Nachrichtenschwindler" bekannt, und im kriminalpolizeilichen
Aktenindex werde er als "gewerbsmäßiger Betrüger" geführt. Überdies
leide der an sich "hochintelligente" Kufner am "Borderline Syndrom"
und sei auch schon in psychiatrischer Behandlung gewesen.

Kufner sei es allerdings, wie das Top-Magazin berichtet, bisher
immer wieder gelungen, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Schon
vor einigen Jahren sei Kufner angeklagt gewesen, weil er laut
Staatsanwalt versucht habe, den grünen Abgeordneten Andreas Wabl zur
Zurücklegung seines Nationalratsmandats zu nötigen. Ein
Geschworenensenat sprach Kufner aber frei. Zuletzt wurde Kufner am 7.
Mai 1997 von einer Millionen-Betrugsanklage im Zusammenahng mit einer
von ihm organisierten "Weltkinderkonferenz" freigesprochen, weil der
von Kufner angerichtete Schaden vom Bundeskanzleramt, dem
Außenministerium und dem Familienministerium aus Steuermitteln zum
größten Teil abgedeckt worden sei.

Für den Inhalt verantwortlich: Hans Pretterebner

Tel.: 513 13 42

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