- 03.09.2020, 22:00:02
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Freitag, 4. September 2020, von Alois Vahrner: "Swarovski muss in Wattens bleiben"
Innsbruck (OTS) - Bei Swarovski steht vor dem heutigen Lostag vieles,
wenn nicht alles auf dem Spiel. Tirols größter Industriekonzern muss
massiv reformieren, aber es darf kein Rütteln am Standort Wattens als
Herz und Hirn des Konzerns geben.
Die heutige Gesellschafter-Versammlung bei Swarovski (die
weitverzweigte Familie hat über 200 Mitglieder und etwa 75
stimmberechtigte Eigentümer) wird wohl extrem turbulent werden. Dafür
sorgen der massive Stellenabbau, der Umbau der Strukturen, die
geplante Umwandlung in eine Aktiengesellschaft samt möglichem
Börsengang bis hin zu den Befürchtungen, dass die Zentrale in die
Schweiz verlagert und dann ein weiterer Kahlschlag in Wattens
erfolgen wird. Nicht nur die Belegschaft übt heftige Kritik, sondern
auch die Politik und ein wohl nicht so kleiner Teil der Familie, die
mit diesem Kurs, der in vielem auch einen Bruch zur gelebten
Tradition darstellt, nicht mitkönnen und nicht mitwollen. Ein Streit
in aller Öffentlichkeit, wie es ihn im oft verschwiegenen Konzern so
noch nie gegeben hat.
Der böhmische Einwanderer Daniel Swarovski hatte1895 mit der
ersten Maschine zur industriellen Fertigung von Glasschmucksteinen
den Grundstein zum späteren Kristallkonzern mit Weltruf gelegt.
Daniel Swarovski II. als prägendste Führungspersönlichkeit der
Enkelgeneration baute ein großes freiwilliges Sozialwesen etwa mit
einem umfangreichen Siedlungsprogramm mit Werkswohnungen für die
Arbeiter des Unternehmens auf. Wie in kaum einem anderen Unternehmen
verstanden sich die Mitarbeiter sehr lange quasi auch stets als Teil
„ihres“ Unternehmens und fast als Familienmitglieder. Und das
Unternehmen zeigte sich trotz globaler Ausrichtung (über 30.000
Beschäftigte in aller Welt) stets mit Tirol eng verbunden.
Der Konzern, der hierzulande stets als Vorbild galt, musste auch
schon in der Vergangenheit schwere Krisen meistern, etwa in den
1970er-Jahren oder dann später bei der großen Zale-Pleite in den USA.
Seit Jahren macht extreme Billigkonkurrenz vor allem bei
Kristallkomponenten Swarovski schwer zu schaffen. Die Corona-Krise
mit Nachfrage-Einbrüchen und lange geschlossenen Shops brachte
Swarovski nun in massive Probleme.
Unbestritten ist: Der Konzern muss seine Strukturen kräftig
umbauen und auch sparen, wenn er sich nicht in Existenzgefahr
bringen will. Und verkrustete familiäre Entscheidungs- und
Machtstrukturen des Clans hätten längst geändert gehört. Was aber
überhaupt nicht geht, ist die Art und Weise, wie etwa die Mitarbeiter
über die Zukunft völlig im Unklaren gelassen werden. Wattens, das hat
auch die vorherige und jetzige Führung oft betont, sei das „Hirn und
Herz“ des Konzerns. Das herauszureißen und ins Ausland zu verlagern,
wäre Selbstzerstörung.
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