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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 10. Oktober 2020. Von MARIO ZENHÄUSERN. "Spannende Partnersuche"

Innsbruck (OTS) - Die Frage, wer nach dem Wahlsonntag im Wiener Rathaus das Sagen haben wird, stellt sich nicht. Viel interessanter ist, wen SPÖ-Chef Michael Ludwig als Juniorpartner ins Boot holt. Alles ist möglich, nix is fix.

Am Sonntag finden in Wien Landtags- und Gemeinderatswahlen statt. Aber anders als vor fünf Jahren, als das Match zwischen Michael Häupl (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) zur Mutter aller Schlachten hochstilisiert wurde, ist diesmal vieles schon entschieden. Die Frage, wer im Rathaus künftig das Sagen hat, ist bereits entschieden:
Es wird Michael Ludwig sein, Häupls Nachfolger als SPÖ-Chef und Bürgermeister.
Weit interessanter ist, mit wem Ludwig die Stadt künftig regieren wird. Die Grünen haben ihre Bereitschaft bereits signalisiert. Sie sind seit zehn Jahren Juniorpartner im Rathaus, und Spitzenkandidatin Birgit Hebein hat immer betont, dass sie Vizebürgermeisterin bleiben will. In Frage käme auch die ÖVP unter Gernot Blümel, der im Sog des türkisen Hochs auf Bundesebene satte Zugewinne vorausgesagt werden. Allein, eine SPÖ-ÖVP-Koalition in Wien ist reine Theorie. Die beiden können ganz einfach nicht mehr miteinander.
Ebenfalls lediglich theoretisch möglich ist die Zusammenarbeit Ludwigs mit den Freiheitlichen, denen am Sonntag ein Debakel droht. Ibiza, die Spendenaffäre rund um Ex-Obmann Strache und dessen eigenes Antreten haben dafür gesorgt, dass sich wohl mehr als die Hälfte der 256.000 Wählerinnen und Wähler von 2015 am Sonntag anderweitig orientieren werden. Davon am meisten profitieren dürfte die ÖVP. Spannend ist lediglich die Frage, ob Strache den Einzug in den Gemeinderat schafft. Umfragen sehen ihn allen Skandalen der Vergangenheit zum Trotz knapp an bzw. über der für das Polit-Comeback notwendigen Fünf-Prozent-Grenze.
Eine möglicherweise bedeutende Rolle könnten nach dem Wahltag die NEOS einnehmen. Schafft die Truppe von Christoph Wiederkehr nicht nur den Einzug in den Gemeinderat, sondern auch ein Stadtratsmandat, ist sie plötzlich ein Koalitionskandidat für Ludwig. Außerdem könnte der SPÖ-Chef diese Option nützen, um den Grünen Zugeständnisse abzutrotzen, zu denen sie sonst nicht bereit wären.
Weil eine Zusammenarbeit der SPÖ mit der Blümel-ÖVP oder der FPÖ illusorisch ist, bleiben eigentlich nur die Fortführung der rot-grünen Zusammenarbeit oder der Neubeginn mit den NEOS als realistische Szenarien. Für die türkis-grüne Bundesregierung zweifellos die angenehmere Variante wäre eine Neuauflage der bestehenden Koalition, weil das die Wiener Grünen daran hindern würde, völlig auf Konfrontationskurs zur Bundes-ÖVP zu gehen. Wie auch immer: Am Zug ist Michael Ludwig.

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