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Das mumok trautert um Jiří Ševčík (1940–2022)

Sein Tod bedeutet für die Kunstwelt den Verlust eines geschichtsaffinen wie auch gegenwartssensiblen Verbindungsmannes zwischen Ost und West.

Wien (OTS) - Als zu Beginn der 1990er-Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer eine Neuordnung Europas anstand, rückte auch die Brückenfunktion des Museumsstandortes Wien zwischen Ost- und Westeuropa ins Zentrum kulturpolitischer Strategien. Im Zuge der sogenannten Ostöffnung erhielt daher das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien mit Lóránd Hegyi 1990 einen ungarischen Direktor, der während seiner zehnjährigen Amtszeit nicht nur zentrale Positionen osteuropäischer Kunst ins Ausstellungs- und Sammlungsprogramm integrierte, sondern auch den Kontakt zu Kunstfachleuten aus den ost- und südosteuropäischen Ländern aufbaute und intensivierte. Die zentrale Beraterpersönlichkeit, die äußerst kenntnisreich und engagiert tschechische und slowakische Kunst vermittelte, war dabei Jiří Ševčík. Er wie auch seine Frau Jana waren Teil jener tschechoslowakischen Szene, die seit den 1960er-Jahren auch unter kommunistischer Herrschaft neoavantgardistische Positionen vertrat.

Ševčík begann in den 1960er-Jahren als Herausgeber und Journalist für die Zeitschrift „Architektura CSR“ und lehrte am Institut für Theorie und Geschichte der Kunst und Architektur an der Architekturfakultät der technischen Hochschule in Prag. Nach der „samtenen Revolution“ (1989) wurde er Chefkurator an der City Galerie in Prag und von 1993 bis 1996 Direktor für die Kunstsammlung der Moderne und der Gegenwart an der Nationalgalerie in Prag. Von 1996 bis 2013 war er Vizerektor und Lehrender an der Prager Akademie für Angewandte Kunst.

Mit dem mumok verbinden ihn Ausstellungen wie „Reduktivismus – Abstraktion in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn 1950–1980“ (1992) oder „Aspekte / Positionen – 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa 1949–1999“ (1999/2000). Dafür lieferte Ševčík als Co-Kurator, Autor und Vortragender essentielle Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Kunst seines Landes und dessen internationaler Verortung. Die Bedeutung archivalischer Arbeit zeigt sich bei ihm sowohl in der Gründung des Academic Research Center an der Prager Kunstakademie 1997 wie auch in der Publikation „Between the First and Second Modernity 1985–2012“, die er gemeinsam mit Edith Jeřábková 2011 herausgegeben hat – ein Standardwerk mit grundlegenden Texten und Ausstellungsdokus zur Kunst in der Tschechoslowakei und ihren Folgestaaten.

Seine Kompetenz als Kunsthistoriker und -theoretiker sowie seine Kenntnisse aufgrund seiner persönlichen Verankerung in der Szene brachte Ševčík seit 2004 auch als Mitglied der Ankaufsjury der Kontakt Sammlung der Erste Bank-Gruppe ein. Sein Tod bedeutet für die Kunstwelt den Verlust eines zentralen geschichtsaffinen wie auch gegenwartssensiblen Verbindungsmannes zwischen Ost und West. Das mumok verliert mit ihm eine Persönlichkeit, die für die Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte des Museums im Zuge der Neuorientierung Europas nach 1989 prägend war.

Karola Kraus, Rainer Fuchs und das Team des mumok

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mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
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