Oö. Volksblatt: "Verständnis für Verdrossenheit" (von Herbert SCHICHO)
Ausgabe vom 2. April 2022
Linz (OTS) - Irgendwie kann man nachvollziehen, warum man sich verdrossen von der Politik abwendet: Da gibt es die Klimakrise, eine Pandemie und einen Krieg in der Nachbarschaft samt drohendem Energienotstand und innenpolitisches Hauptthema sind trotzdem die Endlos-Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Verdrossen macht etwa das „Schneeballsystem“ der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Man wirft einen Ball in die Luft und bevor er runterfällt, wirft man den nächsten ... mittlerweile hat die WKStA so viele Bälle in der Luft, dass sie scheinbar selbst nicht mehr weiß, wen sie alles beschuldigt. Anstatt einen Akt zu beenden, egal ob Anklage oder Einstellung, wird ein neuer Akt angelegt. Wenn sich die Vorgesetzten, Journalisten oder andere Dienststellen darüber wundern, wird es als Indiz gewertet und man beginnt gegen diese zu ermitteln. Auch dass man füreinander die Hand ins Feuer legen würde, zeigt eher Korpsgeist als Aufklärungsbereitschaft. Irgendwie hat man das Gefühl, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis Entscheidungen fallen. Und bis dahin kann mit öffentlichen Mutmaßungen Politik gemacht werden.
Und auch das macht verdrossen: In der Politik scheint die Anzeige das Argument zu verdrängen. Und schon mit der Anzeige kommt meist die Vorverurteilung. Selbst in der Justiz scheint man sich mit der Unschuldsvermutung schwer zu tun, so begründet das Gericht die Aufhebung der U-Haft für Ex-Ministerin Sophie Karmasin damit, dass ihr durch das Strafverfahren und die Inhaftierung „erhebliche negative Konsequenzen auf beruflicher und sozialer Ebene“ entstanden seien und daher kein Risiko bestehe, dass ihr in nächster Zeit Geschäfte möglich seien, mit denen strafbare Handlungen verwirklicht würden. Sollte sich am Ende des Tages die Unschuld herausstellen, wird für ihren Schaden vermutlich niemand haften wollen.
Verdrossen macht aber auch die „gespaltene Zunge“ der außer- und der parlamentarischen Opposition: Da wird einerseits immer die Unabhängigkeit der Justiz betont und jede Kritik als rechtsstaatsgefährdend dargestellt, andererseits werden nicht genehme Urteile der Gerichte als Fehlurteile gebrandmarkt: So traf für die FPÖ der Verfassungsgerichtshof in der Corona-Frage „parteipolitisch motivierte Gefälligkeitsentscheidungen“ und laut „zackzack.at“ von Peter Pilz ist die – nicht rechtskräftige — Verurteilung des Ibiza-Filmers wegen Drogendelikte nicht nur ein „Justizskandal“ sei, sondern auch eine deutliche Warnung an Aufklärer und Whistleblower.
Fazit: Es wäre zwar verständlich, aber trotzdem sollte man aktiv und nicht verdrossen werden. Zum Anpacken gäbe es genug: Klimakrise, Pandemie, Flüchtlingshilfe, ...
Rückfragen & Kontakt:
Oö. Volksblatt, Chefredaktion
0732/7606 DW 782
politik@volksblatt.at
http://www.volksblatt.at