„Konklave – Das letzte Geheimnis“ in „kreuz und quer“
Am 19. November ab 22.45 Uhr in ORF 2, danach: „Mekka 1979 – Urknall des Terrors?“ über Motive und Konsequenzen des Dramas von Mekka
Wien (OTS) - "Hier wird der Stellvertreter Christi auf Erden gewählt“, fasst der renommierte Kirchenhistoriker und Bestsellerautor Hubert Wolf den Anspruch der Institution Konklave zusammen: „Gott wählt eigentlich, der Heilige Geist wählt – und wir, die wir draußen stehen auf dem Petersplatz, wir wären wahnsinnig gern dabei!“ Diesem „Dabeisein“ kommt die „kreuz und quer“-Dokumentation „Konklave – Das letzte Geheimnis“ von Michael Cencig und Fritz Kalteis am Dienstag, dem 19. November 2019, um 22.45 Uhr in ORF 2 nahe. Und das will etwas heißen, denn seit rund 750 Jahren findet jedes Konklave hinter verschlossenen Türen statt, wie schon das Wort sagt: Konklave – cum clavis – mit dem Schlüssel zugesperrt.
Es war die vermutlich größte Geiselnahme der Geschichte, als im November 1979 Hunderte schwer bewaffnete Männer die Große Moschee von Mekka besetzten. Die Auswirkungen dieses weithin vergessenen Ereignisses sind bis heute greifbar. Mehr als fünf Jahre lang arbeitete Regisseur Dirk van den Berg mit einem internationalen Team an den zum Teil verdeckten Recherchen und Dreharbeiten für seinen Film „Mekka 1979 – Urknall des Terrors?“, der um 23.40 Uhr folgt. Behutsam wurde Vertrauen zu Augenzeugen, Diplomaten, Militärs und Geheimdienstlern in Saudi-Arabien, Frankreich, den USA und anderen Ländern aufgebaut. Dies verschaffte den Filmemachern einzigartigen Zugang zu Filmaufnahmen, Dokumenten und Hintergrundinformationen. Aus dem Material entstand ein politischer Thriller über eines der Schlüsselereignisse der jüngeren Geschichte. Die Koproduktion von ORF, ARTE, HR, NDR, PBS, RBB und WDR rekonstruiert das Drama von Mekka und erforscht Motive, Hintergründe und Konsequenzen mit Auswirkungen bis in die Gegenwart.
„Konklave – Das letzte Geheimnis“ – Ein Film von Michael Cencig und Fritz Kalteis
Seit Gregor X., der 1271 nach einer Papstwahl, die sich über drei Jahre hingezogen hatte, zum Oberhaupt der römischen Kirche gewählt wurde, ist das Konklave als letztgültige Form der Papstwahl festgeschrieben. In der ORF/BR-Koproduktion „Konklave – Das letzte Geheimnis“ wird dieser Papst in einem dramaturgischen Kunstgriff zum Zeitreisenden in Sachen Konklave erklärt bzw. zum Zeitzeugen über die Jahrhunderte hinweg bis in unsere Tage. Gregor X. und zugleich den Host, der durch den Film führt, gibt Josefstadt-Schauspieler Paul Matic.
In der Stadt Viterbo, 80 Kilometer nördlich von Rom, wurde das Konklave als Modus der Papstwahl erfunden. Die Altstadt von Viterbo mit dem Palazzo dei Papi, dem Papstpalast, erinnert bis heute an die Zeit, als Viterbo das Machtzentrum der Christenheit war. Im Mittelalter flüchteten die Päpste vor allem im Sommer gerne aus dem malariaverseuchten Rom in kühlere Orte wie Viterbo. Papst Clemens IV. hatte aber einen weiteren Grund, Rom zu meiden: In der Stadt tobten Kämpfe zwischen den großen Adelsfamilien. Im 13. Jahrhundert wurde der Sitz des Papstes deswegen für ganze 24 Jahre sicherheitshalber nach Viterbo verlegt. Und so starb Papst Clemens IV. Ende November 1268 in Viterbo, ohne jemals in Rom, der Hauptstadt der Christenheit, residiert zu haben. „19 Kardinäle kommen Anfang September 1268 in Viterbo zusammen, um einen Papst zu wählen“, erzählt Hubert Wolf:
„Sie sind die elitären Papstwähler – wir machen den Papst, wir sind die Eminenzen – wenn wir nicht, dann gibt’s keinen. Gleichzeitig ist diese Gruppe aber nicht homogen, sondern sie ist gespalten.“
Die Wahl des neuen Papstes droht zum Tauziehen zweier großer Mächte zu werden. Auf der einen Seite das Heilige Römische Reich, auf der anderen Seite Frankreich. Es geht um die Vorherrschaft in Europa – und dazu braucht man den Papst. Zugleich verfolgt vermutlich jeder einzelne Kardinal und Papstwähler auch seine eigenen Interessen. „Die großen Bruchlinien verlaufen innerhalb Roms. Es geht um verschiedene römische Familien, die sich bekriegt haben“, erklärt Historiker Andreas Fischer, und Hubert Wolf ergänzt: „Diejenigen, die die politische Macht in Rom haben, die möchten auch einen der ihren auf dem Stuhl des Bischofs von Rom sitzen haben, um die damit verbundenen Einkünfte und politischen Einflüsse nützen zu können. Und deshalb kämpfen diese Familien nach Mafiamethoden mit wirklich harten Bandagen um den Papstthron.“ Hinzu kommt, dass in der Zeit der Sedisvakanz alle Einkünfte des Papstes an die Kardinäle fallen. „Warum sollen die schnell wählen?“, fragt Hubert Wolf rhetorisch. Und was ist mit dem Heiligen Geist, der doch eigentlich im Konklave in besonderer Weise wirken soll? Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer ist überzeugt, dass der Heilige Geist im Konklave wirkt, indem er für eine Atmosphäre sorgt, die es den Kardinälen ermöglicht, sich in angemessener Zeit auf einen geeigneten Kandidaten zu einigen. In Viterbo benötigten die Kardinäle dafür drei Jahre – und die Bürger von Viterbo mussten mit drastischen Mitteln nachhelfen. Sie schlossen die Kardinäle kurzerhand im Papstpalast ein. Als auch das nichts half, wurde das Dach abgedeckt. Nach 1.006 Tagen fiel die Wahl auf Tedaldo Visconti, den Archidiakon von Lüttich, der sich zu dieser Zeit gerade auf Kreuzzug befand. Er sollte sich als gute Wahl erweisen, denn er schrieb das Konklave als letztgültigen Modus der Papstwahl fest. Und dabei beließ er es nicht, wie Hubert Wolf zu erzählen weiß: „Er sagt, in der Zeit, in der sie im Konklave sind, kriegen sie nicht nur nicht die Einkünfte des Papstes. Sie kriegen auch nicht ihre eigenen Einkünfte – um sie zu motivieren, etwas zügiger zu wählen. Das heißt also, da lernt jemand aus dieser Situation und erfindet, was sich bis heute in der Papstwahl bewährt hat – das Konklave.“
Im Lauf der Jahrhunderte ist das Konklave von einer Beugehaft für renitente Kardinäle immer mehr zu einem spirituellen und gleichzeitig öffentlichen Ereignis geworden. Und es ist der Gegensatz aus Medienspektakel und strengster Geheimhaltung, aus vorgegebenem Ritus und offenem Ausgang, der das Konklave zu einer solch wirksamen Inszenierung macht. Zu Beginn jeder Papstwahl schwören die Kardinäle, Geheimhaltung zu wahren. Kardinal Christoph Schönborn hält dies für unabdingbar für die Freiheit der Wahl und damit die Freiheit der Kirche. Aber er sieht auch der Tatsache ins Gesicht, dass sich nicht immer alle Kardinäle an dieses Gebot der Geheimhaltung halten: „Ich finde das traurig und auch empörend“, sagt er, „weil es sich dann im Grunde um einen Meineid handelt.“ Die Geschichte des Konklaves zeigt:
Man hat immer wieder aus dem, was passiert ist, gelernt. Heute verlangen neue Fragen nach neuen Antworten: Was ist zu tun, wenn ein Papst zurücktritt, wie zuletzt Benedikt XVI.? Wenn es zwei Päpste gibt? Was geschieht, wenn ein Papst ins Koma fällt? Gibt es so etwas wie eine päpstliche Patientenverfügung? Sollen auch Laien an der Papstwahl beteiligt werden – darunter Frauen? Änderungen wird es auch weiterhin geben müssen. Das Geheimnis des Konklaves aber wird bestehen bleiben und auch in Zukunft seine Faszination ausüben.
„Mekka 1979 – Urknall des Terrors?“ – Ein Film von Dirk van den Berg
Knapp 100.000 Pilger befanden sich am 20. November 1979 zum Morgengebet in der Moschee, als die Aufständischen die schweren Tore von innen schlossen und die Minarette mit Scharfschützen besetzten. Mit ihrem Anführer Dschuhaiman al-Utaibi – Angehöriger einer angesehenen Beduinenfamilie – forderten sie die Abdankung der saudischen Königsfamilie, die sie als korrupt und gottlos verdammten. Sie wollten den Abbruch aller Beziehungen zum Westen erzwingen – und die Rückkehr des „von Petrodollars verrotteten“ Königreichs zu einem ursprünglichen und reinen Islam.
In den folgenden zwei Wochen entbrannte ein bitterer Kampf zwischen den Aufständischen und der königlichen Familie der Al Saud – für die alles auf dem Spiel stand. Denn sie legitimiert ihre Herrschaft mit der Verantwortung für die beiden heiligsten Orte des Islam, Mekka und Medina. Immer mehr Soldaten und schweres Geschütz wurden in Mekka zusammengezogen. Die mehr als zwei Wochen lang anhaltenden und zunehmend kopfloseren Angriffswellen der saudischen Streitkräfte kosteten Hunderte, wenn nicht Tausende von Menschenleben auf beiden Seiten, bevor es einer französischen Spezialeinheit gelang, die Moscheebesetzung zu beenden.
In der Folge musste das saudische Königshaus den wahhabitischen Fundamentalisten im Land große Zugeständnisse machen, um den eigenen Machterhalt zu sichern: Religionsgelehrte erhielten weit größeren Einfluss, strenge Gesetze der Scharia wurden verschärft und ihre Einhaltung akribisch überwacht. Mit hohen Summen aus dem Ölgeschäft wurde der Islam wahhabitischer Prägung im Nahen Osten, in Afrika und Asien bis in Moscheen Europas exportiert. Bis dahin lebendige regionale, von Volksreligiosität durchdrungene und weitgehend liberale Spielarten des Islam wurden in vielen Weltgegenden vom saudisch-fundamentalistischen – und in seinem eigenen Selbstverständnis „einzig wahren“ – Islam verdrängt. Experten sind überzeugt, dass die Belagerung der Großen Moschee von Mekka ein entscheidender Impuls für die Entstehung des religiös motivierten, weltweiten islamistischen Terrorismus war, der seit 1979 seine blutige Spur aus Saudi-Arabien und dem Nahen Osten bis nach Europa und Amerika zieht. „Mekka 1979“ war demnach – neben der islamischen Revolution im Iran und der sowjetischen Besetzung Afghanistans – der Urknall dieses Terrors.