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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 6. Mai 2022 von Peter Nindler "Die (Wasser-)Kraftprobe"

Innsbruck (OTS) - Der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal, Gletscherschutz und fixe Skigebietsgrenzen: ÖVP und Grüne haben sich in den vergangenen zehn Jahren aus dem Konflikt herausgewunden, besonders die Grünen stecken jetzt aber mittendrin.

Kraftwerksbau und Skigebiete: In ihrer ausgeisternden zweiten Regierungsperiode stehen sich ÖVP und Grüne plötzlich wieder wie am Anfang gegenüber. Weil sie sich in all den Jahren kompromisstreu und gekonnt über diese beiden politischen Konfliktthemen hinweggeschwindelt haben. Die Rahmenbedingungen haben sich zwar nicht geändert, die allgemeinen Sichtweisen hingegen maßgeblich.
Bereits vor zehn Jahren waren die für 2050 angestrebte Energieautonomie Tirols und die Abkehr von fossilen Energieträgern erklärtes Ziel. Die Strategien beinhalten – damals wie heute – den wegen der großen Natureingriffe und Wasserableitungen ökologisch höchst umstrittenen Ausbau des Kraftwerks Kaunertal. Die ÖVP hat sich nie davon verabschiedet, die Grünen haben das Kaunertal einfach schubladisiert. Sozusagen politisch aus den Augen, aus dem Sinn. Das durch den Ukrai­ne-Krieg notgedrungene Abrücken von der russischen Energie-Abhängigkeit mit Gas und Öl lässt die Kraftwerkserweiterung jetzt wie Phönix aus der Asche auferstehen und liefert der ÖVP eine beschleunigte Argumentationspipeline: Aus ihrer Sicht funktioniert die Energiewende ohne Wasserkraft nicht.
Die Grünen wollen diesen „Energie-Angriff“ standhaft mit Photovoltaik parieren. Auch weil es dieses Signal gegenüber ihrer Klientel und den Umweltinitiativen dringend benötigt. Gerade jetzt, wenige Monate vor der Landtagswahl. Das alles spielt allerdings der ÖVP in die Karten, sie kann danach die Wasserkraft zur Koalitionsbedingung machen. Für SPÖ, NEOS und FPÖ wäre das wahrlich keine Hürde, die Grünen hätten jedoch schwer daran zu kiefeln.
Bei den Skigebieten mit dem geforderten Gletscherschutz und fixen Ausbaugrenzen handelt es sich nicht so sehr um einen schwarz-grünen Konflikt, sondern um einen ÖVP-internen. Ansonsten würde sich nämlich der „neue Weg“ im Tourismus von LH Günther Platter (VP) als reine Worthülse entpuppen. Trotzdem geht es hier darum, wie weit sich die ÖVP vortraut und wie sehr die Seilbahner um ÖVP-Wirtschaftsbundchef Franz Hörl bremsen. Ebenfalls eine Frage für die Zeit nach der Landtagswahl und wiederum leichter lösbar mit Roten, Blauen oder Pinken.
Wiewohl die Grünen nach innen und außen ihr Profil schärfen – besonders wegen des Machtkampfs um die Spitzenkandidatur –, befeuern sie die Dissonanzen in der schwarz-grünen Koalition. Die NGOs nützen diese fragile Situation und treiben die Grünen bewusst vor sich her, indem sie die Umweltpolitik der ÖVP scharf kritisieren. Und irgendwie hat man dann das Gefühl, die Grünen werden aufgerieben: von außen und von innen.

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